Verfahren wegen Kirchenasyl Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Amtsgericht verurteilt Pastor Stefan Schörk

Pastor Stefan Schörk unterstreicht sein mit gerichtlicher Verwarnung geahndetes Handeln mit den Worten: »Ich möchte nochmals eindringlich verdeutlichen, dass es mir zu jeder Zeit um eine christliche Pflicht zur Nächstenliebe ging.«
Pastor Stefan Schörk unterstreicht sein mit gerichtlicher Verwarnung geahndetes Handeln mit den Worten: »Ich möchte nochmals eindringlich verdeutlichen, dass es mir zu jeder Zeit um eine christliche Pflicht zur Nächstenliebe ging.«
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Wegen »Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt« durch ein gewährtes Kirchenasyl spricht das Amtsgericht Bayreuth eine Verwarnung von 1.500 Euro aus.
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Stefan Schörk, Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), erhielt vom Amtsgericht Bayreuth eine Verwarnung in Höhe von 1.500 Euro. Die damit verbundene Verurteilung ist für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Grund für das jetzt beendete Verfahren war ein Ende Juli 2021 von der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde in Bayreuth übernommenes und weitergeführtes Kirchenasyl für zwei Personen.

»Pragmatische Lösung«

Das jetzt vom Amtsgericht Bayreuth mit einem Urteil abgeschlossene Verfahren zieht einen »pragmatischen« Schlussstrich unter eine längere Geschichte, wie Schörk selbst sagt. Im Vorfeld zur letzten Verhandlung am Montag dieser Woche schrieb der jetzt in Wangen im Allgäu für eine EmK-Gemeinde zuständige Pastor: »Der Abstand, meine neue Gemeinde in Wangen und alle sonstigen Herausforderungen des Lebens haben mich dieser eher pragmatischen Lösung zustimmen lassen.«

Formaljuristische Fallstricke

Bis Februar letzten Jahres war Schörk nordöstlich von Nürnberg als Pastor für zwei evangelisch-methodistische Gemeinden in Pegnitz und Bayreuth zuständig. In dieser Zeit hatte der 49-Jährige mit seinen Gemeinden zusammen verschiedentlich Kirchenasyl gewährt. Im Sommer 2021 stimmten die beiden Gemeinden der Übernahme eines Kirchenasyls von der evangelisch-reformierten Kirche in Bayreuth zu. Während der Sommerferien habe es dort keine Möglichkeit mehr gegeben, das Kirchenasyl für zwei syrische Geflüchtete zu Ende zu führen. Schörk hatte angenommen, dass sich die Übernahme eines von einer anderen Gemeinde bereits gewährten Kirchenasyls nicht unterscheiden würde von den zuvor in seiner Gemeinde bereits durchgeführten Kirchenasyl-Fällen. Dem war nicht so, wie Schörks Anwalt, Michael Brenner, erklärt.

Formaljuristisch sei es ein Unterschied, das Kirchenasyl zweier Geflüchteter, die bereits nach Prüfung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Ablehnung erhalten hatten, an einem anderen Ort weiterzuführen. Damit seien die Absprachen zwischen Kirche und BAMF in Sachen Kirchenasyl nicht eingehalten worden, weil damit ein bereits laufendes und abgelehntes Härtefalldossier bei der Gewährung des weiteren Kirchenasyls unberücksichtigt blieb. Im Vordergrund hätten humanitäre Gesichtspunkte und ökumenische Amtshilfe gestanden. Der sonst übliche Freispruch für Geistliche, wenn sie sich an die aktuelle Rechtsprechung hielten, sei auf diese Weise verwirkt worden.

Richterin halbiert Forderung der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Verhandlung darauf verwiesen, dass beim Ortswechsel der beiden im Kirchenasyl befindlichen Personen festgestanden habe, dass ein weiteres Verweilen im Kirchenasyl von den Behörden nicht akzeptiert werde. Ohne Einreichung eines neuen Antrags auf Härtefallprüfung habe sich der Angeklagte schuldig gemacht, »Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt« geleistet zu haben.

Schörks Verteidiger, der seinen Mandanten wegen dessen dienstlicher Abwesenheit alleine vertrat, räumte in der Verhandlung den Sachverhalt ein und betonte, dass sein Mandant aus christlicher Überzeugung geholfen habe. Er stimmte einer Verwarnung zu und stellte die Höhe ins Ermessen des Gerichts. Die Richterin Christiane Breunig sprach eine Verwarnung von 15 Tagessätzen zu 100 Euro mit zwei Jahren Bewährung aus. Die Staatsanwaltschaft hatte das Doppelte gefordert. Als Bewährungsauflage muss Schörk 1.500 Euro an den in Bayreuth ansässigen »Verein Fähre« zur Förderung der Bewährungshilfe zahlen.

