Süddeutsche Konferenz tagt Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Hausverbot für Sturheit und Starrsinn

Bischof Harald Rückert will »Hausverbote für menschliche Haltungen« erteilen, die anderen im Weg stehen, um zu Gott zu kommen.
Bischof Harald Rückert will »Hausverbote für menschliche Haltungen« erteilen, die anderen im Weg stehen, um zu Gott zu kommen.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Intensive Gespräche prägten den ersten Tag der Süddeutschen Jährlichen Konferenz. Es ging um Einheit und Vielfalt, ums Beten und warum Weinen am Anfang steht.
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Der erste Sitzungstag der Süddeutschen Jährlichen Konferenz war am gestrigen Donnerstag stark von inhaltlicher Auseinandersetzung geprägt. Bischof Harald Rückert legte mit der Morgenandacht und seinem Bischofswort die Spur zum Nachmittag. Anschließend wurde zwei Stunden lang in Arbeitsgruppen über den »Weg in die Zukunft« für die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) intensiv gesprochen. Doch der Reihe nach: 

»Vielleicht« oder »gewiss«?

»Vielleicht ist das Weinen über meine Gemeinde und Kirche ein heilsamer Ansatzpunkt für den Aufbruch«, war einer der bewegenden Sätze in der Morgenandacht von Bischof Harald Rückert. Im auszulegenden Bibeltext ging es um die Vertreibung der Händler aus dem Tempel (Lukasevangelium 19,45-48). Rückert verwies in seiner Auslegung auf die der Vertreibungsaktion vorausgehende Szene, in der Jesus beim Anblick der Stadt Jerusalem weinen muss. »Alles beginnt mit dem Weinen«, hob der Bischof die Bedeutung dieser Szene hervor. Jesus trauere darüber, dass Jerusalem und sein geliebtes Volk nicht begreifen und sehen, was dem Frieden diene. Deshalb sei »das ehrliche Weinen ein heilsamer Ansatzpunkt«, weil »ich ehrlich werde und mich meiner Angst, meiner Hilflosigkeit, meinem Versagen und meiner Sehnsucht öffne«. Erst nach dem Weinen habe Jesus mit der Vertreibung der Händler und der Erteilung von »Hausverbot im Tempel« das Fehlverhalten dieser Leute heftig kritisiert. Dieses Stichwort »Hausverbot« übertrug Rückert ins »Heute«. Statt Menschen Hausverbot zu erteilen, gehe es heute vielmehr um »Hausverbote für menschliche Haltungen, die Anderen im Weg stehen, um zu Gott zu kommen«. So seien dem Kleinglauben und Pessimismus, der Unversöhnlichkeit und Rechthaberei oder der Sturheit und dem Starrsinn Hausverbot zu erteilen. »Weinen und Hausverbot« seien so »vielleicht heilsame Anknüpfungspunkte für unseren Aufbruch«, schlussfolgerte Rückert. Der aufkeimenden Irritation über das so unsicher klingende »vielleicht« setzte der Bischof nach einer kleinen Verzögerung ein kräftiges »Nein, gewiss!« entgegen.

Erlaubt, ausgesprochen, ernstgenommen

Wie bereits bei den vorangegangenen Tagungen der Norddeutschen und Ostdeutschen Konferenz, richtete Bischof Rückert auch eine Botschaft an die Mitglieder der Süddeutschen Jährlichen Konferenz. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen im Allgemeinen und der aktuellen Diskussion innerhalb der EmK über Fragen der Homosexualität im Besonderen, griff Rückert einmal mehr das Wortpaar »Einheit und Vielfalt« auf. Er beobachte, »dass gerade die Spannung von Einheit und Vielfalt und das Sprechen darüber für manche Menschen in unseren Gemeinden ein schwieriger, und ein mit Befürchtungen und Sorgen und Ängsten beladener, Bereich ist«. Das offene und geistliche Ringen in der Kirche scheint ihm an einigen Stellen schwieriger geworden zu sein. Besonders die Fragen in der Bewertung von Homosexualität und der Umgang mit homosexuellen Menschen scheinen das Potenzial zu haben, »unser vertrauensvolles Miteinander zu beschädigen, uns wieder in längst überwunden geglaubte Lager aufzuteilen und uns in Einzelfällen gegenseitig den Glauben in Frage zu stellen oder gar abzusprechen«. Ansatzpunkte für hilfreiche Wege gebe es in der frühen Geschichte des Methodismus bei John Wesley zu finden, so der Bischof. John Wesley habe immer wieder den hilfreichen Satz »im Wesentlichen Einheit, im Strittigen Freiheit, über allem die Liebe« zitiert. Außerdem habe Wesley schon ganz früh als »Kennzeichen eines Methodisten« eine Haltung beschrieben, die von großer Freiheit geprägt sei: »In allen Fragen, die nicht die Wurzel des Christentums treffen, halten wir es mit der Regel: denken und denken lassen.« Deshalb, so Rückert weiter, seien unterschiedliche Sichtweisen und Erkenntnisse »erlaubt«, dürften »ausgesprochen« und müssten »ernstgenommen« werden, »solange wir einander nicht den Glauben absprechen, solange wir einander nicht verletzen und solange wir uns immer wieder bewusst machen: Vielleicht hat ja auch mein Gegenüber ein bisschen mehr Recht, als ich.« Wenn das die Grundhaltung sei, könne es gelingen, dass die EmK in der Diskussion und Entscheidungsfindung über der Frage der Homosexualität »in Einheit und Freiheit« beieinander bleibe. Dafür bete er und setze sich mit ganzer Kraft ein.

