Frühjahrstagung in Braunfels Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Ermöglichen statt Kontrollieren

Bischof Harald Rückert (links) bedankt sich bei Pastor Karl Heinz Voigt für dessen Vortrag zum 50. Jahrestag der Vereinigung der Evangelisch-methodistischen Kirche
Bischof Harald Rückert (links) bedankt sich bei Pastor Karl Heinz Voigt für dessen Vortrag zum 50. Jahrestag der Vereinigung der Evangelisch-methodistischen Kirche
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Der Kirchenvorstand der EmK will stärker zukunftsgewandt arbeiten. Die von Karl Heinz Voigt empfohlenen »Nachdenktage« haben ein ähnliches Ziel.
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Die Frühjahrssitzung des Kirchenvorstands der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) fand am vergangenen Freitag und Samstag (23. und 24. März) im hessischen Braunfels statt. Bei einer besonderen Feier erinnerte Karl Heinz Voigt in einem Vortrag an die 50 Jahre zurückliegende Vereinigung zur Evangelisch-methodistischen Kirche. Außerdem legte der Kirchenvorstand seine Arbeitsweise für die kommenden Jahre fest.

Vereinigungsgespräche verstellten den Blick auf gesellschaftliche Umbrüche

Mit einem Vortrag über das »Wollen, Sollen oder Müssen« betrachtete Karl Heinz Voigt den Zusammenschluss der beiden Vorgängerkirchen »Evangelische Gemeinschaft« und »Methodistenkirche« zur »Evangelisch-methodistischen Kirche« im Jahr 1968. Der im Ruhestand in Bremen lebende EmK-Pastor betonte dabei in besonderer Weise den Beginn der Vereinigungsgespräche auf europäischem Boden im Januar 1963 in Frankfurt am Main. Nachdem mehrere von der Methodistenkirche angestoßene Gesprächsversuche für eine Vereinigung gescheitert waren, sei 1963 die Initiative für den europäischen Raum von der Evangelischen Gemeinschaft ausgegangen. Im Rahmen einer Sitzung des Europäischen Zentralrats der Evangelischen Gemeinschaft in Frankfurt am Main sei seinerzeit eine Delegation der Methodistenkirche aus Deutschland und der Schweiz vertreten gewesen. Das wurde zum Ausgangspunkt für inhaltlich schon sehr weit von der Evangelischen Gemeinschaft vorgearbeitete Vereinigungsgespräche. Damit sei auch klar gewesen, »wer hier Gastgeber und wer Gast ist«, beschrieb Voigt diesen geschichtsträchtigen Anfang. Aufgrund der zahlenmäßigen Größenverhältnisse – die Methodistenkirche war deutlich größer als die Evangelische Gemeinschaft – seien die vorherigen Gesprächsanstöße des »größeren« Partners ein »gesteigertes Problem« gewesen. Aus diesen Erfahrungen folgte auf Seiten der Methodistenkirche eine starke Passivität. Mit Auftakt der Vereinigungsgespräche führte die zögerliche Haltung der Methodistenkirche dazu, dass die Delegation der Evangelischen Gemeinschaft das Heft in die Hand nahm. Die 1963 begonnenen Gespräche, die im Jahr 1968 zur Vereinigung der beiden Kirchen führten, zogen viele inhaltliche Fragen und Überlegungen zu einer gemeinsamen Kirchenordnung nach sich. Laut Voigt führte das dazu, dass die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen jener Zeit in beiden Kirchen nicht genügend Beachtung gefunden hätten. Außerdem sei viel Kraft in die strukturelle Vereinigung geflossen. Für die an der Basis an zahlreichen Orten folgenden Bezirks- und Gemeindevereinigungen habe es daher zu wenig Hilfe und Anleitung gegeben.

Aus der »Lebensordnung« wurde eine »Kirchenordnung«

An konkreten Auswirkungen lasse sich auch heute noch die Herkunft unterschiedlicher Traditionen erkennen. Dazu gehöre das Bischofsamt, das nicht in einer »Weihe« zugesprochen werde, sondern in einer »Einführung« ins Amt gefeiert werde. Kritisch sieht Voigt das aus der Vereinigung erwachsene Kirchenverständnis. Mehr als eine »Variante der Volkskirche mit einigen eigenen Akzenten zu sein« attestiert Voigt dem gelebten und vermittelten Kirchenverständnis der seit 50 Jahren vereinigten Kirche nicht. Seiner Meinung nach biete der methodistische Ansatz, Kirche zu gestalten, »eine echte Alternative zu der Praxis der uns umgebenden Kirchen«, sei aber bei vielen Hauptamtlichen nicht im Blickfeld. Daran zu arbeiten, sei eine dringende und lohnende Aufgabe angesichts des weiter zurückgehenden Einflusses der volkskirchlichen und territorialen Kirchenformen, wie sie in Deutschland immer noch vorherrschend seien. Problematisch sieht Voigt die Verrechtlichung und Binnenorientierung, die aus der Vereinigung beider Kirchen erwuchs. Die ursprünglich als »Lebensform« angelegte Ordnung der Kirche zeige sich im englischen Namen »Discipline«. Bei der Vereinigung hätten beide Partner aber versucht, in einer neuen Kirchenordnung alles für sie Wichtige zu verschriftlichen und damit unverhandelbar festzulegen. Das habe weiteren Regulierungsbedarf nach sich gezogen, der sich in Diensthandbüchern mit weiteren Ausführungsbestimmungen niederschlug. So sei aus der ursprünglich als Jüngerschaftsordnung angelegten »Lebensordnung« (Discipline) eine stark regelorientierte Kirchenordnung geworden.

