Zum Tod von Horst Marquardt Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Der Klarheit verpflichtet

Sprachbegabt, evangelistisch, visionär – unermüdlich bis ins hohe Alter. Jetzt ist der Medienpionier Horst Marquardt im Alter von 91 Jahren verstorben.
Sprachbegabt, evangelistisch, visionär – unermüdlich bis ins hohe Alter. Jetzt ist der Medienpionier Horst Marquardt im Alter von 91 Jahren verstorben.
Der evangelisch-methodistische Theologe und Pionier christlicher Medienarbeit in Deutschland, Journalist und Mitbegründer zahlreicher christlicher Werke, Horst Marquardt, ist tot. Er starb gestern im Alter von 91 Jahren im Kreis seiner Familie in Minden.
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»Begeisterter Nazi«, Kommunist und Christ

Horst Marquardt wurde 1929 in Berlin geboren und wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Im Alter von zehn Jahren zog er mit den Eltern – der Vater war Verlagsleiter – nach Breslau. Sein versierter Umgang mit Sprache war ihm vom Elternhaus in die Wiege gelegt. Demgegenüber war sein Wirken als überzeugter Christ und Akteur christlicher Medienarbeit in jungen Jahren nicht absehbar.

Er sei, wie er selbst immer wieder erzählte, durch Adolf Hitler verdorben worden und »begeisterter Nazi« gewesen. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges meldete er sich als Freiwilliger sogar zum sogenannten »Volkssturm«, zu dem damals »alle waffenfähigen Männer« aufgerufen wurden, »um den Heimatboden des Deutschen Reiches zu verteidigen«. Von dieser untergegangenen Ideologie enttäuscht, wandte er sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dem Kommunismus zu und arbeitete als Redakteur beim ostdeutschen Radiosender Potsdam. Ein von ihm sorgfältig recherchierter Beitrag wurde dort jedoch nicht gesendet, weil der Inhalt der Parteilinie widersprach. Daraufhin brach er mit dem Kommunismus.

»Einem System, in dem die Wahrheit nicht erwünscht war, wollte ich nicht länger dienen«, war Marquardts konsequente Schlussfolgerung. Die Wende in »einer Stunde großer Ratlosigkeit« habe dann der Bibelvers »Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast« (Timotheus 3,14) bewirkt. »Ich habe durch das Lesen des Neuen Testaments Jesus Christus gefunden«, sagt er selbst zu dieser Erfahrung. »Ich bekam eine unendliche Freude.«

Pastor, Medienmensch, Initiator

Mit gerade erst 22 Jahren setzte er sich nach West-Berlin ab und schloss sich dort einer methodistischen Gemeinde an. Bei seinem Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinde wurden seine Gaben entdeckt und führten zur Aufforderung, seine »Freude am Glauben« zur Lebensaufgabe zu machen und »Prediger zu werden«. Nach dem Theologiestudium am Seminar der damaligen Methodistenkirche in Frankfurt am Main arbeitete er bis 1956 als Pastor dieser Vorgängerkirche der heutigen Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Berlin. Danach zog Marquardt für drei Jahre nach Wien. Im Verlauf der aufblühenden Gemeindearbeit kümmerte er sich zusammen mit seiner Frau um Flüchtlinge aus Ungarn, die nach den dortigen Unruhen in großer Zahl ins benachbarte Österreich flohen. Bis zu 250 Personen waren zeitweilig im Gebäude der methodistischen Gemeinde in Wien untergebracht.

Mitten in der Arbeit in Österreich erhielt der gerade erst Dreißigjährige einen Kontakt zu dem 1959 neu gegründeten Radiosender »Evangeliums-Rundfunk« in Wetzlar, heute ERF-Medien. Dort stellte man den jungen Mann mit Medien- und Rundfunkerfahrung am 1. April 1960 als Programmdirektor ein. Bis 1993 leitete er dieses Werk, in dem er seine Leidenschaft für Sprache, die Verbreitung des Evangeliums und die zeitgemäße Anwendung der Medien für die christliche Botschaft auslebte.

Als visionärer Medienmensch gründete er 1970 die heutige evangelische Nachrichtenagentur »idea«. Anlass dafür war seinerzeit die Rückkehr von einem christlichen Jugendtreffen mit 10.000 Teilnehmern. Die damals vom Evangelischen Pressedienst (epd) ausgeschlagene Presseberichterstattung betrübte ihn so sehr, dass er beschloss eine Nachrichtenorganisation aufzubauen. Auf seine Initiative hin bildeten Vertreter der Evangelischen Allianz in Deutschland, des Evangeliums-Rundfunks und der Konferenz Evangelikaler Missionen im Sommer 1970 einen Herausgeberausschuss. Ein Jahr später, am 1. August 1971, erschien die erste Ausgabe von »idea«, ein Namenskürzel aus »Informationsdienst der Evangelischen Allianz«.

Weitere, von Horst Marquardt angestoßene oder mitinitiierte Werke sind die 1975 gegründete »Konferenz Evangelikaler Publizisten « (KEP – heute »Christliche Medieninitiative pro«) und der »Kongress Christlicher Führungskräfte« (KCF), den er zusammen mit dem Unternehmer Jörg Knoblauch von 1999 bis 2017 leitete.

Wertschätzung und brüderliche Gesinnung

Auch im hohen Alter blieb Marquardt seiner Sprachbegabung und Liebe zu den Medien treu. Noch mit 89 Jahren ging er unter die Blogger. Ab Dezember 2018 veröffentlichte er geistliche Impulse auf seinem Blog »Marquardts Bilanz«, in denen er »Glaubenserfahrungen aus neun Jahrzehnten« weitergibt. Damit sei Marquardt wohl der »älteste Blogger Deutschlands« schrieb das »Mindener Tageblatt«. Noch im Alter von 90 Jahren hielt er Andachten bei ERF Medien.

Von Marquardts Wachheit und Mediennutzung war auch der für Deutschland zuständige Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche bei einem Besuch Ende vergangenen Jahres sehr angetan. »Ich erlebte in der Begegnung mit Horst Marquardt einen wachen Geist und einen sehr interessierten Gesprächspartner«, erinnert sich Harald Rückert an diese Begegnung. Er habe großes Interesse am Ergehen der Evangelisch-methodistischen Kirche und den aktuellen Herausforderungen gezeigt. Bewegt habe ihn Marquardts Zusicherung, »trotz unterschiedlicher Meinungen für einen gemeinsamen, versöhnten Weg für die Evangelisch-methodistische Kirche zu beten«. »Dieses Gespräch in gegenseitiger Wertschätzung und in brüderlicher Gesinnung, ehrlichem Interesse aneinander und in gegenseitiger Fürbitte hat mich sehr berührt«, so Harald Rückert.

Lebensabend in Minden

Zuletzt lebte Horst Marquardt in Minden/Westfalen, wo er sich auch zur dortigen EmK-Gemeinde hielt und im Rahmen seiner Kräfte noch mitarbeitete. »Ihm gelang es, in seinen Predigten Menschen anzusprechen, die sonst nicht in den Gottesdienst kommen«, beschreibt die dortige EmK-Pastorin Nicole Bernardy, die Gabe Marquardts. Am gestrigen Montag verstarb Horst Marquardt im Alter von 91 Jahren. Er hinterlässt vier Kinder, zehn Enkel und drei Urenkel.

Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit


Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de. 

Zur Information
Aufgrund der aktuellen Situation findet die Trauerfeier für Horst Marquardt im kleinen Rahmen statt. Eine Gedenkfeier im medialen Rahmen findet zu einem späteren Zeitpunkt statt.