Holz – der Werkstoff Gottes Von Diederich Lüken  | 

Gott ist auf dem Holzweg

Von der Arche bis zum Kreuz – Holz ist »der Werkstoff Gottes«, sagt Diederich Lüken. – Im Bild die Königseiche von Volkenroda, ein rund tausendjähriger Baum mit einem Durchmesser von drei Metern.
Von der Arche bis zum Kreuz – Holz ist »der Werkstoff Gottes«, sagt Diederich Lüken. – Im Bild die Königseiche von Volkenroda, ein rund tausendjähriger Baum mit einem Durchmesser von drei Metern und einem Umfang von über neun Metern.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Am Kreuz demonstriert Gott, wie er den Menschen bis in die Tiefen seiner Existenz, in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit begleitet.
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Der Weg Gottes zu den Menschen ist ein vierfacher »Holzweg«. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Holzweg ein Weg, der zu nichts führt. Am Ende steht man da und kommt nicht weiter. Wer auf dem Holzweg ist, sollte so rasch wie möglich umkehren und den rechten Weg suchen. Aber in Wirklichkeit führt der Holzweg in die Seele des Waldes. Er ist baumumstanden, und an seinem Ende wird der Wald gepflegt und das Holz geerntet. So gesehen ist der Holzweg ein gesegneter Weg. In diesem Sinne ist Gott auf dem Holzweg, wenn er den Menschen sucht. Immer wieder macht er sich auf den Weg, den Menschen zu begegnen. Immer wieder schließt er einen Bund mit ihnen. Zwar hält sich Gott in größter Treue daran – doch immer wieder ist es der Mensch, der sich gegen den Bund entscheidet und sich im Denken, Reden und Tun von ihm abwendet.

Vom Baum der Erkenntnis und der Arche

Schon die Paradiesgeschichte handelt davon, dass der Mensch sich gegen den Willen Gottes stellt und sein Heil im Eigenen sucht. Er isst die verbotene Frucht der Erkenntnis des Guten und Bösen und wird aus dem Paradies vertrieben.

Doch Gott gibt nicht auf und geht einen »Holzweg« zu den Menschen. Holz ist der Werkstoff Gottes. Er benutzt es zuerst in der biblischen Erzählung von der Arche Noahs. Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen hatte sich der menschlichen Gesellschaft eingeprägt. Die Anziehungskraft des Bösen war dabei stärker als die des Guten. Die Maßlosigkeit, die das Auftreten der Menschheit in der Geschichte der Erde begleitete, zerstörte die letzten Hemmungen. Der göttliche Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, wurde damit gekündigt. An seine Stelle ist die Plünderung der Erde und ihrer Wälder getreten.

Es verwundert nicht, dass der Gott, der die Erde geschaffen hat, vor dieser Hemmungslosigkeit in Zorn geriet. Es wurde Zeit, Konsequenzen daraus zu ziehen. Die gesamte Menschheit und alle Landtiere sollten in einem weltweiten Starkregen versinken. Nur einer nicht: Noah mit seiner Familie. Mitten in der gottlosen Gesellschaft war er Gott treu geblieben. Er erhielt den Auftrag, die Arche zu errichten – ein riesiges Schiff, gebaut aus Holz. Es war eine langwierige Zimmermannsarbeit. Am Ende war es dann so weit, dass Noah mit seiner Familie einsteigen konnte. Dazu nahm er von jedem Landtier ein Paar mit in die Arche, von den Tieren, die essbar waren, sogar sieben Paare. Das Wasser kam und vernichtete alles Leben auf der Erde, das sich außerhalb der Arche aufhielt.

Nach vierzig Tagen verkündet eine Taube mit einem Ölblatt im Schnabel, dass die Sintflut zu Ende geht. Noah kann mit seiner Familie und allen Tieren aussteigen. Das Erste, was er tut: einen Altar bauen. Er entzündet darauf ein Holzfeuer und opfert von den Tieren, die zum Essen geeignet sind. Da geht Gott den Holzweg hin zu Noah und schließt einen Bund mit ihm: »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.« (1. Mose 8,22)

Der Bund gilt für alle Menschen und enthält nach jüdischer Auffassung sieben Gebote: das Verbot des Götzendienstes, das Verbot der Gotteslästerung, das Gebot der Schaffung von Gerichtshöfen, das Verbot zu morden, das Verbot, Blut zu konsumieren, das Verbot des Ehebruchs, das Verbot des Raubens. Wenn ein Nichtjude die sieben Gebote Noahs einhält, gehört er nach jüdischer Auffassung zu den Gerechten.

