Bischöfin Rosemarie Wenner Von Bischöfin Rosemarie Wenner  | 

Mut zur Versöhnung

Bischöfin Rosemarie Wenner
Bischöfin Rosemarie Wenner
Bildnachweis: Gottfried Hamp, © EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Wir leben in unsicheren Zeiten und nicht zuletzt der Brexit hat gezeigt, wie zerbrechlich vermeintlich stabile Verhältnisse sind. Umso mehr sind wir Christen gefordert, versöhnend zu wirken, sagt Bischöfin Rosemarie Wenner.
2 Minuten

Ich bin unglücklich über die Brexit-Entscheidung!« Diesen Satz hörte ich oft beim Frauentreffen der Methodistischen Kirche in Großbritannien in einem großen Konferenzzentrum in Swanwick in Mittelengland. Ich war als Referentin eingeladen. Das Thema lautete: »Welcome, Willkommen, Bienvenue« und ich sprach über Veränderungen in unserer Kirche in Deutschland, weil Menschen in unseren Gemeinden »Willkommen« sagen zu Flüchtlingen und Asylsuchenden. Wie ich es bereits in meiner Botschaft an die Zentralkonferenz getan hatte, entfaltete ich meine Vision von einer Kirche, die abbildet, dass an Gottes Tisch Menschen »von Osten und von Westen, von Norden und von Süden« (Lukas 13,29) willkommen sind. Miteinander sind wir eingeladen, als »Gottes Hausgenossen« (Epheser 2,19) zu leben.

Die vielen Gespräche über die Folgen des »Brexit« verdeutlichten, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Gesellschaften driften auseinander. Eine Teilnehmerin des Frauentreffens gab fast entschuldigend zu: »Ich habe für den ›Brexit‹ gestimmt. Das bedeutet nicht, dass ich gegen Europa bin.« In einem guten, offenen Gespräch stellten wir fest, dass sie genauso wie die Gegnerinnen des Brexit Gottes Liebe in die Welt tragen und sich für Mitmenschen einsetzen will. Jemand sagte: »Wir sind immer noch wie gelähmt. Dabei stehen so wichtige Weichenstellungen an, wo die methodistische Stimme vielleicht hilfreich sein könnte. Wie finden wir heraus, was wir gemeinsam sagen können?«

»Sprecht miteinander!«

Mein Rat lautete schlicht: »Sprecht miteinander. Vielleicht hilft es, andere Europäer zu solchen Gesprächen einzuladen. Wer, wenn nicht wir Christen, sollte bereit sein, trotz gegensätzlicher Meinungen miteinander nach dem zu suchen, was nicht nur der Stadt, sondern der Welt Bestes ist?«

Ich musste dabei an Deutschland denken. In meiner Botschaft an die Zentralkonferenz habe ich unter dem Stichwort »Brückenkirche sein« geschrieben: »(In der Kirche) schaffen wir Räume, in denen wir Themen bewegen können, um die andere einen weiten Bogen machen, weil sie Angst vor Streit und Spaltung haben. Wir setzen uns mit der Meinung anderer auseinander und bleiben uns trotz Differenzen als Menschen zugetan. Miteinander ringen wir darum, Gemeinschaft der Verschiedenen aufzubauen und zu gestalten.«

Gemeinden als Ort für politische Debatten

In unserem Land ist Wahlkampf. Wird es uns gelingen, Menschen aus verschiedenen Lagern miteinander ins Gespräch zu bringen? Gemeinden können Vertreterinnen und Vertreter der Parteien einladen und sie fragen, was sie zum Miteinander der Kulturen und Religionen, zu Migration und dem Recht auf Asyl, zu dem Gefälle zwischen Reich und Arm, zu Fragen des Umgangs mit Pflegebedürftigen und Kranken, zu Bildungschancen für Kinder aus armen Familien, zu Ehe und alternativen Lebensformen oder zu Rüstungsexporten sagen. Wir sollten darüber sprechen, wie wir uns eine gute Zukunft für uns und nachfolgende Generationen vorstellen und was wir dazu beitragen können, dass unsere Visionen wenigstens ansatzweise Wirklichkeit werden.

Wer glaubt, dass Christus zusammenhält, was zu zerreißen droht, muss die harten Themen nicht meiden. »Sie denken so positiv«, sagte mir eine Teilnehmerin des Frauentreffens in Swanwick. Sie hatte mir gut zugehört. Ich finde, dass das Evangelium von Jesus Christus, der aus Liebe zur Welt starb und so den Tod überwunden hat, Grund zur Hoffnung ist. Christus hat die Welt mit Gott versöhnt und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet. Wer ihm vertraut, kann verbindend wirken.

Entnommen aus: »unterwegs« 8/2017