Interkulturelle Gemeinden Von Klaus Ulrich Ruof  | 

»Das Andere« integrieren

Im Rahmen des internationalen Schulungsprogramms für multikulturelle Gemeindearbeit besuchte die Gruppe auch die EmK-Gemeinde Stuttgart-Bad Cannstatt.
Im Rahmen des internationalen Schulungsprogramms für multikulturelle Gemeindearbeit besuchte die Gruppe auch die EmK-Gemeinde Stuttgart-Bad Cannstatt.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Europaweit haben in vielen methodistischen Gemeinden Migranten Heimat gefunden. Sie zu integrieren, ist herausfordernd. Darum ging es in einer Schulung.
4 Minuten

Ende August war der Auftakt eines neuen internationalen Schulungsprogramms für multikulturelle Gemeindearbeit (Institute for Multicultural Ministry). Eingeladen dazu waren Verantwortliche von Gemeinden, in denen Migranten eine neue Heimat gefunden haben und die dadurch mit unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten konfrontiert sind. Zu dieser vom internationalen Missionswerk der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK; General Board of Global Ministries, GBGM) zusammen mit der EmK in Deutschland und der Theologischen Hochschule Reutlingen ausgerichteten Schulung trafen sich in Stuttgart vierzehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Gemeinden aus neun verschiedenen europäischen Ländern und den USA. Aus Deutschland waren Pastorin Anne Detjen aus Hamburg und Pastor Robert Hoffmann aus Fürth unter den Teilnehmern.

Mitmachen dürfen ist wichtig

Die einwöchige Intensivschulung war durch thematische Vorträge, Gruppendiskussionen sowie Praxisteile und Exkursionen geprägt. Damit sollten die Teilnehmer ermutigt werden, ihre Gemeinden als Modelle dafür zu sehen, wie interkulturelle Begegnung und Zusammenarbeit gelingen kann, wie es in der Zielsetzung des Schulungsprogramms heißt. Zwei Referate beschäftigten sich damit, wie christliche Mission in einer säkularen und immer stärker multikulturellen Umgebung möglich ist. Die globalen Aspekte betrachtete die an der Theologischen Fakultät der Universität Boston in den USA lehrende Professorin Dana L. Robert. Aus ihrem Fachgebiet für Weltweites Christentum und Missionsgeschichte vermittelte sie die Grundlagen einer Missionstheologie, die »Grenzen überwindet«. Robert legte dar, dass der christliche Glaube sich immer »durch Gottes Liebe für die Welt in Worten, Zeichen und Taten« erwiesen habe und damit schon immer Kulturen verbunden und Gesellschaften transformiert habe.

Auf die lokale Situation zugespitzte Folgerungen dieser Grundlagen christlicher Mission stellte Achim Härtner vor, der an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) Praktische Theologie lehrt. Am Beispiel der Protestantischen Kirche in den Niederlanden (PKN) beschrieb er, wie eine Kirche in einer inzwischen fast gänzlich säkularisierten Umgebung ganz neu ihren Missionsauftrag entdeckt und umsetzt. Was Methodisten von der Arbeit der PKN lernen könnten, formulierte Härtner in fünf ermutigenden Erkenntnissen. Das Beispiel der PKN zeige, dass Mission auch heute noch möglich ist. Außerdem sei die Erfahrung aus den Niederlanden eine erneute Erinnerung daran, dass Glaube, gepaart mit Gottvertrauen, Auswirkungen habe. Am Anfang, so Härtners dritte Erkenntnis, seien »offene Augen« nötig, um Ansatzpunkte für die konkrete missionarische Situation vor Ort zu entdecken. Als vierte Erkenntnis betonte der Reutlinger Theologe den einladenden und selbstverständlichen Umgang mit Vielfalt in der Gemeinde. Das bedeute auch, dass neue Formen gefunden werden müssten und dass auch kirchliche Strukturen angepasst werden müssten. Außerdem komme es für eine missionarisch gesonnene Gemeinde darauf an, so Härtners fünfte Schlussfolgerung, dass »mitmachen« zu dürfen ganz wichtig sei. Im wesleyanischen Sinne sei dies als »Gnadenmittel« zu verstehen. Dafür müsse geworben werden.

Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Kirche

»Die erfolgreichsten Gesellschaften der Welt sind diejenigen, die am meisten von den sie umgebenden Kulturen aufgenommen haben.« Mit diesem Zitat von Johnny Clegg verband Stephan von Twardowski, Professor für Systematische Theologie an der THR, die Notwendigkeit und die Herausforderung der »Integration des Anderen«. Dafür stehe das Leben und Wirken Cleggs, eines in diesem Jahr verstorbenen bekannten südafrikanischen Sängers, der auch als Songwriter, Tänzer, Anthropologe und Musikaktivist weit über Südafrika hinaus bekannt war. In England geboren, der Vater Engländer und die Mutter aus Simbabwe, wuchs er in Simbabwe auf und kam im Alter von sieben Jahren nach Südafrika. Diese und weitere soziale, gesellschaftliche, politische und kulturelle Erfahrungen machten ihn sowohl in seinem musikalischen Schaffen und gesellschaftspolitischen Engagement zum Grenzgänger, der sich aus vielen Quellen bediente und ursprünglich nicht Zusammengehöriges verband. Daran anknüpfend legte von Twardowski dar, dass sich die Gemeinden und die gesamte Kirche heute damit auseinandersetzen müsse, wie wichtig es sei »das Andere« zu integrieren. Gemeinden, in denen Migranten neue Heimat gefunden hätten, würden das konkret erleben. Letztlich gelte das aber für die ganze Kirche. Nur so werde die Kirche zukunftsfähig sein und nur so könne sie mit dazu beitragen, die direkte Umgebung und damit die Welt positiv zu verändern.

