OJK-Tagung in Annaberg-Buchholz Von M. Putzke, S. Ringeis, K. U. Ruof  | 

Vertrauen: Eine Investition, die nicht schiefgehen kann

Zuhörer bei der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz während der Beratung des Kompromiss-Vorschlags des »Runden Tischs«. Im Vordergrund die Superintendenten Christhard Rüdiger (Distrikt Dresden; links) und Werner Philipp (Distrikt Zwickau).
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Die Ostdeutsche Jährliche Konferenz konnte als einzige Konferenztagung in Deutschland die Vorlagen des »Runden Tischs« diskutieren.
7 Minuten

Die Ostdeutsche Jährliche Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) tagte am zurückliegenden Wochenende vom 9. bis 11. Oktober im sächsischen Annaberg-Buchholz. Um unter Coronabedingungen zu beraten und zu entscheiden, hatten die 160 Konferenzmitglieder in der Festhalle der Erzgebirgsstadt genügend Platz. Die Viruspandemie war auch der Grund, weshalb die ursprünglich im Juni angesetzte Konferenztagung verkürzt und sowohl örtlich als auch zeitlich verlegt durchgeführt wurde.

Vertrauen statt Misstrauen ist gefragt

»Die Währung der Kirche ist Hoffnung und Vertrauen«, beschrieb Harald Rückert die »Funktionsweise« der Kirche. Im gut besuchten Abschluss- und Ordinationsgottesdienst der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz in der Annaberger St. Annenkirche beschrieb der für Deutschland zuständige Bischof der EmK dabei den Unterschied zwischen Kirche und Wirtschaft. In Letzterer müsse Kapital investiert und unbedingt Wachstum erzielt werden. Demgegenüber gehe es in der Kirche darum, »in Vertrauen und Hoffnung zu investieren«. Darum gehe es auch in der aktuellen Situation, in der sich Kirche und Gesellschaft befänden.

Bei sehr unterschiedlichen Meinungen und Einsichten komme es immer wieder darauf an, ineinander »Vertrauen zu investieren«. Gerade in der Kirche sei es nötig, einander den Glauben und die Liebe zu Christus abzunehmen. Es gehe, so der Bischof, darum, »immer ein bisschen mehr Vertrauen und Hoffnung in euer Gegenüber zu investieren als Vorsicht, Resignation oder gar Misstrauen«. Wo das gegenseitig praktiziert werde, sei das »eine Investition, die nicht schiefgehen kann«. Da könne man sich auch nicht verspekulieren, »weil es letztlich nur Gewinner gibt«.

Erfolgreiche »Initiative 50«

Neben den auf wesentliche Sach- und Personalentscheidungen reduzierten Sitzungsinhalten der verkürzten Tagung ragten einzelne Schwerpunktthemen heraus. Dazu gehörte auch die umfassende Darstellung der Finanzsituation der Ostdeutschen Konferenz.

Die erfreuliche Botschaft des erst seit einem Jahr im Amt befindlichen Schatzmeisters Jörg Ringeis: Die vor neun Jahren eingeführte »Initiative 50« hat zu erfreulichen Einnahmesteigerungen geführt. Der Gebedurchschnitt der Kirchenglieder im Konferenzgebiet ist in dieser Zeit von jährlich rund 400 Euro auf knapp 550 Euro gestiegen. Damit sind die Jahreseinnahmen innerhalb von neun Jahren von 3,6 Millionen Euro auf vier Millionen gestiegen. Erklärtes Ziel dieser »Initiative 50« war es, dass jedes Kirchenglied im Monat fünfzig Euro zum Haushalt der Gemeinde und Kirche beiträgt, im Jahr also 600 Euro. Die Steigerungen sind beachtlich, wobei das Ziel aufs Ganze gesehen noch nicht erreicht ist.

Christhard Rüdiger, Superintendent für den Distrikt Dresden, wies darauf hin, dass das durchschnittliche Gebeverhalten der Gemeinden stark voneinander abweiche. Ein Drittel der 51 Bezirke der Ostdeutschen Konferenz habe den als Ziel formulierten Durchschnitt von 600 Euro erreicht oder übertroffen. Die anderen Gemeindebezirke hätten die Einnahmen mehr oder weniger steigern können, blieben aber noch hinter dem ausgelobten Ziel zurück. Die Spannweite des auf das einzelne Kirchenglied umgerechneten Gebeverhaltens reiche von knapp unter 400 Euro pro Kirchenglied und Jahr bis zum Höchstwert von fast 900 Euro.

