Wort auf den Weg Von Christhard Rüdiger  | 

Gott hat mal wieder seinen Geist geteilt

Christhard Rüdiger mit Gedanken zu einem Abschnitt aus 4. Mose
Christhard Rüdiger mit Gedanken zu einem Abschnitt aus 4. Mose
Bildnachweis: flickr.com / Judith Elaine Bush / CC BY-SA 2.0
Christhard Rüdiger mit Gedanken zu einem Abschnitt aus 4. Mose
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Seit gestern gehöre ich dazu: Zum Leiterkreis, zur Führungsriege. Gestern ist es passiert und der Chef hat endlich eingesehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Der Geist Gottes selbst muss ihm diesen göttlichen Satz eingeflüstert haben: »Ich bin nie allein verantwortlich. Niemals.« Natürlich ist das bei ihm ein besonderer Erkenntniszuwachs. 

Allein ist das nicht zu schaffen

Was hat Mose nicht alles allein gestemmt? Der Exodus, der Durchzug durchs Schilfmeer und das ständig maulende Volk. Das Manna hing allen zum Hals raus und einige fingen jetzt sogar an, sich nach dem Knoblauch in den Fleischtöpfen Ägyptens zurückzusehnen. Wenn gar nichts mehr ging, hatte er seinen Aaaron, der ihm eine Stütze war, fürs Herz oder für die beiden Arme. Aber manchmal war der auch ein Totalausfall, erinnern wir uns nur an die Sache mit dem Goldenen Stier. Manchmal muss der Leidendruck erst stark genug sein, bevor sich was ändert. Jetzt sind wir siebzig Leiter. Plus Chef Mose. Plus Aaron. Sechs mal zwölf ergibt 72. Ich bin kein Zahlenfetischist, aber jetzt passt es. Vollkommen perfekt.

Alles hat seinen Preis

Jede Veränderung muss bezahlt werden. Wenn’s hier mehr wird, wird es anderswo weniger – systemisch gedacht. Mose musste nicht bluten, aber doch abgeben. Zuerst dachte ich an seine Richtlinienkompetenz. Dass es nun vorbei sei mit seinem ständigen: »Das wird so gemacht, und Schluss!« »Wort JHWHs in meinem Mund und Schluss!« Was will man auch diskutieren mit einem, der immer sagen kann: »Der Herr hat mir gesagt …!« Genau so hat er auch gestern seinen »Masterplan zur Umverteilung der Leitungsverantwortung innerhalb des wandernden Gottesvolkes« bekannt gegeben.

»Wir verloren die Kontrolle«

Ich war nicht selbst dabei, ich hatte verschlafen – am Tag meiner Beförderung! Zum Glück nicht als Einziger. Medad auch. Wir kamen fast zu spät. Was dann geschah, war ziemlich abgefahren. Wir verloren die Kontrolle. Es war klar: Jetzt ist der Mensch mal im »Standby-Modus« und Gottes Geist macht mit einem, was er will. So eine Art Feuertaufe für frisch gebackene Führungskräfte.

Irgendwie paradox. Da soll man etwas tun und wird selbst erst mal kaltgestellt. Dann rannte dieser Knabe ins Lager und musste petzen: Medad und Eldad kommen zu spät! Aber Mose hatte den Durchblick. Erstens: Wir standen auf der Liste – ist dochimmer gut, wenn es eine Liste gibt, auf der man steht. Und zweitens: Wir waren bei denVerrückten – den Verzückten wollte ich sagen, dabei.

Ist schon ein schönes Gefühl, Geist von seinem Geist zu haben. Mose-Geist auf einem gewöhnlichen Eldad. Hat Mose jetzt eigentlich weniger als vorher? Oder ist Gottes Geist ein nachwachsender Rohstoff? Aber es stimmt ja gar nicht, dass der Mose-Geist geteilt wurde! Es ist ja der Geist JHWHs der auf Mose lag. Hab ich doch wieder den Chef verwechselt. Gott hat wieder mal abgegeben, ausgeteilt, breiter gestreut. Mehr Leute beteiligt. Und ich bin dabei: Delegation als göttliches Prinzip. Na klar, Stellvertretung! Wird sicher noch mal eine großeRolle spielen.

Entnommen aus: »unterwegs« 7/2017