Zentralkonferenz Deutschland Von Iris M. Hahn, Klaus U. Ruof  | 

Dreimal bischöfliche Wegweisung

Dreimal bischöfliche Botschaften (von links): Bischof Harald Rückert, Deutschland; Bischof Dr. Patrick Streiff, Mittel- und Südeuropa; Bischof Eduard Khegay, Eurasien.
Dreimal bischöfliche Botschaften (von links): Harald Rückert, Bischof für die Zentralkonferenz Deutschland; Dr. Patrick Streiff, Bischof Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa; Eduard Khegay, Bischof für Eurasien in der Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien.
Bildnachweis: Iris M. Hahn (Khegay), Klaus U. Ruof (Rückert, Streiff)
Zum Auftakt der in Chemnitz tagenden Zentralkonferenz Deutschland der Evangelisch-methodistischen Kirche haben drei Bischöfe Wegweisendes mitzuteilen.
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Vom gestrigen Donnerstag an bis zum morgigen Samstag, 24. bis 26. November, trifft sich die Zentralkonferenz Deutschland der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) zu einer außerordentlichen Tagung in Chemnitz. Der erste Tag war neben wenigen formalen Aufgaben der inhaltliche und geistliche Auftakt zu den anstehenden Entscheidungen. Geistlicher Schwerpunkt war der abendliche Eröffnungsgottesdienst mit einer Predigt des Bischofs der Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa, Patrick Streiff. Ein Grußwort von Eduard Khegay, für Eurasien zuständiger Bischof der EmK, brachte die europäische und internationale Verbundenheit in schwierigen Zeiten zum Ausdruck. Bereits am Nachmittag sprach Harald Rückert, der für die Zentralkonferenz Deutschland zuständige Bischof, die knapp hundert Delegierten, beratenden Mitglieder und Gäste an, um die Bedeutung der anstehenden Beschlüsse ins Bewusstsein zu heben.

Ausdauer und Mut

»Grundlegende Veränderungen in unserer Kirche sind nötig«, sagte Harald Rückert in seinem Impuls zum Auftakt der Zentralkonferenz. Der seit 2017 für Deutschland zuständige Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) bezog sich mit diesem Satz auf die bei der Tagung anstehenden Entscheidungen. Dabei geht es um Änderungen in der Organisation und Struktur der Kirche, damit »der missionarische Auftrag« der Kirche »mit neuer Entschiedenheit unser kirchliches Handeln bestimmen soll«. Außerdem geht es um das Bemühen um Gemeinschaft und zur Integration homosexueller Menschen in jeder Hinsicht, indem der Weg der Kirche so umzugestalten sei, »dass Menschen unterschiedlicher Überzeugungen Geborgenheit und Heimat in ihr finden können«.

Angesichts der Entwicklungen hinsichtlich Finanzen, Personal und weiterer Bereiche in der eigenen Kirche wie auch in anderen christlichen Kirchen in Deutschland verbiete sich »ein einfaches ›Weiter so, wie bisher!‹ oder ›Augen zu und durch!‹«. Rückert schlussfolgert: »So gesehen ist die Zeit für grundlegende Veränderungen in der Kirche gerade richtig gut! Wenn nicht jetzt, wann dann?« Weil es keine sicheren Patentantworten gebe, sei es unbedingt nötig, Prozesse ehrlichen Fragens und Nachdenkens weiter offen und lebendig zu halten. Es brauche aber »Mut, um loszugehen«. Wenn Aufbruch erst stattfinde, »wenn wir das gesamte Neuland überblicken, es vermessen und kartografiert haben« und alles bis ins Letzte durchgeplant und abgesichert sei, »werden wir nie losgehen«, so der Bischof. Deshalb brauche es sowohl »Ausdauer« als auch »großen Mut«.

Die bei der Konferenztagung vorliegenden zwei Beschlusspakete führten einerseits zu Veränderungen der Struktur und Arbeitsweise der Kirche. Andererseits gehe es um ein Verständnis von Kirche und eine neue Weise, sich für Gottes Auftrag zu öffnen. Rückert wies die Delegierten darauf hin, dass sich mit den beiden Beschlusspaketen eine Einladung verbinde. Es gehe darum, »wieder frei zu werden für Anliegen und Themen jenseits der Selbstbeschäftigung mit uns selbst«.

Immer neu einüben

Die unweit des Tagungszentrums gelegene evangelisch-lutherische Schlosskirche bot mit ihrer spätgotischen Hallenbauweise den feierlichen Rahmen für den geistlichen Auftakt in Verbindung mit einer Abendmahlsfeier. Patrick Streiff, noch amtierende Bischof der EmK für Mittel- und Südeuropa erinnerte in seiner Predigt an die Wüstenwanderung des Volkes Israel. Im zweiten Mosebuch, Kapitel sechzehn, wird beschrieben, wie sich Gott seinem unzufriedenen Volk offenbarte. Ein fürsorglicher Gott wandte sich seinem Volk zu, das die Vergangenheit verklärte und immer noch den »Fleischtöpfen Ägyptens« nachtrauerte. Trotzdem mussten die Israeliten in der Wüste »von der Hand in den Mund« leben.

Diese Existenz, so Streiff, sei in der westlichen Kultur des Planens und Absicherns kaum noch bekannt. In der Wüste sei es jedoch nicht möglich gewesen, Manna auf Vorrat zu sammeln. Rückerts Bischofskollege bezog das humorvoll und doch ernsthaft auf den Glauben: »Jesus können wir nicht wie Proviant im Keller einlagern.« Jesus sei auch keine Versicherung als Schutz für einen Eventualfall, sondern »Jesus will jeden Tag unseren Lebenshunger wieder neu stillen«.

