unterwegs erlebt Von Bischof Harald Rückert  | 

Unsere Herausforderung: Einheit suchen und Freiheit gewähren

Bischof Harald Rückert
Bischof Harald Rückert
Bildnachweis: Volker Kiemle, © EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Es ist nötig, dass wir das Verhältnis von Freiheit und Einheit in unserer Kirche neu durchbuchstabieren, sagt Bischof Harald Rückert. Beides brauchen wir, um unseren Auftrag zu erfüllen.
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Ein kurzer Blick auf meine drei zurückliegenden Kolumnen, die in »unterwegs« erschienen sind: Die erste hieß: Gemeinsam sind wir Kirche. Niemand soll sich zurücklehnen und sich über die anderen auslassen. Raushalten geht nicht. Die zweite sprach die Vielfalt des Glaubens an: Das Evangelium will allen Menschen mit ihren vielfältigen Lebensgeschichten und Lebensentwürfen das Heil in Jesus Christus zusprechen. In dieser Bewegung hin zu den Menschen sollen wir die Vielfalt unter uns umarmen. Und drittens brauchen wir die Einheit: Damit die Vielfalt uns nicht trennt, gilt es, immer wieder die Einheit unter uns zu suchen und sie festzuhalten. Es gilt, sich von dem festhalten zu lassen, der uns eint: Jesus Christus.

Freiheit geben, Neues zu probieren

Aus all dem ergibt sich für mich eine wichtige und sicher nicht ganz einfache Herausforderung für die Zukunft: Es ist nötig, dass wir als Kirche das Verhältnis von Einheit und Freiheit unter uns neu buchstabieren. Auf allen Ebenen stellt sich diese Aufgabe, weltweit, innerhalb unserer Zentralkonferenz in Deutschland sowie in unseren Gemeinden vor Ort. Ich bin überzeugt, dass wir einander künftig noch mehr Freiheiten zugestehen müssen, um an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Zusammenhängen Neues auszuprobieren. Neben den bewährten Modellen traditioneller Gemeindearbeit brauchen wir zugleich auch frische, gewagte und vielleicht sogar etwas »schräg« wirkende Ideen, um Menschen in die Gemeinschaft der Glaubenden und Suchenden einzuladen. Lasst uns einander zugestehen, dass wir auf verschiedenen Wegen versuchen, Gottes Liebe zu den Menschen zu tragen. Lasst uns gemeinsam um Gottes Segen bitten und ihm dann mit frohem Herzen gemeinsam danken, wenn wir im Neuen und im Vertrauten sein Wirken entdecken dürfen. Lasst uns lernen und einüben, einander freizugeben statt einander zu binden oder gar zu blockieren.

Einander den Glauben glauben

Dies kann gelingen, wenn wir im Kern ganz nah beieinanderbleiben. Es braucht ein Grund-Einverständnis unter uns über unseren Auftrag als Evangelisch-methodistische Kirche. Und es braucht Vertrauen zwischen denen, die Neues versuchen und denen, die Bewährtes bewahren wollen. Lasst uns deshalb entschieden das suchen, was das Vertrauen unter uns stärkt, und ebenso entschieden das meiden, was Vertrauen zerstört. Dazu könnte gehören: Miteinander, statt übereinander zu reden; im notwendigen Ringen um Entscheidungen die »Sache« in den Mittelpunkt stellen, statt die Person des anderen zu beschädigen; einander den Glauben glauben, statt ihn abzusprechen; gelegentlich einen halben Schritt zurücktreten, statt unbeirrt Recht behalten zu wollen. Lasst uns Vertrauen untereinander leben und aneinander festhalten. Im Beten, Reden und Ringen können wir uns dann viel Freiheit zugestehen.

Entnommen aus: »unterwegs« 20/2017