Trauer um Bischof Minor Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Freiheit des Denkens

Bischof i. R. Dr. Rüdiger Minor war von 1991 an der erste EmK-Bischof mit Sitz in Moskau.
Bischof i. R. Dr. Rüdiger Minor war von 1991 an der erste EmK-Bischof mit Sitz in Moskau. Unter seiner Leitung formierte sich nach dem Ende der Sowjetunion die EmK im Osten Europas und den im asiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion liegenden Staaten zum Bischofssprengel Eurasien, der zur Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien gehört.
Bildnachweis: © 2008 EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Am Sonntag verstarb Rüdiger Minor, der als Bischof der EmK von 1986 bis 2005 in Ostdeutschland und in Russland wirkte. Er wurde 78 Jahre alt.
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Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb Bischof i. R. Rüdiger Minor am vergangenen Sonntag, den 3. September, in Dresden. Sein Dienst als Bischof entfaltete sich in einer Zeit starker weltpolitischer Umbrüche. Von 1986 bis 1992 war er Bischof zunächst in der Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und nach der Wiedervereinigung Deutschlands und bis zur Vereinigung der beiden deutschen EmK-Zentralkonferenzen Bischof in der ostdeutschen Zentralkonferenz. Ausgelöst durch die politischen Umbrüche in Mittel- und Osteuropa wurde Bischof Minor bereits 1991 als bischöflicher Koordinator mit der Aufsicht über das beginnende russische Werk der EmK beauftragt und von 1993 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2005 war er Bischof für Eurasien.

Der Glaube gibt Kraft, sich dem System zu entziehen

Rüdiger Minor wurde am 22. Februar 1939 in Leipzig geboren. Seine Schulausbildung in der Nachkriegszeit im Osten des geteilten Deutschlands schloss er 1957 mit dem Abitur ab. Aus diesem, durch den Atheismus der Deutschen Demokratischen Republik geprägten Unterricht, berichtete er selbst: »Ich verdanke dieser Schule, dass sie mich gelehrt hat kritisch zu denken und in diese Kritik auch die eigene Tradition – selbst Kirche und Glauben – einzubeziehen. Aber zugleich gab der Glaube die Kraft, sich dem sich selbst absolut setzenden System zu entziehen und damit eine Freiheit des Denkens, um die uns andere beneidet haben.«

Schwerpunkt und Leidenschaft: Kirchengeschichte

Nach seinem Schulabschluss studierte er Theologie in Leipzig und Bad Klosterlausnitz. An der Theologischen Fakultät der Leipziger »Karl- Marx-Universität« erwachte sein Interesse an der Kirchengeschichte, das in zwei wissenschaftlichen Arbeiten über den Methodismus in Sachsen und die Geschichte der Bischöflichen Methodistenkirche in Sachsen seinen Niederschlag fand. Aufgrund dieser Arbeiten wurde Minor 1969 in Leipzig zum Doktor der Theologie promoviert und noch im selben Jahr für das akademische Lehramt im Fach Kirchengeschichte habilitiert. Zu dieser Zeit ist er bereits fünf Jahre im pastoralen Dienst der EmK in Plauen im Vogtland. Von 1970 an war er sechs Jahre Pastor in Jena bei gleichzeitiger Lehrtätigkeit im Fach Kirchengeschichte am Theologischen Seminar in Bad Klosterlausnitz. Ab 1976 war er hauptamtlicher Dozent und von 1984 an Direktor dieser theologischen Ausbildungsstätte der EmK in der DDR bis zur Wahl ins Bischofsamt 1986.

