Veränderungen fordern heraus Von Klaus Bratengeier (kur)  | 

Was ist, wenn sich Grenzen verschieben oder auflösen?

Die Professoren Walter Sparn (Erlangen, links) und Albert Newen (Bochum) beim Symposium des Arbeitskreises »Naturwissenschaft und Glaube« in Würzburg
Die Professoren Walter Sparn (Erlangen, links) und Albert Newen (Bochum) beim Symposium des Arbeitskreises »Naturwissenschaft und Glaube« in Würzburg
Bildnachweis: Michael Apel
Wie verhalte ich mich richtig, wenn es keine klaren Zuordnungen mehr gibt? Im Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Glaube wurden Antworten gesucht.
2 Minuten

Ende Januar traf sich der Arbeitskreis »Naturwissenschaft und Glaube« der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) zum Jahrestreffen in Würzburg. Das Symposium mit zwei öffentlichen wissenschaftlichen Vorträgen wurde in der »Neuen Universität« abgehalten und stand unter dem Thema »Zerfließende Grenzen«.

Wie nah sind sich Mensch und Tier?

Der Arbeitskreis hatte sich für das Symposium ein Thema ausgesucht, über das momentan in den Kirchen wenig gestritten wird. Es ging um das Verhältnis von Mensch und Tier. Albert Newen, Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität in Bochum, berichtete über eine Vielzahl von Experimenten mit Tieren. Dabei zeigten Tiere sprachliche Fähigkeiten, die durchaus an diejenigen kleiner Kinder herankämen. Die Sprache verbunden mit anderen Geistesfähigkeiten führe den Menschen über die Fähigkeiten von Tieren hinaus. Aber für die Wissenschaft sei klar, dass auch die menschliche Entwicklung eine Nähe zu den Tieren herstelle. Beginnend von Fähigkeiten, wie man sie von Affen kenne, über viele Zwischenglieder sei der Mensch zu dem gekommen, was heute als menschlicher Geist und menschliche Kultur bezeichnet werde. In der Diskussion wurde herausgestellt, dass über Tierethik mehr nachzudenken sei, um der Verantwortung gegenüber den Tieren besser gerecht zu werden.

Wie geht man mit Dogmen um, wenn Grenzen verschwinden?

Der im Ruhestand lebende Erlanger Professor für Systematische Theologie, Walter Sparn, widmete sich der Frage nach dem Umgang mit Dogmen in einer Welt, die neue Erkenntnisse gewinnt. Als Spezialist für die geschichtliche Entwicklung von christlichem Denken beschrieb er Irrwege in der Kirchengeschichte. Obwohl dogmatische Festlegungen immer wieder eine Anpassung an neues Wissen verhinderten, mussten im Laufe der Kirchengeschichte Dogmen immer wieder verändert werden. Durch Dogmen gezogene Grenzen, so der Erlanger Theologe, mussten und müssen immer wieder verändert werden, um den Vorstellungen über Gott, Mensch und Natur besser gerecht werden zu können. Das betreffe auch die Bibel, deren Text trotz seiner schriftlichen Fixierung und der Festlegung der dazugehörigen biblischen Bücher Veränderung dokumentiere. Zudem müssten auch die schriftlich fixierten Aussagen durch die jeweilige Leserschaft interpretiert werden. Dadurch sei göttliche Offenbarung nicht auf einen früheren Zeitraum begrenzt, sondern finde auch heute noch statt, in den Menschen ganz persönlich. Ohne die Aneignung durch Leser und Hörer des Wortes hätte Offenbarung keinen Sinn.

Der Mensch hat dem Tier nichts voraus

Walter Klaiber, im Ruhestand in Tübingen lebender Bischof der EmK, predigte in einem zweiten Modul der Tagung am Sonntag in der Würzburger EmK-Gemeinde. In Auslegung eines Textes aus dem alttestamentlichen Buch Prediger (3,18-22) wies er darauf hin, dass Mensch und Tier aus demselben Stoff gemacht seien. Dennoch zeichne den Menschen etwas aus, das ihn, aus Sicht des biblischen Autors, »nicht viel geringer als Gott« erkennen lasse. Punktuell sei die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Tier zwar frappierend, aber die menschlichen Eigenschaften kombinierten sich doch zu etwas Besonderem. Daraus könne aber nicht ein Vorrecht zur Willkür abgeleitet werden, sondern eine Verpflichtung und Verantwortung, die auch gegenüber Tieren und Natur gelte. Der Mensch sei als Ebenbild Gottes in die Pflicht genommen, Gottes Absichten zu vertreten. Dazu gehöre auch eine Ethik gegenüber den Tieren. Im Alten Testament werde Tieren eine eigene Form von Gottesbeziehung zuerkannt, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sei.

Der Autor
Dr. Klaus Bratengeier arbeitet als stellvertretender Leiter der Abteilung für Medizinphysik in der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Würzburg. Er gehört zum EmK-Gemeindebezirk Schweinfurt-Würzburg und ist Laienmitglied der Süddeutschen Jährlichen Konferenz der EmK. Kontakt über: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.

Weiterführende Links
Predigt von Bischof i.R. Dr. Walter Klaiber
Vortrag von Prof. em. Dr. Walter Sparn

Zur Information
Das Jahresthema »Zerfließende Grenzen des Lebens« wird in Zusammenarbeit mit dem EmK-Bildungswerk vom 23. bis zum 25. November bei einem Seminar in Stuttgart weiter vertieft. Dort werden andere Bereiche mit fließenden Übergängen thematisiert: Die Reiche der toten Materie und der biologischen Welt, der Übergang vom Leben zum Tod am Ende des Lebens, Mann und Frau, sexuelle Orientierung, der Beginn menschlichen Lebens, Mensch-Maschine, Intelligenz – künstliche Intelligenz können dort aufgegriffen werden. Das Jahr 2019 steht unter dem Thema »Die Verpflichtung zum Guten«.
Weitere Informationen: www.emk-naturwissenschaften.de