Theologisches Referat anders Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Neue Einsichten im Fremden

Eine der Exkursionsgruppen am Chemnitzer Sitz eines internationalen Konzerns
Eine der Exkursionsgruppen am Chemnitzer Sitz eines internationalen Konzerns
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Der erste ganze Sitzungstag der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz war zur Hälfte ein Tag in Bewegung. Die Konferenzmitglieder suchten fremde Orte auf.
2 Minuten

Zum Auftakt der seit Mittwoch in Chemnitz tagenden Ostdeutschen Jährlichen Konferenz knüpfte Bischof Harald Rückert am Konferenzthema »In Fremdem Gott erfahren« an. Er schlug den Bogen zur Situation der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Deutschland. Dort würde in vielen Bereichen gefragt, wie der Weg der Kirche in die Zukunft aussehen werde. Ungewohntes und Fremdes schrecke oft ab und Wege ins Fremde fielen schwer. Stattdessen werde häufig versucht, das Gewohnte und Vertraute, das nicht mehr recht funktioniert, wieder in den Griff zu bekommen. Das würde das Leben nicht stärken, sondern an der Entfaltung und der Bewegung hindern. Es sei daher nötig, auch im Vertrauten neu nach Gott zu fragen.

Kirche auf dem Weg in die Fremde

Am zweiten Sitzungstag setzten die Konferenzmitglieder das Thema konkret in die Praxis um. Insgesamt 18 Gruppen machten sich auf den Weg und suchten in Chemnitz ungewohnte und fremde Orte auf. Ziel dieser »Exkursionen ins Fremde« war, den Blick und den Umgang mit dem Fremden und den Menschen in ihrer jeweiligen Situation zu gewinnen. Unter diesem Blickwinkel wurden die Wohnungslosenhilfe, die Justizvollzugsanstalt, das Technische Hilfswerk, die Jüdische Gemeinde, der Islamische Kulturverein, eine Kontaktstelle für Prostituierte, der Chemnitzer Sitz eines internationalen Konzerns, eine Werbeagentur, das Inspire-Begegnungszentrum und andere Orte besucht. Die Erfahrung des Fremden wurde dadurch verstärkt, dass sich die Teilnehmenden ihre jeweiligen Zielorte nicht selbst aussuchen konnten.

Eine Oase der Annahme

Für eine der Gruppen war der Besuch einer Anlaufstelle für Chemnitzer Prostituierte besonders eindrücklich. Die Initiative einer ehemaligen Prostituierten, die durch den Glauben an Jesus Christus ihr Leben neu beginnen konnte, führte den Besuchern ein dunkles gesellschaftliches Kapitel vor Augen. Prostitution, nicht selten unter Zwang, führt Menschen in Abgründe. Die Anlaufstelle bietet Raum, über die eigene Lebenssituation, Nöte oder Ängste zu reden und dabei glaubwürdig von guten Erfahrungen mit Jesus Christus zu hören. Die »Kirchenleute« erlebten den Besuch in dieser »fremden Welt« mutmachend. Ohne moralische Verurteilung wird dort den Menschen eine Oase der Annahme mitten in den Niederungen der Gesellschaft angeboten.

Mittels Schreibgesprächen auf großen Papierbögen wurden die Erfahrungen der Exkursionen gesammelt und bilden das »Manuskript des diesjährigen theologischen Referats«. Der Ersatz dieses sonst am Donnerstag gehaltenen theologischen Referates wurde von vielen Konferenzteilnehmern als beeindruckende Erfahrung kommentiert. »Ich war erst sehr skeptisch«, bekannte ein Laienmitglied nach der Exkursion. »Aber die Einblicke haben mir viele neue Einsichten vermittelt.«

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Die Ostdeutsche Konferenz umfasst 124 Gemeinden in 57 Bezirken mit rund 13.000 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen in den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.