Gäste, keine Kunden! Von Michael Putzke  | 

Treffpunkt ohne Schwelle

Seit Anfang Dezember gibt es in Bremerhaven die »Gute Stube«.
Seit Anfang Dezember gibt es in Bremerhaven die »Gute Stube«. Von Donnerstag bis Sonntag bietet die dortige evangelisch-methodistische Gemeinde ein »Klön-, Spiel- und Buch-Café« an. Die Resonanz ist gut.
Bildnachweis: EmK Bremerhaven
Wer kein Geld hat, vereinsamt im Winter schnell. Wo soll man hin, wenn es draußen kalt ist? In Bremerhaven gibt es deshalb die »Gute Stube«.
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In Bremerhaven hat die Krise die Not der Menschen noch verstärkt, berichtet Christhard Elle. Er ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), und er bietet in den Wintermonaten mit seiner Gemeinde in Bremerhaven die »Gute Stube« an. So heißt das »Klön-, Spiel- und Buch-Café« der Friedenskirche. Es ist absichtlich nicht in der Kirche. »Wir wollten etwas anderes: einen echten Treffpunkt ohne Schwellenangst an der Kirchentür«, erzählt Elle. Deswegen wurde ein Ladenlokal in der Fußgängerzone angemietet – direkt an einer wichtigen Bushaltestelle.

»Gott möge sie segnen«

Seit Anfang Dezember letzten Jahres öffnet die »Gute Stube« von Donnerstag bis Samstag von nachmittags um vier bis abends um neun Uhr und Sonntagnachmittag von zwei bis vier Uhr. Das Angebot wird gerne von dreißig bis fünfzig Gästen am Tag angenommen: Wohnungslose, Einsame, Menschen, die diesen Treffpunkt lieben. Einige verabreden sich mit Freunden oder haben durch die »Gute Stube« Anschluss gefunden. »Ich bin überwältigt, wie nett und freundlich die Gäste sind«, berichtet Martin Gnadt. Viele öffneten sich und erzählten aus ihrem Leben. »Das ist eine echte Bereicherung«, findet der 55-Jährige. Für Thurit Büntjen (52) war es ein »besonderer Moment, als ich einem Obdachlosen einen Kaffee servierte und er zu mir sagte: ›Gott möge sie segnen‹«.

Eine wunderbare Einrichtung

Jeder Tag hat einen Schwerpunkt. Donnerstags gibt es Musik, freitags ist Programm für Kinder, samstags wird gespielt und am Sonntag gibt es Torte. Letztlich ist die »Gute Stube« ein Wohnzimmer, egal, was dransteht. Angeboten werden Kaffeespezialitäten aller Art, Tee, Wasser und jeden Tag selbstgebackener Kuchen. Damit kein schlechtes Gewissen aufkommt, gibt es keine Spendendosen. »Wir freuen uns auf Gäste, nicht auf Kunden. Und Gäste lädt man ein«, sagt Elle.

Ein Team von 25 Personen macht die »Gute Stube« möglich. Die meisten haben eine regelmäßige Schicht übernommen oder springen ein, wenn sie gebraucht werden. Wer mitarbeitet, bekommt viel zurück. Katrin Aretz bewegt es, wie man mit »einfachen Worten Menschen unendlich glücklich machen kann, weil die ganze Woche noch niemand mit ihnen gesprochen hat«, erzählt die 52-Jährige. Andere kümmern sich um Organisation, Technik oder Werbung.

Zur Friedenskirche in Bremerhaven gehören siebzig Kirchenglieder. So sind viele Mitarbeitende in das Projekt involviert. Die Grenze zwischen ihnen und den Gästen verschwimmt. Viele in der Gemeinde leben an der Armutsgrenze und freuen sich, auch für sich selbst die »Gute Stube« zu haben. Das Projekt leitet Ada Zehe. Für die 66-Jährige ist die »Gute Stube« eine »wunderbare Einrichtung«. Viele kommen, um sich zu unterhalten und aufzuwärmen. Manche benötigen auch echte Lebenshilfe. Denn viele Gäste stecken in schwierigen Lebenssituationen. »Manchmal hilft einfach ein Gespräch«, um das Gefühl zu vermitteln, »du bist nicht allein«, so Zehe.

Gott lässt sich von leeren Kassen nicht hindern

Beinahe hätte die »Gute Stube« nicht öffnen können. Nur zehn Tage vor der Eröffnung kam die Finanzierung für Miete, Anschaffungen und Werbung in Höhe von siebentausend Euro ins Rutschen. Die Finanzkrise hatte die Gemeinde mit Wucht getroffen. Gewagt haben die Bremerhavener es trotzdem. Am Eröffnungstag waren 6500 Euro eingegangen oder zugesagt. »Wenn Gott etwas will, dann lässt er sich auch von leeren Gemeindekassen nicht hindern«, sagt Christhard Elle. »Dies stimmt uns zutiefst dankbar.«

 

Weiterführende Links

Friedenskirche Bremerhaven 
Dieser Artikel ist dem zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazin »unterwegs« der Evangelisch-methodistischen Kirche – Nummer 04/2023 vom 12. Februar 2023 – entnommen.

Der Autor

Michael Putzke ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und leitet die Redaktion des zweiwöchentlich erscheinenden Kirchenmagazins »unterwegs«. Kontakt: redaktion(at)emk.de