Weltlage Von Bischöfin Rosemarie Wenner  | 

Blickwechsel

Bischöfin Rosemarie Wenner
Bischöfin Rosemarie Wenner
Bildnachweis: Gottfried Hamp, © EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Die aktuelle Weltlage ist kompliziert, Lösungen sind schwer zu finden. Darüber, was richtig ist und was falsch, streiten auch Christen. Bischöfin Rosemarie Wenner ermutigt uns, unser Handeln an Jesus auszurichten und dabei die Perspektive derer einzunehmen, die an den Rand gedrängt werden.
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Kürzlich hatte ich Besuch aus Uruguay. Kirchenpräsident Alfredo Alcarrez, Pastorin Ines Simeone und Nicolas Sosa, der dem Kirchenvorstand der Methodistischen Kirche in Uruguay angehört, waren direkt vom Flughafen zu einer kurzen Begegnung in mein Büro gekommen, um dann zum »Forum e« zum Thema »Missionsland Deutschland« nach Braunfels und zu einer Rundreise durch die Ostdeutsche Jährliche Konferenz aufzubrechen.

Die Gäste brachten mir eine ganz besondere Uhr als Geschenk mit. Das Zifferblatt ist mit einer Zeichnung des uruguayischen Künstlers Joaquin Torres Garcia hinterlegt. Dieses 1943 entstandene Kunstwerk stellt den amerikanischen Kontinent so dar, dass Südamerika oben ist und Nordamerika unten. Doch damit nicht genug. Bisher dachte ich, der Uhrzeigersinn sei eine eindeutige Bewegung. Die 12 ist oben, rechts davon ist die 1 und so weiter. Auf meiner neuen Uhr ist dies anders. Rechts von der 12 ist die 11, dann die 10, und die Zeiger drehen sich folglich links herum. Immer wenn ich diese Uhr betrachte, denke ich: »Da ist was falsch!« Doch gibt es richtige und falsche Anordnungen bei Landkarten? Oder haben Menschen irgendwann einmal ihren Blick auf die Welt zu Papier gebracht und seither werden die Landkarten so gedruckt, als ob der Norden oben sei und der Süden unten? Weil sich bei fast allen Uhren die Zeiger nach rechts drehen, nahm ich an, dass dies der Uhrzeigersinn sei. Meine Uhr aus Uruguay beweist:

Es geht auch anders

Wenn ich derzeit Nachrichten sehe oder Zeitungen lese, stelle ich fest, wie uneins wir Menschen uns darüber sind, was richtig und was falsch ist. Ich beklage die Politik der US-Regierung unter Präsident Trump; etliche Leute bejubeln die Weichenstellungen und sind begeistert von dem neuen Präsidenten und seinem Stil. Dass sich die Europäische Union nun auch sogar durch Deals mit Libyen noch stärker von Afrika abgrenzen will mit dem Ziel, Flüchtlinge von Europa fern zu halten, empfinde ich als einen Verrat an unseren Grundwerten. Andere meinen, wir müssten uns so vor Fremden schützen.

Wer legt fest, was richtig ist? Ich will mich an Jesus Christus orientieren. »Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst«, fordert Jesus mich auf. Im Diskurs mit anderen buchstabiere ich, was dies angesichts von komplexen globalen Themen heißt. Es gibt keine einfachen Lösungen angesichts des Elends in Syrien und der schlechten Lebensbedingungen in zahlreichen afrikanischen Ländern. Statt Abschottung werbe ich jedoch für humanitäre Korridore für Kriegsflüchtlinge und für offenere Einwanderungsgesetze für solche, die aus anderen Gründen ihre Heimat verlassen müssen.

In den USA gibt es zahlreiche Initiativen zum Schutz von Immigranten auch innerhalb unserer Kirche. Menschen wollen Gräben zuschütten, statt Mauern zu bauen. In Uruguay und in Deutschland widerstehen wir der Versuchung, uns in Nischen zurückzuziehen, weil wir angeblich als Minderheitskirchen wenig bewirken können. Wir lernen von- und miteinander, wie wir uns durch Worte und Taten in unsere Umgebung einmischen und Menschen in Jesu Nachfolge einladen können. Dabei versuchen wir, die Perspektive derer einzunehmen, die an den Rand gedrängt werden.

Gott kam in Jesus ganz nach unten, um uns Menschen aufzuwerten. Damit stellt Gott selbst unsere menschlichen Einteilungen in oben und unten in Frage. Der Schwächste wird mächtig und die Kleinen kommen groß raus. So entstehen Gemeinschaften, die aufbauen. Davon leben wir alle miteinander als Teil der Jesusbewegung, die die Welt umspannt.

Entnommen aus »unterwegs« 04/2017