Zwei verschiedene Verfahren

Für mit dem jetzigen Verfahren nicht befasste Beobachter mag Schörks Verurteilung Fragen aufwerfen, weil er im November 2021 in einem anderen Verfahren schon einmal schuldig gesprochen worden war. Die damalige Verurteilung erfolgte, weil er einem jungen Iraner in den Kirchenräumen seiner Gemeinde in Pegnitz Kirchenasyl gewährt hatte. Die eingereichte Berufung und eigentlich aussichtsreiche Berufungsverhandlung war im vergangenen Jahr überraschend eingestellt worden zugunsten der Ermittlungen im jetzt abgeschlossenen Fall, bei dem formaljuristisch eine Verurteilung zu erwarten war.

Schörk: »Christliche Pflicht zur Nächstenliebe«

»Ich möchte nochmals eindringlich verdeutlichen, dass es mir zu jeder Zeit um eine christliche Pflicht zur Nächstenliebe ging«, unterstrich Schörk sein Handeln, das sich »in besonderen Fällen auch darin zeigt, Kirchenasyl zu gewähren und einer anderen Kirchengemeinde dort unter die Arme zu greifen, wo die Situation es erfordert«.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Zum Begriff Kirchenasyl
Die Praxis des heute sogenannten »Kirchenasyls« hat eine lange Tradition. Die Ursprünge liegen in besonderen Schutzvereinbarungen, die Menschen in außergewöhnlichen Notsituationen an heiligen Orten wie Tempeln, Altären oder rituellen Stätten gewährt wurden. Dort waren sie vor Nachstellungen ihrer Verfolger sicher. Ein Bruch des Schutzrechts galt als gesetzwidrig und wurde mit religiösen oder auch weltlichen Strafen geahndet. Auch im Alten Testament finden sich Erzählungen und Hinweise, hinter denen diese besondere Schutzpraxis vermutet wird.

In der Entwicklung zu einem kirchlich geprägten und gewährten Asyl war vermutlich die im antiken Griechenland praktizierte Hikesie bedeutsam. Schutzsuchende Menschen, Hiketiden, flohen unabhängig von ihrer Schuld zu Tempeln, Götterbildern, Altären oder Feuerstellen, um dort, mindestens vorübergehend, sicher zu sein. Die Praxis zielte auf eine gütliche Einigung der streitenden Parteien. Konnte diese nicht erzielt werden, musste der Staat, auf dessen Gebiet das Heiligtum lag, eine letztgültige Entscheidung treffen. Die Verbindung der Hikesie mit heiligen Orten prägte die Entscheidungsfindung als heilige Angelegenheit. Mit der Christianisierung und vor allem mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin (393 n. Chr.) fand die Hikesie als kirchlich gewährtes Asylrecht auf unterschiedliche Weise Eingang in die Praxis der Kirche.

Der heute verwendete Begriff »Kirchenasyl« und die damit verbundene Praxis, Menschen in kirchlichen Gebäuden Schutz trotz und gegen staatlich bereits getroffene Entscheidungen zu gewähren, geht in der Bundesrepublik Deutschland in die 1970er-Jahre zurück. Die damals weltweit zunehmenden Flüchtlingszahlen führten auch in der Bundesrepublik zu steigenden Asylbewerberzahlen. Darauffolgende Entscheidungen des Gesetzgebers führten zu gesellschaftspolitischer Kritik und zum Vorwurf der faktischen Abschaffung des bis dahin in der Bundesrepublik geltenden Grundrechts auf Asyl. Seitens der Kirchen führte das zu ersten in Kirchengebäuden gewährten Fällen sogenannten Kirchenasyls. Der Begriff ist nicht rechtsrelevant und auch kein rechtswirksames Mittel.

Im Allgemeinen bedeutet Kirchenasyl heute die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen durch eine Kirchengemeinde, wenn die Abwendung einer extremen Gefahr für die von Abschiebung betroffene Person durch Kirchenasyl als letztmögliches Mittel nötig erscheint. Damit soll grundsätzlich die Wiederaufnahme oder erneute Überprüfung des asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahrens erwirkt oder die Zusicherung einer (erneuten) Härtefallprüfung durch dafür zuständige staatliche Behörden erreicht werden.