Vom Gutenberg-Jünger zum Diakonie-Manager
Am Sonntag, dem 5. Januar, verstarb Ludwig Waitzmann im Alter von 89 Jahren. Aufgewachsen in einem »ur-methodistischen« Elternhaus mit vier weiteren Geschwistern, schlug Waitzmann im Alter von 21 Jahren die Laufbahn als Pastor ein. Bis zum Eintritt in den Ruhestand und dann auch noch im aktiven Ruhestand war er mit seinem ganzen Leben im Dienst für »seine« Kirche.
Früh entfaltete Gaben in Mitarbeit und Leitung
Vielen Menschen innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) und weit darüber hinaus war Ludwig Waitzmann eine bekannte Persönlichkeit und persönlich nahbarer Seelsorger, Wegbegleiter und Ratgeber. Der Ausgangspunkt dieses prägenden Lebens war das württembergische Ludwigsburg, gut fünfzehn Kilometer nördlich von Stuttgart. Dort wurde er im Juni 1935 geboren. In seiner im Methodismus gegründeten Familie und in der Ludwigsburger Ebenezerkirche hatte er seinen familiären und geistlichen Hort der Geborgenheit. Die Gemeinde gehörte zur damaligen Methodistenkirche, einer der beiden Vorgängerkirchen der späteren EmK. Früh entfaltete er dort seine Gaben als Mitarbeiter in der Sonntagsschule, als Gründer einer Jungschar, Leiter des Jugendkreises, Chorsänger und schon in jungen Jahren als Predigthelfer.
Berufung zum Dienst für den Herrn
Nach seiner Ausbildung zum »Gutenberg-Jünger«, wie er selbst die Schriftsetzertätigkeit bezeichnete, schloss sich die berufliche Weiterentwicklung an der Grafischen Fachschule in Stuttgart an. In seiner selbstverfassten Lebenserinnerung bezeichnet er den dann folgenden Beginn seiner pastoralen Arbeit als »Berufung zum vollzeitlichen Dienst für den Herrn«. Mit 21 Jahren zog er von Ludwigsburg aus für zwei »Gehilfenjahre« zunächst nach Waiblingen, nordöstlich von Stuttgart, und dann nach Donaueschingen in die methodistische »Schwarzwalddiaspora«. Von diesem, rund 130 Kilometer südöstlich von Stuttgart gelegenen Stützpunkt aus wurden in der Nachkriegszeit der 1950-er- und frühen 1960-er-Jahre sieben kleine Predigtplätze im Südschwarzwald und der westlichen Bodenseeregion betreut.
Noch ohne Studium hielt er sonntags drei oder vier Gottesdienste und legte dafür jeweils zwischen hundert und hundertfünfzig Kilometer zurück. Der leitende Pastor wohnte seinerzeit rund siebzig Kilometer entfernt in Konstanz. Schon von Beginn an musste der junge Gehilfe also in großer Selbstständigkeit seine ersten theologischen Schritte und Erfahrungen in der Leitung von Gemeinden machen. Das dafür nötige Selbstmanagement, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und Leitungsaufgaben sowie die aktive Kommunikation mit Menschen jeden Alters sollte für Waitzmanns weiteren beruflichen Weg prägend werden.
Erste Berührungen mit der beruflichen »Lebensaufgabe Diakonie«
Nach seinem vierjährigen Studium am Theologischen Seminar der ehemaligen Methodistenkirche in Frankfurt am Main war das Jahr 1962 doppelt bedeutsam. Er heiratete seine »über alles geliebte Odette«. Die begabte Musikerin und Musikerzieherin Odette Meier war Schweizerin und in Basel aufgewachsen. Bei allen beruflichen Stationen brachte sie sich mit ihrem Mann zusammen in die jeweiligen Arbeitsbereiche aktiv mit ein. Dem Paar wurden drei Kinder geboren.
Im gleichen Jahr erhielt der junge Prediger seine erste Dienstzuweisung ins neunzig Kilometer südwestlich von Stuttgart gelegene Freudenstadt. Diese Sendung sollte sich als wegweisend herausstellen. Neben seiner damals beginnenden jahrelangen Mitwirkung in der konferenzweiten Jungschar- und Lehrgangsarbeit ergaben sich nämlich erste Anknüpfungspunkte mit der Diakonie. Nach zwei Jahren Gemeindearbeit übernahm Waitzmann von 1964 an die Stelle als Direktionsassistent im Sozialwerk Süd, das seinen Sitz in Freudenstadt hatte.
Drei Jahre später stand allerdings schon die nächste pastorale Dienstzuweisung nach Konstanz am Bodensee an. Die Gegend und die dortige Gemeinde waren ihm schon aus seiner zehn Jahre zurückliegenden Gehilfenzeit bekannt. Als Pastor der Gemeinde, Leiter des mit der Gemeinde verbundenen Jugend- und Freizeitheims mit 45 Betten sowie als überregionaler Jungschar- und Jugendsekretär hatte Waitzmann ein großes Aufgabenspektrum abzudecken. In jene Zeit fiel auch seine erste Berufung in den Verwaltungsrat des Diakoniewerks Marth-Maria. Von da an sollte die Tätigkeit in der institutionellen Diakonie zur Lebensaufgabe werden. Nach einer kurzen, nur zwei Jahre dauernden Dienstzuweisung in den Bezirk Auferstehungskirche in der Stuttgarter Innenstadt begann 1975 sein Weg, der bis zum Ruhestand mit Leitungsaufgaben in der Diakonie verbunden bleiben sollte.
