Der Schlüssel zu meinen Wünschen
Ein klassisches Fettnäpfchen: Ich sitze beim Kaffeetrinken und komme mit meinem Gegenüber ins Gespräch. Es geht um Fitness und was man sportlich so treibt. Ich erzähle von meinen eigenen Bemühungen und davon, dass ich den Trend der permanenten Fitnesskontrolle völlig übertrieben finde. Mein Gesprächspartner zieht den Ärmel seines Hemdes zurück und zeigt mir seine »Kontrolluhr«. Dann erzählt er völlig begeistert davon, wie viele Schritte er heute schon gegangen ist, wie sich das positiv auf sein Herz-Kreislaufsystem auswirkt und welche Ziele er sich »programmiert« hat. Schließlich müsse man ja etwas für sich tun. Das Gespräch klingt noch eine ganze Weile in mir nach. Nicht, weil ich nichts für meine Fitness täte ... Mich beschäftigt die Frage, inwiefern das Streben nach Selbstoptimierung, nach Gesundheit, nach Lebensqualität wirklich in meinen Händen liegt.
Auf der Suche nach einem besseren Leben
Der Beter des Psalm 37 führt eine Art Selbstgespräch vor Gott. Er vergleicht seine eigene, eher bescheidene Situation mit dem, was er bei vielen seiner »gottlosen« Mitmenschen sieht: Glück, Wohlstand und Wohlergehen. Und er fragt sich, ob er etwas falsch macht. Warum läuft es bei den Anderen besser? Was könnte er besser machen?
Andererseits hat ihm Gott immer wieder geholfen. Er leidet keinen Hunger, hat genug zum Leben und durfte erleben, wie Gott ihn in der Not bewahrt hat. Ja, Gottes Gnade ist an vielen Stellen in seinem Leben sichtbar geworden. Vieles, was ihm an Gutem begegnet ist, hat er nicht selbst gemacht, sondern es ist ihm geschenkt worden. Oftmals konnte er nur staunend erkennen und dankbar sein. Wie als eine Art Motto hält er fest: »Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünscht« (Psalm 37,4).
»Naja«, höre ich mich selbst einwenden, »sicher nicht alles!« Nein, Gott wird mir nicht alles geben, was mein Herz wünscht. Es fehlt manchmal an Lebensqualität, an Gesundheit oder auch an meinen eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Und doch bin ich davon überzeugt, dass der Schlüssel zu meinen Wünschen nicht in meinem Handeln oder meiner Selbstoptimierung liegt, sondern in einem Leben mit meinem Gott und im Vertrauen auf seine Gnade.
Und wie sieht so ein Leben aus, das von der Lust am Herrn geprägt ist? Der Psalmbeter hat eine klare Vorstellung davon. Es geht darum, barmherzig mit seinen Mitmenschen zu sein und Anderen Gutes zu tun. Wer mit Gott lebt, der teilt mit Anderen das, was er hat und sorgt dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt.
Mir kommt das soziale Bekenntnis unserer Kirche in den Sinn: »Wir sind bereit, mit den Benachteiligten unsere Lebensmöglichkeiten zu teilen.« Wer immer wieder von sich selbst absieht und sich Zeit nimmt, um für Andere da zu sein, der kann erleben, wie viel Freude das macht, wie befriedigend das ist. Da gerät manch sonst vordergründiger Wunsch in den Hintergrund. Vielleicht ist das ja auch eine Form der Selbstoptimierung.
Entnommen aus »unterwegs« 3/2017