Stimmen von Teilnehmern

Der Brasilianer Luiz Cardoso, der seit knapp zehn Jahren in England lebt, entdeckte, dass es nicht nur darum gehe, Menschen in die Gemeinde zu integrieren oder in Teilen des Gottesdienstes andere Sprachen zu verwenden. Es gehe vielmehr darum, »dass Menschen sich in ihrer ganz eigenen Art im Gottesdienst beteiligen und ausdrücken dürfen, die anders ist als meine«. Diese Menschen müssten »ihre eigene Geschichte mit Gott einbringen« dürfen.
Bodil Eriksson nimmt viel von den theologischen Grundlagenvorträgen mit. Für ihre Arbeit als Pastorin im mittelschwedischen Sundsvall kann sie diese in ihre Arbeit vor Ort integrieren. Auch die Bereicherung durch unterschiedliche Kulturen will sie noch viel stärker in ihrer Gemeindearbeit befördern. »Es ist ein Segen, Teile von jeder Kultur aufzugreifen, damit sich daraus ein ganzes Bild ergibt«, sagt sie. So könne die Kirche wachsen.
»Singen ist eine Sprache oder eine Art zu kommunizieren, die wir alle verstehen« war dem Fürther EmK-Pastor Robert Hoffmann bei der Tagung in Stuttgart wichtig geworden. Der Ansatzpunkt über das Singen sei für kulturell gemischte Gemeinden leichter zu bewerkstelligen als sich über theologische Wahrheiten, oder wichtige Wörter oder Begriffe zu verständigen. »Es ist wesentlich einfacher, über Musik gemeinsam einen Weg zu finden.«
Martin Obermeir-Siegrist ist klar geworden, »wie sehr die Sprache ausschlaggebend dafür ist, wo ich mich zuhause fühle, wo ich mich zugehörig fühle«. In ähnlicher Weise gelte das auch für die Musik. Beides würde in seiner Gemeinde im österreichischen Linz, wo er als Pastor tätig ist, in der interkulturellen Arbeit bereits berücksichtigt. »Aber da sehe ich noch ganz viel Luft nach oben und ganz viel Potential, dass wir die Musik, die die Menschen mitbringen und einbringen wollen, auch in den Gottesdienst mit hineinnehmen.«

Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information
Institute for Multicultural Ministry – Ausbildung für multikulturelle Gemeindearbeit
Erstmalig fand 2005 auf Initiative des inzwischen verstorbenen Pastors Heinrich Meinhardt eine Begegnung und Schulung für Verantwortliche in Internationalen und Migrantengemeinden methodistischer Gemeinden aus ganz Europa statt. Daraus entwickelte sich ein jährliches Treffen, bei dem der Erfahrungsaustausch in Verbindung mit Schulungseinheiten im Vordergrund stand. Auf Erfahrungen dieser Begegnungen basierend wurde das aktuelle Schulungsprogramm entwickelt, das auf eine ganze Woche angelegt ist. Der Aspekt der Aus- und Weiterbildung ist in Verbindung mit Vorträgen, Unterrichtseinheiten und Praxisteilen stärker ausgeprägt als zuvor. Die Gruppengröße von rund fünfzehn Teilnehmern ermöglicht intensiveres Lernen und persönlicheren Austausch. Geplant ist die jährliche Wiederholung und eine stufenweise Weiterentwicklung mit zusätzlichen Modulen für Absolventen des jetzt angebotenen ersten Moduls. Tagungsort ist das Bildungs- und Begegnungszentrum der Evangelisch-methodistischen Kirche in Stuttgart.

Unter anderen waren bei der Tagung Ende August in weiteren Vorträgen und Seminaren beteiligt: David Scott, der Direktor für Missionstheologie im internationalen Missionswerk der EmK (General Board of Global Ministries, GBGM); Neil Christie, Stellvertretende Generalsekretär für Bildung und Leiterschaftstraining in der internationalen Kommission für diakonische und gesellschaftspolitische Verantwortung (General Board of Church and Society, GBCS); Jorge Lockward, musikalischer und künstlerischer Leiter der EmK-Gemeinde »Church of the Village« in New York; HiRho Park von der internationalen Kommission für Erwachsenenbildung und theologische Dienste (General Board of Higher Education and Ministries, GBHEM); Yvette Hovsepian Bearce, Leiterin des Referats für internationale und Migrantengemeinden der EmK in Deutschland; Wilfried Röcker, Leiter des Bildungswerks der EmK in Deutschland; Alfiado Zunguza, Leiter der Leiterschaftsentwicklung im internationalen Missionswerk der EmK (GBGM).