Süddeutsche Jährliche Konferenz Von Volker Kiemle  | 

Saftstrom namens Kirche

Eine abgeschnittene Rebe kann auch Wurzeln ziehen, wenn sie in die Erde gesteckt wird.
Eine abgeschnittene Rebe kann auch Wurzeln ziehen, wenn sie in die Erde gesteckt wird. Der Winzer und Theologe Richard Grünewald legt das Jesus-Wort vom Weinstock und den Reben aus.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Von zentralen Fragen des Lebens, nicht linientreuen Reben und Vielfalt am Weinstock ist die Rede. Ein Winzer legt das Jesus-Wort zum Weinstock aus.
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Dass ein Winzer die Bibelarbeit bei der Süddeutschen Jährlichen Konferenz in Neustadt an der Weinstraße über das Tagungsthema »Dranbleiben!« hielt, war wenig überraschend. Bemerkenswerter war da schon die Tatsache, dass Richard Grünewald auch katholischer Theologe ist und jahrelang als Personalentwickler gearbeitet hat. Das machte der Winzer aus Worms gleich zu Beginn seines Vortrags deutlich – und beglückwünschte die Konferenz zur Wahl des Bibeltextes aus Johannes 15,5: »Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben«.
Grünewald wies darauf hin, dass der Bibeltext aus den sogenannten Abschiedsreden stammt, die direkt vor den Berichten über die Passion Jesu stehen. »Abschiedsreden haben den Sinn, dass die Jünger darauf vorbereitet werden, alleine zurechtzukommen«, betonte der Referent. »Das heißt: Ihr seid nicht alleine, macht euch keine Sorgen.« Es gehe also um die zentralen Fragen am Ende des Lebens – um das, »was noch gesagt werden muss«.
Als Winzer sehe er das Gleichnis vom Weinstock natürlich aus einem besonderen Blickwinkel, sagte Grünewald. »Bei Jesus hat man den Eindruck, er kannte sich mit Landwirtschaft aus: Die Beschreibungen sind immer noch nachvollziehbar und treffend.« Zur Verdeutlichung hatte Grünewald einen Weinstock und einen Zweig mitgebracht. »Es ist klar, dass der Zweig nicht ohne Rebstock leben kann«, erklärte er. »Aber ohne Triebe kann auch der Rebstock nicht leben.« Er brauche die Zweige, damit aus dem Licht Nährstoffe entstehen könnten. »Mehr noch: Der Trieb könnte sogar Wurzeln treiben, wenn man ihn ins Wasser stellt.«

Auch die Jungen werde alt

Allerdings, so erklärte der Referent, seien junge Pflanzen wesentlich gefährdeter als alte. So habe in diesem Jahr der Frost im Frühling viele Weinstöcke zerstört. »Überlebt haben die alten Reben, die Reservestoffe im Stock hatten. Dort sind die Nährstoffe gespeichert fürs erste Austreiben.« Ebenso seien die jungen Triebe zwar voller Energie und trügen viele Trauben, doch die alten knorrigen Weinstöcke brächten den besseren Wein hervor. »Manchmal ist eben ein Durchbeißen auch durch schwierige Zeiten notwendig, um gute Trauben zu bringen«, sagte Grünewald. Auch der junge Trieb werde überdies alt und holzig, anfälliger für Schädlinge und könne sich deshalb nichts darauf einbilden, jung zu sein.
Auch sei die Bandbreite dessen, was wächst, sehr groß, sagte Grünewald. Er habe schon erlebt, dass ein Trieb nur mit einer Faser am Stamm gehangen und dennoch gute Trauben hervorgebracht habe. »Das heißt, auch wer nicht ganz so linientreu ist, kann Frucht bringen«, betonte der Theologe. Wichtig sei die Vielfalt – im Weinberg wie in der Kirche. »Wo nur ein Trieb aus einem Stock wächst, ist dieser sehr empfindlich. Besser ist es, wenn viele unterschiedliche Triebe aus dem Stock kommen.« Die Triebe seien über den Weinstock miteinander verbunden und tauschten untereinander Nährstoffe aus. Dies könne man einen »Saftstrom namens Kirche«, nennen.

Auch die Guten werden abgeschnitten

Früher oder später, so Grünewald, würden aber alle Triebe abgeschnitten – auch die guten, Frucht bringenden, um neuen Trieben das Leben zu ermöglichen. »Es geht am Ende nicht um die Rebe, es geht darum, Früchte hervorzubringen«, betonte er. »Die Verbindung von Stock und Rebe ist kein Selbstzweck, es zählt das Ergebnis.« Dabei sei auch die Arbeit des Winzers – im Gleichnis Gott selbst – nur ein Faktor, um guten Wein zu erhalten. »Auch der Rebstock kann es nicht alleine machen«, sagte Grünewald: Es brauche eine richtige Umgebung, das richtige Klima, die richtige Erde. »Die menschliche Arbeit, die ich einbringe, ist nur ein Faktor, um guten Wein zu bekommen«, sagte Grünewald. Ein passendes Bild für die Kirche.

Der Autor

Volker Kiemle ist leitender Redakteur der Zeitschriftenarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Kontakt: redaktion(at)emk.de.  

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