»Wir hoffen auf eine verständnisvolle Richterin«
Im Januar dieses Jahres gewährte Stefan Schörk in seiner Kirchengemeinde einem jungen Mann aus dem Iran Kirchenasyl. Wie in solchen Fällen üblich, seien die zuständigen staatlichen, kirchlichen und weitere Stellen über das gewährte Kirchenasyl informiert worden. Der in Oberfranken für die Gemeinden in Pegnitz und Bayreuth zuständige Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) hat schon rund dreißig solcher Kirchenasyle begleitet und hält sich, wie er beteuert, »selbstverständlich an die üblichen Verfahrensregeln«. Nach einer schriftlichen Anhörung hatte es im vorliegenden Fall keine weitergehende Ahndung durch die Behörden gegeben. Jetzt allerdings liegt Schörk ein Strafbefehl über dreitausend Euro vor. Am kommenden Montagvormittag, dem 8. November, findet die Verhandlung beim Amtsgericht Bayreuth statt.
Unterstützung durch evangelischen Pfarrkollegen
Das dem jungen Mann gewährte Kirchenasyl »war dringend geboten, weil behördliches Versagen vorlag«, erklärte Schörk schon in einem Fernsehbeitrag der BR-Rundschau am 30. Januar dieses Jahres. Zehn Tage zuvor hatte er dem jungen Mann im Kirchengebäude seiner Gemeinde in Pegnitz, rund sechzig Kilometer nordöstlich von Nürnberg, Kirchenasyl gewährt. Der bestens integrierte und schon fast fließend Deutsch sprechende Mann sollte »mitten in der Corona-Zeit von Mutter und Schwester getrennt werden und nach Griechenland abgeschoben werden«. Deshalb sah sich Schörk zum Handeln aufgefordert.
Längst ist das Kirchenasyl beendet. Kürzlich aber erhielt der über Pegnitz hinaus bekannte Pastor Post mit einer Vorladung ins Amtsgericht Bayreuth. »Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt« wird Schörk darin vorgeworfen. Der Vorwurf, Menschen illegal Aufenthalt zu gewähren, wiegt schwer. Und das, obwohl vom Bundesverwaltungsgericht »längst« entschieden ist, »dass Kirchenasyl kein Flüchtigsein begründet«, wie Stephan Reichel die aktuelle Rechtslage erklärt. Der evangelische Pfarrer unterstützt als ausgewiesener Kenner der Kirchenasyl-Thematik den jetzt angeklagten evangelisch-methodistischen Pfarrkollegen.
Urteil mit möglicherweise weitreichenden Folgen
Bis 2017 war Reichel Kirchenasyl-Koordinator der bayerischen Landeskirche und ist jetzt als Vorsitzender des Vereins »matteo – Kirche und Asyl« in ganz Bayern unterwegs, um Gemeinden in ihren Kontakten mit von Abschiebung bedrohten Menschen zu helfen. Kirchenasyle wie das in Pegnitz würden ordnungsgemäß gemeldet und von allen deutschen Innenministern respektiert und geduldet, erklärt Reichel in einem Schreiben an die Presse anlässlich der aktuellen Anklage des EmK-Pastors. Dazu gebe es auch eine »Absprache zwischen den Kirchen und dem ›Bamf‹«, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umgangssprachlich häufig bezeichnet wird.
Aktuell gebe es drei anhängige Verfahren in ähnlicher Sache vor Gerichten in Bayern, sagt Schörk, der in dieser Thematik weit vernetzt ist. Es gehe dabei um die Grundsatzfrage »ob die Freiheit zum Handeln aufgrund der eigenen christlichen Überzeugung mehr Gewicht hat als das Gesetz, gegen das ich verstoße«. Deshalb habe ein möglicherweise erfolgendes Urteil eine weitreichende Dimension. Der in einem ähnlich gelagerten Verfahren bereits erfolgte Freispruch einer katholischen Ordensschwester werde derzeit aufgrund staatsanwaltlichen Einspruchs in höherer Instanz überprüft. Aus diesem Grund habe sein Anwalt damit gerechnet, dass das gegen ihn gerichtete Verfahren bis zur höherinstanzlichen Klärung ebenfalls aufgeschoben werde. »Aber es sieht so aus, dass die Staatsanwaltschaft ›das‹ jetzt durchziehen will«, interpretiert der seit fast fünfzehn Jahren in Oberfranken wirkende Pastor die aktuelle Lage.
Zunehmende Kriminalisierung durch den Staat
Das Vorgehen des Staates, das zeige auch diese Vorladung, werde vehementer. »Der Staat will uns kriminalisieren, obwohl es um Hilfe in Ausnahmesituationen, in absoluten Notsituationen geht«, erzählt Schörk weiter. »Da bin ich innerlich von meinem Gewissen geleitet und kann in meiner Verantwortung gar nicht anders handeln.« Diese Glaubensüberzeugung trete aber in Konflikt mit dem Bestreben der Politik, die diese Haltung zum Schutz von Menschen kriminalisiere. »Und diese Kriminalisierungstendenz nimmt zu«, ist Schörk empört.
Vor der kurzfristig anberaumten Verhandlung am Montag »bin ich schon aufgeregt«, erklärt der 47-Jährige. Aber er wisse seine Gemeinde und auch die kirchlichen Verantwortlichen bis zum Bischof und dem Superintendenten hinter sich. »Um mich bin ich nicht besorgt«, sagt Schörk mit Blick auf den Gerichtstermin. »Was mich besorgt, ist die Signalwirkung, die ein eventuelles Urteil haben wird«, beschreibt er die besonders für die Kirchenasyle in Bayern bedeutsame Verhandlung. Viele der handelnden Personen und Gemeinden, die zur Gewährung von Kirchenasyl bereit sind, würden das Verfahren sehr aufmerksam verfolgen.
Druck und Zuversicht
»Deshalb empfinde ich schon einen gewissen Druck«, gibt der Pegnitzer Pastor seine Gefühle preis. Ihm helfe, dass »ich weiß, dass mich viele im Gebet mittragen und unterstützen«. Darauf liege »eine große Kraft«. Sein Wegbegleiter Stephan Reichel gibt sich zuversichtlich: »Wir hoffen auf eine verständnisvolle Richterin, die analog früherer Urteile Herrn Pfarrer Schörk freispricht.«
[12.11.2021, 15:41 Uhr] Änderungshinweis:
Der vorstehende Artikel wurde geändert: In einer früheren Version war im Vorspann von »Beihilfe zum ›illegalen‹ Aufenthalt«. Der Wortlaut in der Vorladung lautet jedoch »Beihilfe zum ›unerlaubten‹ Aufenthalt«. Wir haben den Wortlaut dahingehend geändert und bitten den Fehler zu entschuldigen.
Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.
Weiterführende Links
Internetauftritt der EmK-Gemeinde Pegnitz
BR-Rundschau-Beitrag vom 30.1.2021 zum Kirchenasyl in der EmK-Gemeinde Pegnitz (Video, 2 Min)
Verein »matteo – Kirche und Asyl«