Konflikt in Israel und Palästina Von Thomas Kemper (kur)  | 

Friedenszeichen in Gefahr

Direkt hinter einem Maschendrahtzaun, der die Nassar-Fram begrenzt und schützt, ist ein Radlader zu sehen, wie er den sandigen Boden bearbeitet.
Bulldozer bauen an einer neuen Straße nur wenige Meter entfernt von einem Baum, den Bischof Ivan Abrahams und Pastor Jong Chun Park als Generalsekretär und Präsident des Weltrats methodistischer Kirchen zusammen mit Bischof Harald Rückert gepflanzt hatten.
Bildnachweis: Thomas Kemper
Die bei Bethlehem gelegene Nassar-Farm ist seit langem daran beteiligt, Frieden ins Heilige Land zu bringen. Jetzt ist der Ort des Friedens bedroht.
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Ein Ort des Friedens und der Versöhnung im Heiligen Land ist bedroht. Seit Jahrzehnten kämpft Familie Nassar um den Erhalt ihrer Farm bei Bethlehem. Thomas Kemper, der Autor dieses Artikels, war bis August 2020 Generalsekretärs des internationalen Missions- und Hilfswerks der Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) und kennt den Ort und die Familie aus persönlichen Begegnungen. Er berichtet, warum die internationale Gemeinschaft jetzt gefordert ist, sich für den Erhalt dieses Zeichens des Friedens einzusetzen.

»Wir weigern uns Feinde zu sein«

Ein Besuch, anders als alle anderen zuvor. Die Farm der Familie Nassar bei Bethlehem im Westjordanland, bekannt als »Tent of Nations«, auf Deutsch »Ein Zelt für die Völker«, ist kein unbekannter Ort für mich. Es ist eine aktive Farm, gesäumt von Olivenhainen und Nutztieren, und zugleich ein Friedensprojekt in Palästina.

Die Familie Nassar erwarb dieses Land 1916, registriert bei den damaligen osmanischen Herrschern. Schon damals als ein Zeugnis christlicher Präsenz in diesem Teil der Welt und Einsatz für Frieden unter den Völkern und unter den Religionen. »Wir weigern uns Feinde zu sein« ist der Grundsatz, der sich auf einem Stein am Eingang findet.

Nach dem Tod ihres Vaters übernahmen die Brüder Daoud und Daher 1976 die Farm. Im Jahr 1991 erklärte man die Farm zum Staatsland unter Verwaltung der israelischen Besatzung. Seitdem kämpft die Familie um ihren Platz. Der oberste Gerichtshof Israels erlaubte 2006 eine Neuregistrierung des Landes. Doch bis heute, nach über dreißig Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen ist dies noch nicht geschehen. Behörden und Gerichte verzögern den Prozess immer wieder. Auch die zuletzt angesetzten Anhörungen im vergangenen Dezember und im zurückliegenden Juli sagte die Zivilverwaltung erneut ab. Derweil rücken die illegalen Siedlungen immer näher an die Farm heran. Sie sind zu hochentwickelten Städten mit vollständiger urbaner Infrastruktur geworden.

Bulldozer schaffen Fakten

Bei meinem letzten Besuch waren nur die beiden Brüder da. Keine internationalen Freiwilligen, keine anderen Familienmitglieder, keine Farmarbeiter. Eine ungewohnte Stille hüllte den Ort ein bis der Lärm von Baumaschinen die Ruhe durchbrach. Bulldozer bauten eine neue Straße nur wenige Meter entfernt von einem Baum, den Bischof Ivan Abrahams und Pastor Jong Chun Park als Generalsekretär und Präsident des Weltrats methodistischer Kirchen zusammen mit Bischof Harald Rückert gepflanzt hatten.

Die Familie Nassar erhielt 2017 den Friedenspreis des Weltrats für ihren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in Palästina. Im Zusammenhang mit der Preisübergabe war der Baum gepflanzt worden, an dem vorbei nun die Straße gebaut wird, die das Land der Familie wohl durchschneiden wird. Bei unserem Besuch hörten wir Bombenexplosionen aus dem nur etwa vierzig Kilometer entfernten Gazastreifen. Daoud bat ausdrücklich um internationale Unterstützung, insbesondere von der methodistischen Gemeinschaft, um die Farm zu erhalten.

»Wir brauchen eure Unterstützung!«

Die Familie erlebt Einschüchterung und Belästigung. Der Zugang zu ihrem eigenen Land wird immer wieder erschwert. Große Steinblöcke blockieren den Zugangsweg. Nur über Umwege ist die Farm erreichbar. Farmland wurde zerstört, Tiere gestohlen und die Brüder physisch angegriffen. Die Siedler agieren immer ungehemmter, geschützt von der Armee. »Wir brauchen jetzt eure Unterstützung. Wendet euch an eure Regierungen «, sagt Daoud. »Die Registrierung muss endlich erfolgen. Die Belästigung durch Siedler und Soldaten muss aufhören.«

Es wäre tragisch, wenn dieses Symbol der Versöhnung und des Friedens im Heiligen Land gerade jetzt zerstört würde. Das Massaker der Hamas am 7. Oktober hat die Welt im Heiligen Land dramatisch verändert. Gewalt und Zerrissenheit prägen das Leben in Israel und Palästina mehr denn je. Orte wie das »Tent of Nations«-Projekt, wo Menschen sich weigern Feinde zu sein, sind daher umso wichtiger.

 

Dieser Artikel ist dem zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazin »Unterwegs« der Evangelisch-methodistischen Kirche – Nummer 9/2024 vom 5. Mai 2024 – entnommen und um aktuelle Informationen ergänzt.

Der Autor

Thomas Kemper wohnt in Ockenfels bei Bonn. Er arbeitet im Ruhestand als Berater für »Wespath – Benefits and Investments«, der von den USA aus agierenden internationalen Pensions- und Gesundheitskasse für Personen, die in methodistischen Gemeinden und Institutionen arbeiten. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de