Deutsche Evangelische Kirchentag Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Von Gesprächsregeln und zugeschlagenen Türen

Kirchentag mit methodistischer Beteiligung (von links): Bischof Harald Rückert, Superintendentin Dorothea Lorenz, Pastor James Bhagwan
Kirchentag mit methodistischer Beteiligung (von links): Bischof Harald Rückert, Superintendentin Dorothea Lorenz, Pastor James Bhagwan
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof
Der Kirchentag in Nürnberg findet mit methodistischer Beteiligung statt: Bischof und Superintendentin aus Deutschland und ein Pastor aus Fidschi.
4 Minuten

Seit drei Tagen gehören zehntausende Gäste des Kirchentags zum Nürnberger Stadtbild: unübersehbar mit den logogrünen Kirchentagsschals, mit den an einem Band um den Hals baumelnden Eintrittskarten und zielstrebig von einer Veranstaltung zur anderen unterwegs. Unüberhörbar ist der Kirchentag auch, weil auf dem Weg durch die Stadt an Ecken, Plätzen oder einfach am Gehwegrand Chöre singen, Musikgruppen ihre Arrangements darbieten oder Posaunenchöre ihren typischen Sound in die nähere und weitere Umgebung tragen. Die häufig als »ganz besonders« beschriebene Kirchentagsatmosphäre ist auch in Nürnberg spürbar. Wer sich genauer umhört, bekommt aber auch den Kommentar zu hören, dass es »irgendwie nicht mehr ganz so unbeschwert-fröhlich wie bei früheren Kirchentagen« sei. Die Krisen – vorneweg werden dann in einem Atemzug »Corona, Klima und Ukrainekrieg« genannt – haben offenbar ihre Spuren hinterlassen.

Gesprächsregeln zur Krisenbewältigung

Am Stand der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in den Nürnberger Messehallen ist auch »von Krisen« die Rede – allerdings auf andere Weise. Harald Rückert, der für Deutschland zuständige Bischof, stellte sich zweimal zum Interview zur Verfügung. Dabei ging es um »Gesprächsregeln für ein gelingendes Miteinander«. Rückert erzählte, wie diese Regeln entstanden. Dabei sei es um die strittige Frage der Homosexualität gegangen und wie in der Kirche ein Weg gefunden werden könne, der trotz unterschiedlicher Meinungen die Gemeinschaft des Glaubens und das Zusammenbleiben in der Kirche bewahrt werden könne. Ein zweisprachiges Lesezeichen in Deutsch und Englisch fand dabei regen Anklang und wurde gerne als Erinnerung und Gesprächshilfe mitgenommen.

Ökumene: an der Basis normal, »oben« wird die Luft dünn

Dorothea Lorenz, Superintendentin der EmK für den Distrikt Stuttgart, wirkte an einem Podiumsgespräch mit, bei dem es um »ökumenische Kooperationen vor Ort« ging. Der vom Bistum Speyer kommende römisch-katholische Teilnehmer hatte dabei zunächst einmal die Lacher auf seiner Seite: »Mein erster Schulfreund war evangelisch – der hat mir immer etwas leidgetan« sagte er. Heute betreue er ein Projekt unter dem Titel »Schon jetzt«, bei dem eine umfassende ökumenische Zusammenarbeit praktiziert werde. An der Basis fänden sich die verschiedenen Gemeinden und Personen gut zusammen. Wenn es allerdings so konkret werde, dass weitergehende Folgen auch in den oberen Leitungsebenen abgesegnet werden müssten, beschrieb er die Verantwortungsträger ehrlicherweise als »kribbelig«.

Die EmK-Superintendentin wurde nach ihrem regional größeren Überblick ökumenischer Zusammenarbeit gefragt. »In der Regel«, so Lorenz, geschehe ökumenische Zusammenarbeit »auf Augenhöhe«. Schwierigkeiten träten dann zutage, wenn die »Ökumene auf Augenhöhe« dann doch zur »Ökumene der Bequemlichkeit« werde. Das geschehe immer dann, wenn auf die Schnelle die Arbeitsteilung, beispielsweise bei Verteilung der wöchentlichen Andachten in der Lokalzeitung, zwischen den römisch-katholischen und evangelisch-landeskirchlichen Gemeinden aufgeteilt würden. Das sei häufig nicht als Ausgrenzung gedacht, entschuldigt die Superintendentin die ökumenischen Störungen, aber es müsse noch viel mehr an einer umfassenden ökumenischen Selbstverständlichkeit gearbeitet werden.

