Nicht Liebe zur Macht, sondern Macht durch Liebe
Mit pandemiebedingt notwendigerweise reduzierten Platzmöglichkeiten und trotzdem gut besucht, fand in Hamburg ein Symposium statt, mit dem Philip Potter (1921-2015) geehrt wurde. Am Tag seines hundertsten Geburtstags gedachten am Donnerstag der zurückliegenden Woche ehemalige Weggefährten, Interessierte und in der Ökumene engagierte Personen der Lebensleistung des vor sechs Jahren verstorbenen früheren Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen.
Die Bedeutung der »Dritten Welt« für die Ökumene
»Die ökumenische Bewegung hört erst dann auf, kontrovers zu sein, wenn sie aufhört, Bewegung zu sein«, war eines der Zitate, mit dem Konrad Raiser in seinem Vortrag Philip Potters Leben für die Ökumene beschrieb. Potter hatte mit diesem Satz auf die Kritik eines Gesprächspartners reagiert, der die ökumenische Bewegung ablehnte, weil diese sich zu häufig in über Theologie und Kirche hinausgehende Belange einmische.
Dass Potters Einsatz für die ökumenische Bewegung und deren »prophetisches Wort« in viele gesellschaftspolitische Felder und Themenbereiche hinein zutiefst biografisch und biblisch begründet war, entfaltete Raiser in seinem mit vielen biografischen Details untermauerten Vortrag. Der seit 2004 im Ruhestand in Berlin lebende evangelische Theologe war viele Jahre Potters Weggefährte und von 1992 bis 2003 einer seiner Nachfolger im Amt des Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen.
Potter, erster »Vertreter des Südens« auf dem Posten des Generalsekretärs des Ökumenischen Rates, habe immer wieder die Bedeutung der »Dritten Welt« für die Kirchen hervorgehoben. So habe die Dritte Welt »in hohem Maße dazu beigetragen, dass die ökumenische Bewegung sich nicht mehr nur als eine Bewegung verstand, die die Zusammenarbeit um der Einheit willen fördert, sondern als eine Bewegung, die die Erneuerung in der Mission um der Einheit willen und die Einheit um einer wirksameren Mission willen sucht«.
Ökumene als Praxistest des Glaubens
Durch seine Prägung in einem römisch-katholischen und methodistischen Elternhaus erschloss dem jungen Potter schon sehr früh, was er später in protestantischer und vor allem methodistisch geprägter Weite zwischen Anglikanismus, Luthertum und Herrnhuter Pietismus erlebte und das sich bei ihm mit der Achtung für die katholische Kirchlichkeit verband. Deshalb, so Raiser, »war Potter jede Neigung zu konfessionalistischer Abneigung fremd«.
Darüber hinaus habe die Ausbildung Potters in seinem ersten beruflichen Umfeld in einer Anwaltskanzlei ihn äußerst scharfsinnig gemacht. Die Schulung in der Handhabung von rechtlichen Zusammenhängen habe ihn grundlegend befähigt, komplexe Sachzusammenhänge überzeugend zu durchdringen. Das habe Potter in die Lage versetzt, realistische strukturelle Regelungen und strategische Konzeptionen zu entwickeln. In Verbindung mit seiner späteren theologischen Ausbildung, seiner Liebe zu den biblischen Sprachen und seiner Gabe, biblische Geschichte erzählend zu vermitteln, habe Potter in umfassender Weise die Bedeutung des Evangeliums von der Liebe Christi in die Zeit hinein verkündigen können.
Dazu passte der von Potter selbst immer wieder zitierte Satz, den er zum Abschluss einer ökumenischen Jugendkonferenz als junger Delegierter in einer Rede aussprach: »Jesus Christus als Herrn bekennen heißt nicht, in der Liebe zur Macht zu leben, sondern durch die Macht der Liebe.« Wer das beherzige, wisse um die Bedeutung der ökumenischen Bewegung und diese sei »eine Art Praxistest unseres Glaubens«, wie Potter zu sagen pflegte.
Die gewaltlose dialogisch-ökumenische Lebensform
Grundlegend für die Ökumene sei, was sich mit den drei Wörtern »zuhören, geben und vergeben« beschreiben lasse. Aufrichtiges Zuhören erfordere die Bereitschaft, Widersprüche und Differenzen auszuhalten und dadurch zu lernen. Erst daraus könnten Kräfte für die Veränderung hin zu neuen Verhältnissen erwachsen. Die Bereitschaft, geben zu können, sei Voraussetzung für die Überwindung von Trennung, weil im Geben die Macht der Liebe als heilende und versöhnende Liebe Gottes freigesetzt werde. Vergebung schließlich, so Raiser in seiner Würdigung Potters, sei »die anspruchsvollste Bewährungsprobe für die Macht der Liebe«. Daraus könne »etwas Neues, Unerwartetes, Schöpferisches als Teil unserer unausweichlichen Beziehungen mit anderen« entstehen.
In den vielen Facetten des raiserschen Vortrags zur »Bedeutung Philip Potters für die Ökumenische Bewegung heute« kam zum Ausdruck, was Potter selbst die »Selbstverpflichtung zu einer gewaltlosen dialogisch-ökumenischen Lebensform« nannte. Wer zuhört, gibt und vergibt, werde von seiner Trennung von Gott und der untereinander vorhandenen Trennung freigemacht. »Nur so können wir neugemacht werden in der Macht seines auferweckten Lebens, um Versöhnung zu empfangen und in seiner Versöhnung zu leben.«
Ein sanfter Riese
Die sich an den Vortrag anschließende »ökumenische Reaktion« durch Andar Parlindungan, den aus Indonesien stammenden Ökumenereferenten der Vereinten evangelischen Mission, und eine Gesprächsrunde mit vier Personen unterschiedlichen Alters erschlossen Potters Vermächtnis für die Ökumene noch einmal aus sehr persönlicher Sicht. Das Symposium brachte auf vielfältige Weise zum Ausdruck, was einer der Weggefährten so beschrieb: »Philip Potter war ein ›gentle giant‹« - ein sanfter Riese.
Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.