DDR-Erfolgsgeschichte geht zu Ende Von Stephan Ringeis  | 

Immer auch das Unmögliche träumen

Während fast vierzig Jahren beherbergte das zuletzt »Herberge am Klosterwald« genannte Haus mehr als 120.000 Gäste.
Während fast vierzig Jahren beherbergte das zuletzt »Herberge am Klosterwald« genannte Haus mehr als 120.000 Gäste.
Bildnachweis: York Schön
Die erfolgreiche Begegnungsstätte »Herberge am Klosterwald« verpasst ihr 40-jähriges Jubiläum. Der Beherbergungsbetrieb kann nicht fortgesetzt werden.
3 Minuten

Zur Tagung der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) wurde es amtlich: Die schon seit der ersten Pandemiewelle geschlossene »Herberge am Klosterwald« im thüringischen Bad Klosterlausnitz bleibt geschlossen. Der Betrieb kann nicht wieder aufgenommen werden. Damit geht eine eindrucksvolle Geschichte zu Ende, die in schwierigen DDR-Zeiten begann.

Ein Haus für Kinder, das so nicht heißen darf

Bereits 1974 gab es erste Überlegungen ein »Haus für Kinder« ins Leben zu rufen. Die Idee selbst ging auf Herbert Uhlmann, Pastor der EmK und damaliger Leiter des Kinderwerks der EmK in der DDR, zurück. Gegen alle Widerstände, die auch mitten in der Kirche hörbar waren, trieb er das Projekt »Katechetisches Zentrum« voran. Gerhard Förster, ebenfalls EmK-Pastor und Uhlmanns Nachfolger, führte das Projekt weiter. So bekam die kritisch begleitete »Spinnerei« Hand und Fuß. Der etwas eigenartige Name war der Tatsache geschuldet, dass ein »Haus für Kinder« von den DDR-Behörden kaum geduldet worden wäre. Nicht zuletzt deshalb waren bis zur Einweihung eigenartige, aber sehr kluge Schritte nötig.

Mit Schlitzohrigkeit zum Erfolg

Auf dem Grundstück des damaligen Theologischen Seminars fanden sich drei Baubaracken. Sie dienten einst Bauarbeitern am Autobahndreieck Hermsdorfer Kreuz. Das Theologische Seminar sprang als Bauherr ein und stellte auch den Bauantrag, diese Baracken um- und auszubauen. Nach langem Behörden-Hin-und-Her wurde der Antrag genehmigt. Dass am Ende die Baracken gänzlich verschwunden waren und ein neues Haus entstanden war, war ein Wunder, das auch der Schlitzohrigkeit der Verantwortlichen zu verdanken war.

Ein Bischof als Namensgeber

Dem Spatenstich im Jahr 1977 folgte eine dreijährige Bauzeit mit unzähligen Stunden an Eigenleistung. Die Bausumme betrug am Ende 260.000 DDR-Mark, zu der weit über die Hälfte von Kindern und ihren Eltern durch eine Sammlung mit Sparhäuschen in Gestalt des neuen Hauses aufgebracht wurde. Kollekten, persönliche Spenden, Privatdarlehen und Zuschüsse der Konferenz füllten den Betrag auf. Unter dem Motto des damals noch recht jungen Liedes »Gott baut ein Haus, das lebt« wurde am 10. Mai 1980 Einweihung gefeiert.

Unzähliger Kinder- und Familienfreizeiten sowie Treffen verschiedenster Gemeindekreise fanden im »Katechetischen Zentrum John L. Nuelsen« ihr neues Zuhause. Der Namensgeber war von 1912 bis 1940 Bischof der Bischöflichen Methodistenkirche und der späteren Methodistenkirche  mit Zuständigkeit für Mitteleuropa und hatte nach dem 1. Weltkrieg die »Kinderhilfe der Methodisten« ins Leben gerufen. Im Haus standen dreißig Betten für Kinder und zwei Betten für die Leitung zur Verfügung. Die Verpflegung konnte über die Küche des nahegelegenen Theologischen Seminars bezogen werden. Weil das Haus barrierefrei  gebaut war, konnten auch erste Freizeiten für Menschen mit Behinderungen stattfinden.

Neustart als »Herberge am Klosterwald«

Nach der Wiedervereinigung wurde das Haus für fast zwei Jahre an die neu entstandene Fachklinik Klosterwald vermietet, die dringend Therapie- und Patientenzimmer benötigte. Als »Herberge am Klosterwald« gelang danach der Neustart und über die Jahre auch eine angemessene Werterhaltung. Die Herberge lebte in Nachbarschaft zur neugebauten »Kirche am Klosterwald« sowie zur Fachklinik. Das brachte viele Begegnungen und auch Synergieeffekte mit sich. Mit der ersten Welle der Pandemie wurde die Herberge im Frühjahr vergangenen Jahres geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt standen eigentlich die Jubiläumsfeierlichkeiten zum vierzigjährigen Bestehen an, die pandemiebedingt ausfielen. Während der Pandemie konnten die Räume der Herberge für die Klinik als Schleuse für Neuaufnahmen genutzt werden.

Stilles Ende einer Erfolgsgeschichte

Der bereits 2013 zwischen der Fachklinik und der Ostdeutschen Konferenz geschlossene Betreibervertrag wurde von der Fachklinik in der Zeit der pandemiebedingten Schließung gekündigt. Die Verantwortlichen der Ostdeutschen Konferenz sahen jedoch keine Möglichkeit, das Haus in Eigenregie weiterzuführen. Damit endet in diesem Jahr fast ein wenig still eine Erfolgsgeschichte der EmK. Grob überschlagen konnte die Herberge rund 120.000 Übernachtungen zählen. Sie war vor allem in den 1980er-Jahren ein wichtiger Impuls für die Arbeit mit Kindern der EmK in der DDR. Auch jetzt noch ruft sie in Erinnerung, dass Kirche nicht nur das Mögliche denken, sondern immer wieder auch das Unmögliche träumen muss. 

Der Autor

Stephan Ringeis ist Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunkarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche für die Ostdeutsche Konferenz. Darüber hinaus begleitet er Gemeinden als Pastor im Interimsdienst. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit.ojk(at)emk.de.

Weiterführende Links

Herberge am Klosterwald
Fachklinik Klosterwald