Kommentar zum G20-Gipfel Von Hans Martin Renno  | 

Neues Wirtschaftsverständnis nötig

Hans Martin Renno, Referent für diakonische und gesellschaftspolitische Verantwortung
Hans Martin Renno, Referent für diakonische und gesellschaftspolitische Verantwortung
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Morgen und Übermorgen ist der G20-Gipfel in Hamburg und berät globale Fragen. Hans Martin Renno kommentiert das Treffen aus Sicht der Friedensethik.
2 Minuten

Weil in diesem Jahr Deutschland die G20-Präsidentschaft innehat, treffen sich in dieser Woche am Donnerstag und Freitag die 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie die Europäische Union in Hamburg. Weitere Länder und internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen nehmen als Gäste teil. Weil die G20 rund zwei Drittel der Weltbevölkerung stellen sowie drei Viertel des Welthandels bestreiten und mehr als vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erzeugen, leiten sie daraus den Anspruch auf eine führende Rolle in der Weltwirtschaft ab. Eine wirkliche Legitimation haben die G20-Länder dafür jedoch nicht.

Schwerpunkte der Beratungen

Den G20-Ländern geht es darum, die Wirtschaft zu stabilisieren. Dafür sollen das Wirtschaftswachstum weltweit gefördert und das internationale Finanzsystem stabilisiert werden. Außerdem geht es darum, Steuervermeidung zu bekämpfen, Beschäftigung zu fördern sowie den internationalen Handel und private Investitionen zu erleichtern. Neben den wirtschaftlichen Fragen geht es darum, die Zukunftsfähigkeit zu verbessern. Auf der Basis der »Ziele für nachhaltige Entwicklung« (Sustainable Development Goals, SDGs) und des Pariser Klima-Abkommens soll die Weltwirtschaft auf den Weg der Nachhaltigkeit und der Klimafreundlichkeit geführt werden. Außerdem geht es um die Digitalisierung der Weltwirtschaft, die Pandemie-Vorsorge, mit der eine kontinentübergreifende Ausbreitung von Krankheiten verhindert werden soll, um den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen und um die Verbesserung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen.
Zunehmend wird auch die Übernahme von Verantwortung für den afrikanischen Kontinent ins Blickfeld gerückt. Unter dem Motto »Partnerschaft mit Afrika« (Compact with Africa) sollen für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas stabile Rahmenbedingungen für private Investoren entwickelt und der Ausbau der Infrastruktur gefördert werden. Weitere Themen sind Flucht und Migration sowie die Bekämpfung von Terrorismus, Geldwäsche und Korruption.

Soziale Investitionen statt Profitdenken

So wichtig eine solche Veranstaltung ist, so sehr hat sie auch ihre Schattenseiten. Eine nachhaltige Entwicklung braucht zwingend die Beteiligung der Vereinten Nationen und von zivilgesellschaftlichen Gruppen als gleichwertige Verhandlungspartner. Die Globalisierung muss auch im Sinne der durch die G20-Staaten beschlossenen nachhaltigen Entwicklungsziele gerecht und partizipativ gestaltet werden. Außerdem sollte bei diesem Treffen das Thema der Menschenrechte zur Sprache kommen, weil in etlichen G20-Ländern systematisch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit unterdrückt ist. Des Weiteren muss ein G20-Treffen dazu beitragen, dass ein Wirtschaftsmodell, das weiterhin nur auf Wachstum setzt, verlassen wird. Im Fokus einer gerechten Globalisierung müssen die Ernährungssicherung und die soziale Grundsicherung, also das Wohlergehen aller Menschen stehen. Dafür ist auch eine grundlegende Reform des internationalen Finanzsystems notwendig. Wenn die Welt überleben will, braucht es soziale Investitionen statt Profitdenken. Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Klimapolitik und die nachhaltigen Entwicklungsziele dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Sie müssen aufeinander abgestimmt und ambitioniert verfolgt werden.

Neues Verständnis von Wirtschaft nötig

Das von der Zentralkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche im März 2017 als Diskussionsgrundlage beschlossene Friedenswort »Frieden gestalten: gewaltfrei, gerecht und schöpfungsgemäß« verfolgt genau diese Zielrichtung. »Ein wirksamer Kampf gegen Hunger, Armut und Ausbeutung braucht die Stärkung der betroffenen Zivilbevölkerung und einen Bewusstseinswandel bei uns«, heißt es in dieser Veröffentlichung, in der es um die Fragen von Frieden und Gerechtigkeit geht. »Priorität«, so eine der Aussagen im Friedenswort, »muss die Partnerschaft mit den notleidenden Menschen haben«. Um überleben zu wollen braucht die Menschheit ein neues Wirtschaftsverständnis und Unternehmen, die eine soziale Verantwortung übernehmen.

Der Autor

Hans Martin Renno ist Referent für diakonische und gesellschaftspolitische Verantwortung der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: referat.kdgv(at)emk.de.

Weiterführende Links

Das Lied zum G20-Treffen: www.youtube.com/watch?v=2LfYBJ_RafA
Bausteine für Ihr Friedensgebet zum G20-Gipfel
Ecumenical Service on the Occasion of the G 20 Summit in Hamburg
Ökumenischer Gottesdienst anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg
Fürbitte für Gerechtigkeit und Frieden anlässlich des G20-Gipfels