Drei weitere Teilnehmerinnen, eine Mitarbeiterin aus einem ökumenischen Projekt in Nürnbergs südlichem Brennpunktstadtteil Langwasser, eine baptistische Pastorin aus Wien und eine evangelische Militärpfarrerin aus dem siebzig Kilometer östlich von Nürnberg gelegenen Kümmersbruck, erzählten ebenfalls von den Selbstverständlichkeiten und Grenzen ökumenischer Zusammenarbeit. Alle Personen der Gesprächsrunde bestätigten, dass an der Basis die Zusammenarbeit gut funktioniere. Wenn allerdings die Zusammenarbeit so eng werde, dass die unterschiedlichen Konturen zu sehr verschmelzen und Entscheidungsträger aus höheren Ebenen mitbeteiligt werden müssten, dann werde die Luft dünner. Die Ökumene stehe und falle letztlich mit den Menschen, die sie gestalteten.

Wie lange noch nimmt die Welt keine Notiz?

Internationaler methodistischer Gast bei einem Podium zur Schöpfungsverantwortung war James Bhagwan. Er ist Pastor der Methodistischen Kirche auf Fidschi und Rotuma sowie derzeitiger Generalsekretär der ökumenischen Pazifischen Kirchenkonferenz. Bhagwan erzählte, wie die klimatischen Auswirkungen bereits jetzt die Lebenssituation der Menschen im pazifischen Raum bedrohe. Der schon steigende Meeresspiegel bedrohe viele der pazifischen Inselstaaten, deren Bevölkerung häufig auf Inseln lebten, die nur wenige Meter über die Wasseroberfläche ragten. Hinzu käme das Trinkwasserproblem. In vielen Regionen gebe es Trinkwasser nur, wenn es regnet, weil das Grundwasser vom Meer her immer salzig ist. Wenn es dann monatelang nicht regne, sei die Lebensgrundlage hochgradig gefährdet.

Die Dramatik der Situation fasst Bhagwan dann eindrücklich zusammen: »Schon unsere Kinder lernen, Teil des Landes und des Ozeans zu sein. Wenn das Land nun verschwindet und der Ozean von der Quelle des Lebens zum Instrument des Todes wird, finden sie sich in einer verkehrten Welt wieder. Sie fragen sich, wie lange sie noch leiden müssen, bevor die Welt von ihnen Notiz nimmt und reagiert.«

Bhagwans Äußerungen finden Unterstützung und Ergänzung durch die vier anderen am Podium beteiligten Personen. Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, Frank Schwabe, Mitglied im Bundestag und Mitarbeiter im Bundesentwicklungsministerium, Pfarrerin Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe, sowie Vanessa Nakate, eine Klimaaktivistin aus der ugandischen Hauptstadt Kampala, beschreiben die dramatische Situation aus ihren jeweiligen Blickwinkeln und Arbeitsfeldern.

Vinke verwendet dazu ein drastisches Bild: »Wir zünden die Häuser anderer Menschen an, vernichten ihre Lebensgrundlagen und dann schlagen wir ihnen die Türe vor der Nase zu.« James Bhagwan steuert einen weiteren Kommentar bei: Viele Menschen könnten gar nicht anders, als aus unbewohnbar werdenden Regionen wegzugehen. Es gehe also gar nicht mehr um die Frage, Migration gutzuheißen oder sie abzulehnen. »Es geht nur noch darum, Migration mit Würde zu bewältigen, weil die Menschen gar nicht anders können.« Das Publikum ist vom Gehörten nachhaltig betroffen. Alle wissen, dass sie das noch viel kostet – im wörtlichen und übertragenen Sinne.

 

Weiterführende Links

Die EmK auf dem Kirchentag (PDF)
Deutscher Evangelischer Kirchentag 

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de