Ein Jahrhundert Leben und Glauben
Am vergangenen Donnerstag, 9. Oktober, feierte Werner Mohrmann seinen 100. Geburtstag in den Bethanien-Höfen in Hamburg-Eppendorf. Er blickt auf ein langes und bewegtes Leben zurück. Geboren und aufgewachsen in Hamburg, überlebte er den 2. Weltkrieg und wurde schließlich Pastor. In den 1970er-Jahren trug er die Verantwortung als Superintendent des Hamburger Distrikts. Dankbar erinnert er sich an die vielen Begegnungen mit Menschen, die ihn prägten, und an die Möglichkeit, über Jahrzehnte hinweg lebendige Gemeinden zu gestalten.
Gemeinde bauen
Gerne erinnert sich Werner Mohrmann an seine Zeit in Remscheid. Als er als Pastor im Jahr 1961 dorthin versetzt wurde, fand er eine Gemeinde vor, die sich in einem schönen neugotischen Gebäude aus dem Jahr 1910 versammelte. Die Bedingungen aber waren alles andere als ideal: Der Kirchsaal war unpraktisch, die Sanitäranlagen mangelhaft und die Räume wenig einladend. »Wenn wir hier wirklich Gemeinde bauen wollen, dann brauchen wir schönere Räume«, sagte er damals. Mutig schlug er den Gemeindegliedern vor, ein Monatsgehalt als Sonderopfer zu spenden. Tatsächlich gelang es, einen Anbau zu finanzieren. Die Kirche wurde um ein Drittel erweitert, erhielt eine Empore und einen neuen Gemeindesaal. Von da an konnten Gottesdienste, Evangelisationen und Begegnungen in neuer Qualität stattfinden. Die Gemeinde wuchs langsam, aber stetig: In seinen dreizehn Jahren vor Ort konnte Mohrmann fast dreißig neue Mitglieder aufnehmen.
Im Jahr 1974 wurde Werner Mohrmann Superintendent in Hamburg – ein Amt, das große Herausforderungen mit sich brachte. Während seine Frau eine schwere Krebserkrankung durchstand und die drei Kinder sich an neue Schulbedingungen anpassen mussten, übernahm Mohrmann das Amt. Er reiste viel, besuchte Gemeinden regelmäßig und versuchte, allen gerecht zu werden. Diese Zeit bezeichnet er rückblickend als anstrengend, aber auch lehrreich. Im Nachhinein war er jedoch lieber Gemeindepastor. »Da löst man die Probleme der eigenen Gemeinde, als Superintendent ist man auch zuständig für die Probleme der anderen«, erklärt er.
Kriegsjahre und Heimkehr
Die Kindheit und Jugend von Werner Mohrmann in Hamburg waren vom Beruf seines Vaters geprägt. Der war erst Filialleiter eines Lebensmittelgeschäfts, später Händler im Freihafen. Mohrmann selbst wollte nicht in den Handel einsteigen, sondern ihn faszinierte damals die Technik. Nach der Volksschule begann er eine Lehre im Stahlhochbau. Seine Pläne, Ingenieur zu werden, durchkreuzte aber der Krieg. Mit achtzehn Jahren wurde er 1942 Soldat. Noch in den letzten Kriegswochen wurde er 1945 verwundet und floh nach dem Krieg aus einem Lazarett in Sachsen. In einem Dorf in Mecklenburg traf er seine Mutter wieder. Sie holte gerade draußen am Brunnen Wasser. Als sie ihren Sohn sah, ließ sie den gefüllten Wassereimer fallen. »Das war mein schönstes Kriegserlebnis«, erzählt er mit bewegter Stimme.
Schlüsselfigur Pastor Karl Steckel
Nach dem Krieg begann für Werner Mohrmann ein neuer Lebensabschnitt. Über Verwandte kam er in Kontakt mit der Evangelischen Gemeinschaft. Pastor Karl Steckel in Hamburg-Eimsbüttel wurde für ihn zur Schlüsselfigur. Auf seine Fragen »Was hat dieser Jesus eigentlich mit Gott zu tun? Und was geht mich das an?« entwickelte sich ein Gespräch, das sein Leben veränderte. Steckel baute ihn als Mitarbeiter auf und öffnete ihm neue Perspektiven. Immer mehr Menschen erkannten in ihm die Begabung, Pastor zu werden, Steckel sowieso. So kam Mohrmann nach Reutlingen ins theologische Seminar.
Heute, mit einem Jahrhundert Lebenszeit, ist Werner Mohrmann dankbar für die Ehe mit seiner Frau Irmgard, für seine Familie, für die Gemeinden, die ihn geprägt haben, und für den Glauben, der ihm Halt gegeben hat. In diesem Jahrhundert ist so vieles geschehen. Auf die Frage, was sich in der Kirche seit den Nachkriegsjahren geändert hat, sagt Werner Mohrmann ohne Umschweife: »Alles«.
Der Autor
Michael Putzke lebt in Bremen. Er ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und leitet die Redaktion des zweiwöchentlich erscheinenden Kirchenmagazins »Unterwegs«. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de






