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Name des Begriffes: Kirchenasyl
Beschreibungen des Begriffes:

Die Praxis des heute sogenannten »Kirchenasyls« hat eine lange Tradition.

Die Ursprünge liegen in besonderen Schutzvereinbarungen, die Menschen in außergewöhnlichen Notsituationen an heiligen Orten wie Tempeln, Altären oder rituellen Stätten gewährt wurden. Dort waren sie vor Nachstellungen ihrer Verfolger sicher. Ein Bruch des Schutzrechts galt als gesetzwidrig und wurde mit religiösen oder auch weltlichen Strafen geahndet. Auch im Alten Testament finden sich Erzählungen und Hinweise, hinter denen diese besondere Schutzpraxis vermutet wird.

In der Entwicklung zu einem kirchlich geprägten und gewährten Asyl war vermutlich die im antiken Griechenland praktizierte Hikesie bedeutsam. Schutzsuchende Menschen, Hiketiden, flohen unabhängig von ihrer Schuld zu Tempeln, Götterbildern, Altären oder Feuerstellen, um dort, mindestens vorübergehend, sicher zu sein. Die Praxis zielte auf eine gütliche Einigung der streitenden Parteien. Konnte diese nicht erzielt werden, musste der Staat, auf dessen Gebiet das Heiligtum lag, eine letztgültige Entscheidung treffen. Die Verbindung der Hikesie mit heiligen Orten prägte die Entscheidungsfindung als heilige Angelegenheit. Mit der Christianisierung und vor allem mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin (393 n. Chr.) fand die Hikesie als kirchlich gewährtes Asylrecht auf unterschiedliche Weise Eingang in die Praxis der Kirche.

Der heute verwendete Begriff »Kirchenasyl« und die damit verbundene Praxis, Menschen in kirchlichen Gebäuden Schutz trotz und gegen staatlich bereits getroffene Entscheidungen zu gewähren, geht in der Bundesrepublik Deutschland in die 1970er-Jahre zurück. Die damals weltweit zunehmenden Flüchtlingszahlen führten auch in der Bundesrepublik zu steigenden Asylbewerberzahlen. Darauffolgende Entscheidungen des Gesetzgebers führten zu gesellschaftspolitischer Kritik und zum Vorwurf der faktischen Abschaffung des bis dahin in der Bundesrepublik geltenden Grundrechts auf Asyl. Seitens der Kirchen führte das zu ersten in Kirchengebäuden gewährten Fällen sogenannten Kirchenasyls. Der Begriff ist nicht rechtsrelevant und auch kein rechtswirksames Mittel.

Im Allgemeinen bedeutet Kirchenasyl heute die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen durch eine Kirchengemeinde, wenn die Abwendung einer extremen Gefahr für die von Abschiebung betroffene Person durch Kirchenasyl als letztmögliches Mittel nötig erscheint. Damit soll grundsätzlich die Wiederaufnahme oder erneute Überprüfung des asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahrens erwirkt oder die Zusicherung einer (erneuten) Härtefallprüfung durch dafür zuständige staatliche Behörden erreicht werden.

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