Erntedankfest Von Michael Putzke (kur)  | 

»Ich habe etwas für die Welt getan, für die Menschen«

Landwirt mit Leib und Seele: Der zur EmK in Neuschoo gehörende Günter Lüken spürt, ob es den Tieren gut geht oder nicht.
Landwirt mit Leib und Seele: Der zur EmK in Neuschoo gehörende Günter Lüken spürt, ob es den Tieren gut geht oder nicht.
Bildnachweis: Michael Putzke
Wenn das Erntedankfest gefeiert wird, ist das eine Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, woher die Lebensmittel kommen. Ein Landwirt erzählt.
4 Minuten

»Für mich ist jeden Tag Erntedank«, sagt Günter Lüken. Er betreibt eine Landwirtschaft im ostfriesischen Utarp, auf halber Strecke zwischen Emden und Wilhelmshaven und nur zwölf Kilometer von der Nordsee entfernt. Mit Leib und Seele ist er Landwirt: »Wir leben für unsere Tiere und den Betrieb.« Auf die Frage, warum er denn gerne Landwirt sei, antwortet er: In diesem Beruf schaffe er etwas, er produziere Lebensmittel. Am Ende des Tages könne er sagen: »Ich habe etwas für die Welt getan, für andere Menschen.« Das fühle sich einfach gut an.

Wenn in den Gemeinden jetzt das Erntedankfest gefeiert wird, sei dies eine Gelegenheit, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass Lebensmittel nicht selbstverständlich sind. Alle gehen einkaufen und setzen voraus, dass die Regale gefüllt sind und die Lebensmittel möglichst günstig. Die Lebensmittel habe aber »nicht der Supermarkt produziert«, sondern »es beginnt in der Landwirtschaft«. Am Erntedankfest komme wieder in den Blick, dass Lebensmittel nicht selbstverständlich sind, hebt der Landwirt hervor.

»Jetzt erst recht!«

Im Jahr 1992 hat Günter Lüken den Betrieb von seinem Vater übernommen. Dieser ging damals in den Ruhestand, aber blieb noch mit dem Betrieb verbunden. Vater und Sohn haben lange zusammengearbeitet. »Ich wollte als Junglandwirt vieles ausprobieren«, sagt der heute 51-Jährige rückblickend. Der Vater habe dabei immer fortschrittlich gedacht und sei offen für die Zukunft gewesen.

»Wir haben den Betrieb gemeinsam geführt. Er hat immer mehr abgegeben, ich habe immer mehr übernommen«, erinnert sich Lüken. Dass der Hof heute noch besteht, war allerdings kein Selbstläufer. Ein Berater habe damals vorgeschlagen, den Betrieb zu schließen. Mit nur 23 Kühen sei er einfach zu klein. Damals gab es im Ort noch etwa 25 Höfe; heute sind es nur noch drei. Diese drei haben die Flächen der anderen übernommen, so Lüken.

So kann man in Utarp beispielhaft sehen, wie sich die Landwirtschaft verändert hat. Im Jahr 1960 gab es auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland noch anderthalb Millionen Höfe. Bis zum Jahr 2021 ist die Zahl der Bauernhöfe auf rund 240.000 im gesamten Bundesgebiet gesunken, berichtet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die Betriebe sind heute mit rund siebzig Hektar im Durchschnitt deutlich größer als vor sechzig Jahren; damals waren es nur knapp neun Hektar.

Der Milchviehbetrieb von Günter Lüken ist bis heute deutlich gewachsen. Die negative Prognose des Beraters war für Günter Lüken und seinen Vater ein Ansporn: »Jetzt erst recht!« Am Ortsrand von Utarp haben sie einen neuen Stall gebaut: Zunächst für 47 Kühe, ein Jahr später haben sie nochmal erweitert auf sechzig, dann achtzig Kühe. Heute hat der Betrieb 180 Kühe, die im Jahr anderthalb Millionen Liter Milch produzieren. Der Betrieb hat dreißig Hektar eigenes Land, rund 120 hat Günter Lüken zugepachtet. Um die Arbeit zu schaffen, wurden zwei Vollzeitkräfte angestellt. So kann er am Sonntag in den Gottesdienst und im Sommer in den Urlaub fahren.