Nebeneffekt der Einnahmesteigerung ist der Schuldenabbau. Seit 2010 hat sich die Schuldenlast der Bezirke von 2,6 Millionen Euro auf 1,25 Millionen Euro mehr als halbiert. Die Rücklagen haben sich in diesem Zeitraum von 564.000 Euro auf 971.000 Euro erhöht. Auf Basis dieser ermutigenden Zahlen beschließt die Konferenz mit großer Mehrheit die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Dies führt dazu, dass die Beteiligung der Bezirke am Finanzhaushalt der Ostdeutschen Konferenz, »Konferenzanteile der Bezirke« genannt, in den Jahren 2020 bis 2022 gegenüber dem jeweiligen Vorjahr im Durchschnitt um jeweils 1,25 Prozent erhöht wird.

Es gibt kein Zurück in die Zeit vor Corona

Zweites großes Thema war der umfassende Erfahrungsaustausch zur Situation in den Gemeinden seit dem Beginn der Corona-Pandemie im März. Die zunächst ausgefallenen und erst nach und nach seit Mai wieder möglichen Gottesdienste mit Besucherpräsenz forderten alle Gemeinden stark heraus. Mit einem Mal seien neue Formate nötig geworden, wodurch sich die Arbeit in den Gemeinden stark verändert habe. Dazu zählten per Video und Internet übertragene Gottesdienste, aber auch die Herausforderung, wie Personen in den Gemeinden erreicht werden könnten, wenn diese nicht »in der digitalen Welt« zuhause seien.

Mehrfach betont wurde in der Diskussion, dass es »kein Zurück in die Zeit vor Corona« gebe. Außerdem müsse die Kirche sich Zeit dafür nehmen, zu erkennen wie die Corona-Pandemie die Gesellschaft und den Lebensalltag verändert habe. Eine vom Konferenzverwaltungsrat einzusetzende Arbeitsgruppe soll die Erfahrungen bündeln und Vorschläge unterbreiten, wie das durch die Corona-Pandemie veränderte Gemeindeleben in der kommenden Zeit weiterentwickelt werden kann. Dazu gehörte auch der Vorschlag von Stephan Ringeis, eine »Internetgemeinde« zu gründen. »Im Internet spielt sich ganz viel Leben ab«, resümierte er. Hier müsse überlegt werden, »was wir da tun können«.

»Ein Wunder« – die Beratungen am »Runden Tisch«

»Ein gemeinsamer Weg ist möglich«, war die ermutigende Aussage zum Auftakt der intensiven Beratung über den Kompromissvorschlag des »Runden Tischs«. Dieser war eingerichtet worden, um nach den Beschlüssen der Generalkonferenz vom Februar 2019 hinsichtlich der Ordination von homosexuell orientierten Menschen und der Trauung von homosexuellen Paaren, eine Lösung für den Bereich der Zentralkonferenz Deutschland der Evangelisch-methodistischen Kirche zu erarbeiten. Dabei sollte ein Weg gefunden werden, der in Deutschland die Möglichkeit eröffnet, trotz unterschiedlicher Meinungen in diesen Fragen zusammenbleiben zu können. Die Mitglieder der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz hatten als einzige Jährliche Konferenz in Deutschland die Chance, diesen Vorschlag zu diskutieren.

Am Runden Tisch habe eine »Begegnung auf Augenhöhe« stattgefunden, berichteten die aus der Ostdeutschen Konferenz am Runden Tisch Beteiligten. Gemeinsam sei dabei um einen Weg gerungen und schließlich ein Kompromiss gefunden worden. Wiederholt hätten sich bei den Beratungen Abgründe aufgetan, bei denen ein Abbruch der Beratungen wahrscheinlicher gewesen sei als die Bereitschaft zur Fortsetzung.

Es sei letztlich »ein Wunder gewesen«, dass der Runde Tisch das jetzt vorliegende Ergebnis einstimmig befürwortet habe, erklärte Christhard Rüdiger, der als Superintendent für die Ostdeutsche Konferenz mitwirkte. Möglich geworden sei das nur durch die Haltung, »einander – trotz unterschiedlicher Meinungen – nicht loslassen zu wollen«.

Niemand am Runden Tisch habe Interesse daran gehabt, dass jemand mit einer anderen Meinung aufstehe und den Runden Tisch verlasse, berichtet Stefan Kehr aus Aue. Das habe ihn sehr bewegt. Andreas Hertig erklärte, er habe es in den Gesprächen wohltuend erlebt, dass »wir uns darin geübt haben, die Meinung des anderen stehenzulassen und wertzuschätzen«. Für die Gespräche in den Gemeinden erhofft sich der im Bezirk Lauter im Erzgebirge wirkende Pastor, dass »wir miteinander Wege gehen können und uns gegenseitig den Glauben glauben«.