»Nur in diesem immer neuen Einüben des Vertrauens auf Jesus, den Christus, leben wir Kirche«, so Streiff. Nur so könne gemeinsames Unterwegssein gelingen, und nur wenn der Glaube miteinander geteilt werde, entstehe eine Gemeinschaft, die Menschen verbindet. Zeichen dieser verbindenden Gemeinschaft waren das sich an die Predigt anschließende Grußwort des russischen Bischofs und die darauffolgende gemeinsame Feier des Abendmahls.

»Partnerschaft und Freundschaft bedeutet so viel für uns«

Der Gast mit der weitesten Anreise war Eduard Khegay. Der in der EmK-Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien für Eurasien zuständige Bischof berührte die Gottesdienstbesucher mit seinem sehr persönlichen Grußwort. In dieser Zeit des Krieges in der Ukraine, politischer Polarisierung zwischen Europa und Russland und angesichts der Spannungen in der weltweiten EmK sei es »besonders bedeutsam, dass Bischof Harald Rückert mir und den Menschen in Russland die Hand der christlichen Solidarität und Liebe reicht«.

Sehr persönlich und gut verständlich in deutscher Sprache bekannte Khegay: »Ich liebe mein Land und mein Volk, aber ich schäme mich für das, was jetzt in der Ukraine passiert.« Berührt, überrascht und in konzentrierter Atmosphäre hörten die Gottesdienstbesucher, wie der russische Bischof, davon erzählte, dass in Russland viele Familien gespalten seien und mit welchen Herausforderungen die Pastoren konfrontiert seien. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstütze die russische Armee, und so würden viele der methodistischen Pastoren von ihren Kirchengliedern unter Druck gesetzt.

Nach der Mobilmachung hätten viele Russen ihr Land verlassen, denn sie wollten nicht in den Krieg ziehen. »Es ist sehr tragisch, junge Menschen zu verlieren, vor allem solche, die begabt und fähig sind und von Demokratie und Freiheit träumen.« Andererseits, bekannte Khegay in aller Offenheit, »bin ich sehr gegen die Nato-Osterweiterung und die westlichen Sanktionen gegen Russland«. Er sei überzeugt, »dass sie das Gegenteil bewirken«. Statt Sicherheit führe es zum Chaos, statt eines politischen Führungswechsels würden die Sanktionen mehr Patriotismus und Nationalismus in Russland fördern.

Ebenfalls in aller Offenheit sprach Khegay die innerkirchlichen Spannungen an: »Es tut mir leid, wenn ich sehe, was mit unserer geliebten Kirche passiert.« Es sei unverständlich, dass in den Vereinigten Staaten erneut ein schwuler Bischof gewählt worden sei. Er und die Methodisten seines Bischofsgebiets seien enttäuscht und sähen diese erneute Handlung »als Bruch des Bündnisses, als Ignorieren unserer Ansichten«. Das könne dazu führen, dass Menschen die Kirche verlassen. In seinem Bischofsgebiet, darauf verwies der Bischof erneut in großer Offenheit, sei der Beschluss schon gefallen, die Kirche zu verlassen. Trotzdem dankte er der Zentralkonferenz Deutschland für die praktizierte Solidarität und Liebe und betonte: »In dieser unruhigen Zeit bedeutet Ihre Partnerschaft und Freundschaft so viel für uns!«

 

Weiterführende Links

Gebetskette für die Zentralkonferenz Deutschland
Impuls des Bischofs

Die Autoren

Iris Hahn lebt in Augsburg und ist Ko-Redakteurin des zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazins »Unterwegs«. Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Die außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika befindlichen Gebiete der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) sind in Zentralkonferenzen organisiert. In Europa sind dies die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa, die Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien sowie die Zentralkonferenz Deutschland. Weitere Zentralkonferenz-Gebiete gibt es in Afrika und Asien.

Die Zentralkonferenzen sind der Generalkonferenz, dem höchsten Leitungsgremium der EmK, nachgeordnet und für die jeweilige Region zuständig. Sie tagen alle vier Jahre, um formale, finanzielle und die Ordnung der Kirche betreffende Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus werden in den Zentralkonferenzen die für diese Region verantwortlichen Bischöfe oder Bischöfinnen gewählt oder deren Amtszeit verlängert.

Zur Zentralkonferenz Deutschland gehören die Gebiete der Norddeutschen, Ostdeutschen und Süddeutschen Jährlichen Konferenzen. Harald Rückert ist seit 2017 der zuständige Bischof. Dienstsitz ist Frankfurt am Main.

Zur Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa gehören EmK-Gemeinden in dreizehn Ländern: Albanien, Algerien, Belgien, Frankreich, Nordmazedonien, Österreich, Polen, Rumänien (will demnächst ausscheiden) Schweiz, Serbien, Tschechien, Tunesien, Ungarn. Der amtierende, im kommenden Jahr in Ruhestand wechselnde Bischof ist Dr. Patrick Streiff. Sein Nachfolger ist Dr. Stefan Zürcher. Dienstsitz ist Zürich.

Die Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien besteht aus zwei Bischofssprengeln: Eurasien unter der Leitung von Bischof Eduard Khegay (Moskau) umfasst Gemeinden in Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan, Usbekistan und Weißrussland; Nordeuropa und Baltikum unter der Leitung von Bischof Christian Alsted (Kopenhagen) umfasst Gemeinden in Dänemark, Estland, Finnland (finnisch-sprachig, schwedisch-sprachig), Lettland, Litauen, Moldawien (vorübergehend seit 30.4.2022), Norwegen, Schweden und Ukraine (vorübergehend seit 30.4.2022).