Internet im Kuhstall

Die moderne Landwirtschaft setzt auf Technik und Züchtung. Die schwarz-weiß gescheckten Milchkühe seien »Hochleistungssportler«, erklärt der Landwirt. Jede Kuh trage einen sogenannten »Tracker«. »Wir brauchen Internet an jedem Kuhschwanz«, sagt Lüken und lacht. Wenn die Kühe nach dem Melken auf die Weide gehen, kann der Landwirt später genau erfassen, welche Strecke jede einzelne Kuh gelaufen ist. Neben dem Weidegras ist die Fütterung mit Silage und Kraftfutter entscheidend.

Heute sei es möglich, durch gezielte Fütterung optimale Erträge zu erwirtschaften. Das mache die Arbeit in der Landwirtschaft auch spannend. Sein Vater habe sich noch Notizen mit der Hand gemacht. Heute könne er als Landwirt die Daten mit dem Computer auswerten. Entsprechend kann er reagieren und zum Beispiel die Fütterung des Milchviehs mit Kraftfutter anpassen, wenn das nötig sei.

Es bleibt aber notwendig, ein Gefühl für die Tiere zu haben. »Wenn eine Kuh beim Melken als letzte reinkommt, obwohl sie sonst unter den ersten ist – da sehe ich gleich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das spüre ich.« Wenn er in den Stall gehe, merkt er, welchem Tier es gut gehe, welchem nicht. »Da hat man einen Blick für«, sagt Lüken.

»Im Augenblick verdienen wir nichts an der Milch«

Die Milch liefert er an eine Molkerei ins fünfzehn Kilometer entfernte Aurich. Daraus wird zu neunzig Prozent Käse hergestellt. Weil aber der Milchpreis schwankt, ändern sich ständig die Einnahmen. »Im Augenblick verdienen wir nichts an der Milch«, erklärt Lüken. Zwar bekomme er zurzeit 38 Cent für den Liter Milch – was vor einigen Jahren gut gewesen wäre. Allerdings sind die anderen Kosten stark angestiegen.

Durch den Krieg in der Ukraine war der Milchpreis im Laufe des Jahres 2022 sogar auf sechzig Cent gestiegen, um in diesem Jahr wieder zu sinken. Die Preise orientierten sich eben am Markt. Dennoch bleibt Günter Lüken überzeugt: Ostfriesland sei ein Gunststandort für die Milchproduktion. Das Weideland sei gut. »Die dreißig Zentimeter Humus bedeuten die Welt«, schwärmt Lüken. Die Winter sind milde und die Niederschläge ausreichend. Hier könne man günstig Milch produzieren.

Vorschläge von Naturschützern, die Milch- und Fleischproduktion einzuschränken und nur noch pflanzliche Nahrung anzubauen, hält Lüken nicht für realistisch. Er verweist auf die Realitäten vor Ort. Der Boden in Ostfriesland sei nicht geeignet für den Getreideanbau; höchstens Futtergetreide könne man hier anbauen.

Naturschutz geht nur mit den Landwirten

Gerne lädt Günter Lüken Politiker und Interessenvertreter auf seinen Hof ein. So engagiert er sich beim Landwirtschaftlichen Hauptverein für Ostfriesland, um die Interessen der Landwirte zu vertreten. Dabei ist der Kontakt zur Landesregierung wichtig und gut. »Die hören uns zu«, sagt er. Der sogenannte »Niedersächsische Weg« bringe Landwirtschaft, Naturschutz und Politik auf Augenhöhe an einen Tisch, um festzulegen wie Arten-, Natur- und Tierschutz gelingen kann. Er ist davon überzeugt, dass Naturschutz nur mit den Landwirten geht und nicht gegen sie.

 

Dieser Artikel ist dem zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazin »unterwegs« der Evangelisch-methodistischen Kirche – Nummer 20-21/2023 vom 24. September 2023 – entnommen.

Der Autor

Michael Putzke lebt in Bremen. Er ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und leitet die Redaktion des zweiwöchentlich erscheinenden Kirchenmagazins »Unterwegs«. Kontakt: redaktion(at)emk.de