Wirksame vier Minuten

Auf Basis der morgendlichen biblischen Besinnung und des Bischofsworts wurde es für die Konferenzmitglieder daraufhin konkret und persönlich. In 13 Gesprächsgruppen diskutierten fast 400 Delegierte zwei Stunden lang über den vom internationalen Bischofsrat der EmK vorgelegten Vorschlag, wie der Weg in die Zukunft für die EmK angesichts der heftigen Auseinandersetzungen um die Frage der Homosexualität aussehen soll. Als sei es von langer Hand so geplant gewesen, fiel in die Anfangsphase der Gesprächsrunden die Gebetszeit, zu der der Bischofsrat seit Anfang Juni einlädt. Um 14.23 Uhr wurden die Gespräche für vier Minuten unterbrochen, um für den »Weg in die Zukunft für die EmK« zu beten. Mit den Ziffern der Uhrzeiten 2:23 Uhr bis 2:26 Uhr wird an das Datum der im kommenden Jahr vom »23.2. bis 26.2.« stattfindenden außerordentlichen Generalkonferenz erinnert, die sich vier Tage lang mit der weitreichenden Entscheidung in der Auseinandersetzung um Homosexualität zu beschäftigen hat.

In den Gesprächsgruppen war eine große Offenheit spürbar für ein faires und achtungsvolles Ringen. Getragen vom Wunsch nach Bewahrung der Einheit der Kirche, wurden trotz alledem auch kontroverse Überzeugungen eingebracht und diskutiert. Eine der Gruppen diskutierte die »Entdeckung«, dass es immer ethische Fragestellungen waren, die in der methodistischen Geschichte zu heftigen Auseinandersetzungen führten, so beispielsweise die Sklavenfrage, die Frauenordination und jetzt die Homosexualitätsdebatte. In dogmatischen Fragen gebe es oft große Freiheit, während die meistens stark von Kultur und Gesellschaft geprägten ethischen Fragestellungen zu heftigen Auseinandersetzungen und Spaltungen geführt hätten. In einer anderen Gruppe wurde die von John Wesley verwendete hilfreiche Unterscheidung der Begriffe »essentials« (englisch für Wesentliches oder Hauptmerkmale) und »opinions« (englisch für Ansichten, Meinungen, Auffassungen) diskutiert. Laut Wesley sind »Umkehr, Glaube und Heiligung« Hauptmerkmale der biblischen Botschaft. Für viele Bereiche des alltäglichen Lebens und Glaubens müssten aber unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zugestanden werden im Sinne von »denken und denken lassen«. Dass das nicht einfach ist, zeigten die engagiert geführten Gesprächsrunden. Dass es möglich ist, zeigte die Atmosphäre in den Gesprächsrunden. Ob das Konzept tragfähig sein wird, muss die außerordentliche Generalkonferenz im kommenden Jahr beweisen. Dafür lohnt es sich, jeden Tag um 14.23 Uhr drei bis vier Minuten lang zu beten.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.

Weiterführende Links

www.emk-sjk.de

Zur Information

Die Süddeutsche Konferenz umfasst 242 Gemeinden mit rund 28.250 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie Teilen von Nordrhein-Westfalen.