Gefragter Ansprechpartner und Diakonie-Kenner
Bis 1991 war er sechzehn Jahre lang Direktor des Sozialwerks der Süddeutschen Jährlichen Konferenz. Dazu gehörte anfänglich ein berufsbegleitendes, umfassendes Studium an der Wirtschafts-Akademie. Damals lagen viele der von Waitzmann beaufsichtigten diakonischen Einrichtungen noch in der inhaltlichen und wirtschaftlichen Verantwortung der Süddeutschen Jährlichen Konferenz. Neben Alten- und Pflegeheimen gehörten dazu auch die Klinik Hohenfreudenstadt sowie das Kur- und Ferienhotel Teuchelwald.
Das Aufgabenfeld umfasste sowohl Management- und Direktionsaufgaben als auch Personalführung und seelsorgerliche Tätigkeiten in den beiden Freudenstädter Klinik- und Hoteleinrichtungen. Darüber hinaus wurde er innerhalb der EmK sowie der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und in der Leitungsebene der Diakonie Deutschland, dem Wohlfahrtsverband der evangelischen Landeskirchen und Freikirchen zum gefragten Ansprechpartner, Ratgeber und Mitglied in verschiedensten Gremien.
Jahrhundertanstrengung nach der deutschen Vereinigung
Von 1991 an bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2000 war er Direktor des in Nürnberg ansässigen Diakoniewerks Martha-Maria, sowie Vorsitzender des Geschäftsführenden Vorstands dieses Werkes. In diese Phase fielen weitreichende Entscheidungen. Dazu gehörte auch die Übernahme und Sanierung des in Freudenstadt ansässigen und bis dahin der Süddeutschen Jährlichen Konferenz gehörenden Sozialwerks Süd.
Darüber hinaus hatte die deutsche Vereinigung immense Folgen für die institutionelle Diakonie in ganz Deutschland. Die sozial-diakonischen Einrichtungen der EmK in der DDR erarbeiteten in dieser Zeit zusammen mit westdeutschen sozial-diakonischen EmK-Einrichtungen Neuausrichtungen und strukturelle Konzepte. Damit sollten die sozial-diakonischen Einrichtungen im Bereich der Ostdeutschen und in Teilen der Norddeutschen Konferenz der EmK für die Zukunft wirtschaftlich tragfähig aufgestellt werden.
In diese Zeit fiel die Übernahme, Sanierung und Erweiterung der Einrichtungen in Halle an der Saale in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Stadt Halle. Das dortige Krankenhaus Halle-Dölau ist heute das größte und modernste Krankenhaus im Diakoniewerk Martha-Maria. Rückblickend bezeichnete der umtriebige Diakonie-Manager Waitzmann diese Phase als »Jahrhundertanstrengung«.
Im Dienst für Menschen in jedem Alter und jeder Art
Nach dem Eintritt in den Ruhestand blieb Waitzmann weiterhin seiner Berufung treu. Schon zuvor, jetzt aber vermehrt, konnte seine Frau ihn bei seinen Tätigkeiten begleiten. Dazu gehörten besonders Studienreisen, bei denen seine Frau ihre musikalische Profession als Geigerin einbrachte. Außerdem unterstützte sie ihren Mann bei diesen Reisen organisatorisch sowie im kommunikativen Bereich mit den Reiseteilnehmern, den Veranstaltern, den örtlichen Beherbungsbetrieben und als Übersetzerin. Der Tod seiner treuen Wegbegleiterin im Jahr 2017 hinterließ eine große Lücke in Waitzmanns Leben.
Waitzmann schließt seine Lebenserinnerungen mit einem »tiefsten Dank unserem dreieinigen Gott mit seinen Führungen und Bewahrungen, die mir Leben, Berufung und Beruf ermöglichten im Dienst für Menschen in jedem Alter und jeder Art«. Zeitlebens sei es ihm ein Anliegen gewesen, Menschen für ein Leben im Glauben an Jesus Christus einzuladen und für deren Anliegen und Nöte und für Jung und Alt offen zu sein. »So«, schreibt Waitzmann abschließend, »verstand ich begeistert mein Leben und meinen Beruf.« Jetzt ist er im Alter von 89 Jahren verstorben. Er hinterlässt seine drei erwachsenen Kinder mit deren Familien und sechs Enkeln.
Zur Information
Trauerfeier für Ludwig Waitzmann: Mittwoch, 5. Februar, um 13 Uhr
Friedhof in Echterdingen (bei Stuttgart), Plieninger Straße (Nähe S-Bahnhof Echterdingen).
Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.