Studiengang Spiritualität Von Christof Voigt  | 

Die Verwandlung des Menschen zum Ziel

Theologe, Betriebswirt, Buchautor, Benediktiner-Mönch: Pater Anselm Grün bei seinem Vortrag an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR)
Theologe, Betriebswirt, Buchautor, Benediktiner-Mönch: Pater Anselm Grün bei seinem Vortrag an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR)
Bildnachweis: Susanne Meister, THR
Pater Anselm Grün referierte an der Theologischen Hochschule Reutlingen über Spiritualität und wie sie auf Echtheit getestet werden könne.
2 Minuten

Pater Anselm Grün ist ein ungewöhnlicher Mensch: Etwa dreihundert Buchtitel hat er veröffentlicht mit einer Gesamtauflage von 14 Millionen Exemplaren, wenn man die zahlreichen Übersetzungen mitrechnet. Und trotzdem tritt Grün auf wie ein bescheidener, einfacher Mönch aus dem benediktinischen Orden im fränkischen Münsterschwarzach.

Rituale ohne Werkerei

In der Theologischen Hochschule Reutlingen hielt der promovierte Theologe und Betriebswirt vor einem interessierten Publikum einen begeisternden Vortrag. Sein Thema war der Weg und die Bewegung des christlichen Glaubens. Dabei ging er von der berühmten Regel des Heiligen Benedikts aus: »Ora et labora – Bete und arbeite!« Gleich in den ersten Sätzen bestimmte er klar den oft unscharf verwendeten Begriff der Spiritualität: Sie sei »das Leben aus dem Geist«. Und um es unmissverständlich zu machen, ergänzte er: »Das Leben aus dem Heiligen Geist«. Das Ziel christlicher Spiritualität sei es, vom Geist Jesu durchdrungen zu werden. Der Weg zu solcher Spiritualität lasse sich durch Rituale erleichtern, ohne damit einer bedenklichen Werkerei anheimzufallen.

Die Probleme der Welt vor Gott tragen

Dann holte Anselm Grün weiter aus und erläuterte die benediktinische Spiritualität in ihren Bezügen zur Mystik, zur gegenwärtigen Welt und zum gemeinschaftlichen Leben. Christliche Mystik beschrieb er in enger Bezugnahme auf frühe Zeugnisse der Wüstenväter und anekdotischen Mönchsgeschichten. Dabei kritisierte er den heute oft erkennbaren infantilen Wunsch nach eigener Grandiosität.

Im benediktinischen »ora et labora« verortete der Benedektinermönch den Impuls des christlichen Glaubens für Welt und Gesellschaft. Im Verdienen des Lebensunterhalts wird auch den Menschen gedient, und dieser Dienst sei ein Test auf die Echtheit der Spiritualität. Es ist interessant, dass Benedikt über die Verherrlichung Gottes im Kapitel über die Arbeit spricht, nicht in dem über das Gebet. Im Blick auf die Gemeinschaft hob Grün schließlich hervor, dass sich nach Benedikt der Glaube an Gott im Glauben an den Menschen ausdrücke. Dabei könnten Menschen sehr wohl verschieden sein, sich aber doch im Lob Gottes zusammenfinden. Dieses gemeinschaftliche Lob Gottes übergehe nicht die Probleme der Welt, sondern geschehe gerade aus der Arbeit an den Problemen heraus und trage diese vor Gott.

Neuer Studiengang bewährt sich

Abschließend gab der Benediktinerpater der großen Zuhörerschar konkrete Anregungen für den Alltag. Dabei betonte er, dass Spiritualität die Verwandlung des Menschen zum Ziel habe und nicht eine menschengemachte Veränderung, die immer etwas Aggressives mit sich bringe: Der Mensch solle zunehmend vom Geist Jesu Christi durchdrungen werden.

Die benediktinische Spiritualität, wie sie Anselm Grün für die Gegenwart darstellt, ist ohne weiteres anschlussfähig für die methodistische Theologie, die ihrerseits auf Zeugnisse der frühen Kirche zurückgreift und die Aspekte der sozialen Heiligung und der christlichen Gemeinschaft betont. Der Vortrag war Auftakt zur aktuellen Lehreinheit des berufsbegleitenden Masterstudiengangs »Christliche Spiritualität im Kontext verschiedener Religionen und Kulturen«, den die Theologische Hochschule Reutlingen bereits im dritten Jahr anbietet.

Der Autor
Christof Voigt ist Professor für Philosophie und Biblische Sprachen an der Theologischen Hochschule Reutlingen der Evangelisch-methodistischen Kirche. Kontakt: christof.voigt(at)emk.de.

Weiterführende Links
Der Vortrag kann nachgehört werden unter www.th-reutlingen.de.

Zur Information
Die Theologische Hochschule Reutlingen (THR) ist als Einrichtung der Evangelisch-methodistischen Kirche die international ausgerichtete Studienstätte des deutschsprachigen Methodismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist eine staatlich anerkannte Hochschule und verleiht die international anerkannten Studienabschlüsse Bachelor of Arts (B.A.) und Master of Arts (M.A.) in Theologie sowie einen staatlich anerkannten M.A. in »Christlicher Spiritualität«.