Nicht weglaufen, sondern Veränderungen gestalten

Nach dem Rücktritt von Bischof Armin Härtel, der sich seiner todkranken Frau widmen wollte, wurde Rüdiger Minor von der im sächsischen Aue tagenden Zentralkonferenz der EmK in der DDR zum neuen Bischof gewählt. In der Ausübung des Bischofsamtes war es Minor immer wichtig, »nahe bei den Gemeinden zu sein, um sie die Kraft des ›Glaubens, den wir gemeinsam haben‹, spüren zu lassen«. Bis 1992 leitete er sechs Jahre lang die EmK in der DDR während der Veränderungen durch die Friedliche Revolution und bis zur Vereinigung mit dem damaligen westdeutschen Teil der EmK. In der Zeit zunehmender politischer Unruhe hatte Minor »mit dem Staat« ein, wie er selbst berichtet, »konstruktives Verhältnis« gesucht, um den Staat »bei seiner Aufgabe zu behaften und sich nicht argwöhnisch von Initiativen abzuschotten«. Dabei setzte sich Minor besonders für die Initiativen von jungen Menschen ein und forderte dafür auf staatlicher Seite größere Gelassenheit und Offenheit ein. In den dann folgenden Umbrüchen der »Wendezeit« rief Minor in Ausübung seines bischöflichen Amtes die Gemeinden dazu auf, »nicht wegzulaufen, sondern in apostolischem ›Freimut‹ die Situation von Gott anzunehmen, und sich an der Seite der sich neu regenden gesellschaftlichen Kräfte für Veränderungen einzusetzen«.

Griechische Kirchenväter als Brückenbauer zur russischen Orthodoxie

Als einziger EmK-Bischof mit Erfahrungen im Osten des geteilten Europas wurde Minor 1991 vom internationalen Bischofsrat der EmK als bischöflicher Koordinator der neu entstehenden EmK in Eurasien berufen und 1993 von der Zentralkonferenz Nordeuropa-Eurasien als Bischof für die Region Eurasien gewählt. Dieser sich damals neu formierende Bischofssprengel reicht von der Ukraine über Moldawien bis nach Ostrussland und Zentralasien. Unter Minors Aufsicht entwickelte sich dieser Sprengel, in dem teilweise an in der Sowjetunion schon 1931 erloschene methodistische Aktivitäten angeknüpft werden konnte, zu einer jungen und aufstrebenden kirchlichen Arbeit. In dieser Zeit war Minor in den Jahren 2003 bis 2004 auch Vorsitzender des internationalen Bischofsrats der EmK.

In der neuen und von weiten Entfernungen geprägten Arbeit mit sich bildenden Gruppen und Gemeinden war Minors vorrangiges Ziel, »diese Gruppen zusammenzubringen, damit die sich gegenseitig kennenlernten, einander annahmen und ihre Gemeinsamkeiten entdeckten«, um Teil des methodistischen Verbundsystems, der »Konnexio« zu werden. Dabei sollte ihnen nicht von außen eine Identität aufgeprägt werden, sondern »im gegenseitigen Austausch und im Dialog mit dem methodistischen Erbe« sollten sie eine eigene Identität unter Berücksichtigung der russischen Geschichte und Identität entdecken. Dazu verhalf die Hochschätzung John Wesleys für die griechischen Kirchenväter, deren Geist in der russischen Orthodoxie lebendig ist. Dieser methodistische theologische Ansatz wurde Brücke zum geistlichen Erbe Russlands. Wie sehr dieser Ansatz Wirkung zeitigte, zeigt eine biografische Anmerkung Minors aus seinen letzten Lebenstagen: »Dass bei meinem Abschied aus Russland die Vertreter der Kirche erklärten, die methodistische Kirche sei unter meiner Leitung ›russischer‹ geworden, habe ich gern gehört.«

Lehre und Gemeindepraxis – im Ruhestand zurück zu den Wurzeln

Seit dem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2005 lebte Rüdiger Minor zusammen mit seiner Frau in Dresden. Während des Ruhestands nahm Minor die Einladung der Emory-Universität von Atlanta (Georgia, USA) für eine zweijährige Gastprofessur an der Candler School of Theology an. Außerdem übernahm er von Herbst 2013 bis Anfang 2015 während einer Vakanz die Leitung der Gemeindebezirke Dresden-Friedenskirche und Dresden-Zionskirche. Diese Aufgaben als »bischöflicher« Gemeindepastor hat er mit großer Freude und viel Elan angepackt.

Im vergangenen Jahr wurde bei ihm die nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Die Krankheit schritt rasch voran und führte in den frühen Morgenstunden am Sonntag, den 3. September, zum Tod.

Rüdiger Minor hinterlässt seine Frau Gerlinde, mit der er seit 1964 verheiratet war und die mit ihm seine Dienste und Aufgaben intensiv teilte, und drei erwachsene Kinder mit ihren Familien.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.

Zur Information

Die Beerdigung von Bischof i. R. Dr. Rüdiger Minor findet am 14. September 2017 um 14 Uhr auf dem Johannisfriedhof, Wehlener Str. 13 in Dresden statt.