»Man irrt sich empor«
Mitte Januar traf sich der Arbeitskreis »Naturwissenschaft und Glaube« (AKNG) der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) zu einem Symposium über das Thema »Naturalismus, Atheismus und christlicher Glaube« in Würzburg. Dabei stand der Naturalismus, eine unter vielen Naturwissenschaftlern verbreitete Denkart, im Mittelpunkt der Diskussion.
Gerhard Vollmer, emeritierter Professor für Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig präsentierte als renommierter Philosoph und Physiker den Naturalismus als Programm zur Durchdringung der Welt. Dieser beschränke sich auf möglichst wenige Annahmen, wobei der Rückgriff auf Übernatürliches völlig vermieden werde. Der Rückgriff auf das Übernatürliche würde nämlich nicht wirklich etwas erklären, sondern stehe weiterer Forschung sogar im Wege. Wenn »Gott« als Erklärung zugelassen würde, bräuchte nicht mehr weitergedacht zu werden. Gerade mit diesem sparsamen Konzept habe die Forschung die Welt in so hohem Ausmaß erfassen können, wie es heutiger Stand der Wissenschaft sei. Andererseits sei man bei der Bildung von Theorien sehr selbstkritisch: »Man irrt sich empor«, denke bei der Bildung einer Hypothesen sogar mit, wie sie sich prüfen oder widerlegen lasse. Gottesvorstellungen und insbesondere Dogmen aller Art stehe er daher ablehnend gegenüber.
Von ihren Forschungen über den »neuen Atheismus« berichtete Katharina Peetz als zweite Referentin des Symposiums. Die an der Universität des Saarlandes Systematische Theologie lehrende katholische Theologin hat mit ihrer Promotion über »Der Dawkins-Diskurs in Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften« den »neuen Atheismus« erforscht. Einige der Anliegen, die Richard Dawkins auch in seinem Weltbestseller »Der Gotteswahn« darlegt, seien berechtigt, erklärte Peetz. Das gelte unter anderem für den Kampf gegen kreationistische Übergriffe auf den Wissenschafts- und Bildungsbetrieb in den USA, oder die Kritik an kirchlichen Fehlentwicklungen und theologischen Festlegungen, die sich angesichts des heutigen Wissensstandes nicht mehr halten ließen. Trotz einer Reihe unsachlicher Polemiken, müssten Christen sich den berechtigten inhaltlichen Herausforderungen stellen.
Mit schlaglichtartigen Kurzvorträgen betonten Mitglieder des Arbeitskreises, dass sie Naturalismus als Forschungsprogramm begrüßen und diesen sogar als einzige Möglichkeit sähen, Forschung zu treiben. Allerdings müssten auch dessen Begrenzungen wahrgenommen werden. Gottesvorstellungen, die nicht als Natur-Erklärungen zum Schließen von Argumentationslücken missbraucht würden, seien durchaus denkbar und könnten auch gelebt werden. Die kraftspendende, dem Glauben innewohnende Hoffnung auf Gott müsse nicht aufgrund eines forschungsmethodischen Einfachheitsprinzips aufgegeben werden. Mit dem Verweis auf kirchliche Fehlleistungen sowie auf Forschungsergebnisse, die zeigen, wie religiöse Gefühle manipulierbaren Gehirnvorgängen unterliegen, war die Diskussion der über 80 Teilnehmer erkennbar selbstkritisch. Unter den Teilnehmern waren auch einige kirchenkritische, deren Vorstellungen sich offensichtlich überwiegend aus der Selbstdarstellung christlich-fundamentalistischer Gruppen nährten. Besonders unangenehm würden dabei dogmatische Festlegungen empfunden, die dem Lernen keinen Raum ließen und ein Gespräch auf Augenhöhe verhinderten. Wenn Christen sich mit mehr Gottvertrauen und weniger ängstlich auf offene Gespräche einließen, wäre das eine große Chance für manche Diskussion.
Links und Informationen
Arbeitskreis »Naturwissenschaft und Glaube«: www.emk-naturwissenschaften.de
Bildungswerk der EmK: www.emk-bildung.de/symposiumnaturwissenschaftglaube.html Herbstseminar des AKNG vom 28.-30. Oktober 2016 in Stuttgart-Giebel. Dort werden Antworten auf atheistische Anfragen und Kritik erarbeitet. Das nächste Symposium des AKNG findet am 21. Januar 2017 statt.