Lösung in zwei Teilen

Der am Runden Tisch erzielte Kompromiss besteht aus zwei Teilen. Zunächst sollen aus der Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche für das Gebiet der Zentralkonferenz Deutschland die wenigen Passagen außer Kraft gesetzt werden, in denen negative Aussagen zum Thema Homosexualität sowie das Verbot kirchlicher Handlungen formuliert sind. Die Ordnung solle in diesen strittigen Punkten neutral sein, erklärt Bischof Rückert die vorgeschlagenen Änderungen.

Der zweite Teil des Kompromisses ermöglicht die Bildung eines »Gemeinschaftsbunds«, dem sich Kirchenglieder mit konservativer Sichtweise in Fragen der Homosexualität anschließen und in dem sie ihre Position leben und kommunizieren können. Diesem »Gemeinschaftsbund« können sowohl einzelne Kirchenglieder als auch Gemeinden oder Bezirke beitreten. Die Ausgestaltung des Gemeinschaftsbunds orientiert sich an der Struktur der kirchlichen Werke – wie zum Beispiel das Bildungswerk oder das Kinder- und Jugendwerk. Damit ist der Bund wie die anderen Werke in die Arbeit der Kirche eingefügt und bei den Tagungen der Jährlichen Konferenzen in Deutschland vertreten.

Neben der Möglichkeit zur Bildung eines Gemeinschaftsbunds gehört zu diesem Teil des Kompromisses außerdem die Möglichkeit, dass sich Gemeinden und Jährliche Konferenzen der EmK in Deutschland für die Belange von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen stärker öffnen können.

Großes internationales Interesse am »deutschen Weg«

Die Beratungen und Vorschläge des Runden Tischs würden auch international aufmerksam verfolgt, erklärt Bischof Rückert. Wenn der jetzt vorliegende Kompromiss angenommen werde, könne die Zentralkonferenz Deutschland Teil der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche bleiben. Allerdings sei zum jetzigen Zeitpunkt offen, wie die Evangelisch-methodistische Kirche auf Weltebene sich in diesen Fragen bei der ins kommende Jahr verschobenen Generalkonferenz entscheiden werde. Auf Weltebene seien die Auseinandersetzungen in dieser Frage immer noch so heftig, dass die Wahrscheinlichkeit einer Trennung entlang dieser Bruchstellen zu sexualethischen Positionen weiterbestehe, so Rückert. In Deutschland, so ist die Hoffnung, scheint das Zusammenbleiben trotz unterschiedlicher Positionen möglich.

Freude, Gedenken und Danken

Im Rahmen der Jährlichen Konferenz gehören Personalentscheidungen und Veränderungen von Beauftragungen ebenfalls zu den zentralen Aufgaben. Zur Aufnahme in die Mitgliedschaft der Jährlichen Konferenz und zur Ordination wurden die Pastorinnen Marie-Theres Ringeis und Christine Meyer-Seifert empfohlen. Kathrin Posdzich wurde in den Status als Pastorin auf Probe aufgenommen. Als Lokalpastorin wurde Susann Kober bestätigt und als Lokalpastoren Pedro Freundel und Tobias Buschbeck.

Im Rahmen der Kurzkonferenz wurde auch der im zurückliegenden Konferenzjahr verstorbenen Pastoren und Pastorenwitwen gedacht: Siegfried Michalski, Werner Barth, Gerhard Solbrig, Max Nestler und Lothar Gerischer sowie Roswitha Wilhelm, Marianne Maneck, Christa Hawemann und Hildegard Ringeis. Dienstjubiläen feierten: 70 Jahre – Gunter Demmler, Gerhard Riedel, Dr. Karl Zehrer; 50 Jahre – Gottfried Fischer, Thomas Fritzsch, Christoph Georgi, Harald Hunger; 40 Jahre – Uta Ullmann, Jörg Herrmann; 25 Jahre – Klaus Leibe.

Die Autoren
Michael Putzke ist leitender Redakteur des zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazins »unterwegs«.
Stephan Ringeis ist Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunkarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche für die Ostdeutsche Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main.
Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Weiterführende Links
Weitere Berichte über die Tagung der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz  

Zur Information
Die Ostdeutsche Konferenz umfasst 114 Gemeinden in 50 Bezirken mit rund 11.995 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. www.emk-ojk.de