Vom Holz auf den Schultern des Sohnes

So dramatisch dieser Holzweg zum Segen der Menschheit auch ist, ein zweiter Holzweg war nötig. Er hat kaum weniger harte Begleiterscheinungen. Es geht um Vater und Sohn, um Abraham und Isaak. Zunächst schließt Gott einen Bund mit Abraham. Er soll zum Stammvater vieler Völker werden. Bedingung ist die Beschneidung aller männlichen Kinder am achten Tag nach ihrer Geburt. Abraham und Sarah sind schon alt, bevor Isaak, der Garant für diese Verheißung, geboren wird. Nun aber stellt Gott eine weitere Forderung an Abraham. Er soll seinen eigenen Sohn opfern. Das ist völlig absurd. Es wird keinen zweiten Sohn Abrahams geben können; dieser eine Sohn war schon ein Wunder.

Abraham aber gehorcht dem Befehl Gottes und lädt seinem Sohn das Opferholz auf. Dann fesselt er ihn und legt ihn aufs Holz. Unverblümt, wie die Bibel nun mal ist, heißt es: »… reckte seine Hand aus, dass er seinen Sohn schlachtete« (1. Mose 22,10). Am Ende ist es dann ein Widder, der geopfert wird, aber Abrahams unbedingter Gehorsam wird mit der Erneuerung des Bundes Gottes mit ihm belohnt – zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer sollen seine Nachkommen werden. Zu danken ist dies auch dem Holz auf der Schulter Isaaks.

Einem Mann jedenfalls, der bereit ist, seinen eigenen Sohn zu opfern, ist schließlich alles zuzutrauen. Man sollte ihn nicht zum Gegner haben.

Vom Holz als mobiles Heiligtum

Der dritte Holzweg führt zum Berg Sinai. Der Bund, der dort geschlossen wird, gilt dem Volk Israel und ist bis heute ungekündigt. Mose erhält von Gott neben den Gesetzen auch einen Bauplan für die Stiftshütte. Darin befindet sich die Bundeslade. Sie ist das eigentliche Heiligtum. In ihr liegen die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten. Es handelt sich dabei um einen Holzkasten. An seinen Seiten sind Ringe angebracht, durch die man Stöcke aus Holz stecken kann, die von Kupfer überzogen sind. Die Bundeslade sollte tragbar sein. Denn wo sie ist, da ist auch Gott mit seiner Gegenwart. Das ist nicht immer angenehm. Einmal fällt sie den Feinden Israels, den Philistern, in die Hände. Not und Krankheit befallen sie daraufhin, sodass die Bundeslade schnellstmöglich den Israeliten zurückgegeben wird. Später wird sie im Allerheiligsten des Tempels aufbewahrt. Nur der Hohepriester durfte sie einmal im Jahr anschauen.

Vom Holz, das rettet

Der vierte und letzte Holzweg führt Gott zur ganzen Welt. Es ist das Kreuz, an dem Jesus stirbt. So wie Noah in seiner hölzernen Arche gerettet wird, so ist das Kreuz, an dem Jesus schließlich hängt, ein Ort der Erlösung, und zwar jedes Menschen, der an den Gekreuzigten glaubt. So wie Isaak das Opferholz aufgebürdet wird, so wird Jesus das Kreuz auf seine Schultern gelegt. So wie Isaak zu seiner Opferstelle geführt wird, trägt auch Jesus das Holz auf seiner Schulter zur Opferstelle, nach Golgatha. So wie Gott seine Nähe zum Volk Israel an die Bundeslade heftet, so ist er ab jetzt unter dem Kreuz gegenwärtig. Er begleitet damit den Menschen bis in die Tiefen seiner Existenz, wo nur noch Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit herrschen, und zieht sie herauf ins Licht, so wie der Gekreuzigte im Licht des dritten Tages von den Toten aufersteht.

 

Dieser Artikel ist dem zweiwöchentlich erscheinenden Magazin »unterwegs« der Evangelisch-methodistischen Kirche – Nummer 6/2023 vom 12. März 2023 – entnommen.

Der Autor

Diederich Lüken ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche. Er lebt im Ruhestand in Balingen. Kontakt über: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de