Nachdenktage, um Führung wahrzunehmen

Um aus dem Rückblick für die Zukunft zu lernen, gab Voigt den Mitgliedern des Kirchenvorstands zwei nachdenkenswerte Impulse mit auf den Weg. Zum einen dürfe der Kirchenvorstand der EmK »sich nicht selbst zu einem geschäftsführenden Gremium einer Institution reduzieren«. Dafür müsse sich dieses Gremium aber regelmäßig »Nachdenktage gönnen, um gewisse Schritte in die Zukunft zu gehen« und damit Führung wahrzunehmen. Außerdem ist es aus Sicht Voigts unbedingt nötig, das Bewusstsein der eigenen Herkunft und Geschichte zu stärken. Dafür, so Voigt weiter, sei es »dringend notwendig, einen eigenen Lehrstuhl für ›Methodistische Geschichte‹ einzurichten«. Noch besser sei sogar ein »Institut für die Erforschung der Geschichte des Methodismus in Europa«.

Vorwärtsgewandte Arbeit im Kirchenvorstand

Neben dem Fokus auf Impulse aus der Geschichte beriet der Kirchenvorstand in seinen Geschäftssitzungen eine neue, mehr zukunftsgewandte Arbeitsweise. Bischof Harald Rückert will damit eine »Akzentverschiebung« erreichen. Ziel der Arbeit im Kirchenvorstand sei nicht das Kontrollieren, sondern das Ermöglichen. Der Blick solle weniger zurück als vielmehr nach vorne gerichtet sein. Außerdem solle es weniger um Strukturfragen gehen, sondern mehr um die Frage, was für die Arbeit vor Ort in den Gemeinden wichtig ist und diese unterstützt. Die Beschäftigung mit der Entgegennahme von Berichten werde reduziert, um mehr Zeit für die inhaltliche Arbeit an relevanten und zukunftsorientierten Themen zu gewinnen. Außerdem betont der Bischof, dass entstehende Freiräume dann auch für Gebetszeiten und geistlichen Austausch genutzt werden sollen, die der Vertiefung der geistlichen Dimension der Arbeit im Kirchenvorstand dienten.

Neue Datenschutzordnung

Außerdem wurde nach umfangreicher Vorarbeit eine neue Datenschutzordnung verabschiedet, die der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union entspricht. Die neue Datenschutzordnung regelt die Datenverarbeitung im kirchlichen und diakonischen Bereich und soll die Persönlichkeitsrechte von Personen schützen, deren Daten in Ausübung des kirchlichen oder diakonischen Dienstes erfasst werden.

Zentralkonferenztermin im November 2020

Der Termin für die nächste Zentralkonferenz wurde ebenfalls festgelegt. Sie findet vom 18. bis 21. November 2020 im Gebiet der Ostdeutschen Konferenz statt. Dazu entsenden die Norddeutsche und die Ostdeutsche Konferenz jeweils 16 Delegierte, die Süddeutsche Konferenz 40 Delegierte, jeweils zur Hälfte Ordinierte und Laien.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.

Zur Information

Die Vereinigung von Methodistenkirche und Evangelischer Gemeinschaft zur Evangelisch-methodistischen Kirche war ein Prozess auf Weltebene, da beide Vorgängerkirchen und die heutige Evangelisch-methodistische Kirche weltweit strukturierte Kirchen waren und sind. In vorstehender Meldung zitierter Vortrag bezog sich auf die Ereignisse der Vereinigungsbemühungen in Europa und dort schwerpunktmäßig für den deutschen Sprachraum.
Der Vereinigungsprozess für die Vorgängerkirchen (Evangelical United Brethren Church und The Methodist Church) auf Weltebene nahm spätestens 1958 in Cincinnati, im US-amerikanischen Bundesstaat Ohio, seinen Ausgang, als sich Verhandlungsgremien beider Kirchen erstmals trafen. Mit der Vereinigung zur United Methodist Church (deutsch: Evangelisch-methodistische Kirche) am 23. April 1968 in Dallas, im US-Bundesstaat Texas, fand dieser Prozess seinen Abschluss. Die Vereinigungsbemühungen in Europa waren von den auf Weltebene stattfindenden Verhandlungen abgeleitet und standen zu Beginn unter der Leitung von US-Bischöfen. So auch die im Januar 1963 aufgenommenen Vereinigungsbemühungen der beiden Vorgängerkirchen in Europa. Einer der sensiblen Bereiche in den Vereinigungsgesprächen waren die Größenverhältnisse der beiden Partner. In Gesprächsunterlagen der damaligen Evangelischen Gemeinschaft werden Verhältniszahlen der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche für die USA mit 1:10, für Westdeutschland mit 1:2 und für Ostdeutschland ebenfalls mit 1:10 vermerkt. Das begründet die besondere Vorsicht und entstandene Zurückhaltung seitens der Verhandlungsgruppen der Methodistenkirche. Für Deutschland fand die Vereinigung in einem feierlichen Gottesdienst am 26. Mai 1968 in der St. Peterskirche in Frankfurt am Main statt.
Der Referent des Vortrags, der im Ruhestand in Bremen lebende Pastor Karl Heinz Voigt, ist ausgewiesener Kenner der Geschichte des deutschen und europäischen Methodismus‘. Ab 1963 war er Sekretär von Friedrich Wunderlich, dem Bischof der damaligen Methodistenkirche. Auf diese Weise erlebte er den Vereinigungsprozess der beiden Vorgängerkirchen hautnah mit.