Die Mut machende Kraft des Evangeliums
Im November vergangenen Jahres verstarb Lothar Schieck, der ehemalige Dozent für Altes Testament und Neues Testament in Bad Klosterlausnitz und Reutlingen. Jetzt liegt mit dem kleinen Band »Geschenkte Gerechtigkeit« eine Sammlung theologischer Texte aus Schiecks Wirkungszeit vor. Eine anregende Lektüre, die auch in der gegenwärtigen Situation der Evangelisch-methodistischen Kirche Anregungen zum Gespräch bereithält.
Nachdenken und eine eigene Position vertreten
Lothar Schieck (1935 - 2020) bezeichnete den Dienst in der Gemeinde gern als »Ernstfall aller Theologie«. Sein theologisches Denken war immer davon bestimmt, die Theologie für die Gemeindearbeit fruchtbar werden zu lassen. Den intensiven Umgang mit dem Wort der Heiligen Schrift bezeichnete er als unverzichtbar. In einem persönlichen Schriftwechsel aus dem Jahr 2018 schrieb er: »Gewiss wird nicht alles besser, wenn wir als Einzelne und als Kirche wieder stärker biblische Theologie trieben, aber ohne sie gibt es jedenfalls wenig Hoffnung.«
Am Ende einer Predigt oder eines Aufsatzes setzte Lothar Schieck nach jedem »Amen« einen Gedankenstrich. Er selbst hat sich dazu nicht geäußert. Aber als theologischer Lehrer, der von seinem Gegenüber die Bereitschaft zum Nachdenken und die Formulierung einer eigenen Position forderte, weist der Gedankenstrich wohl auf die über Predigt und Vortrag hinausgehende Auseinandersetzung im Alltag hin. Seine Texte suchten das Gespräch und, um des Evangeliums willen, auch die Auseinandersetzung. Einige seiner Texte mischen sich dabei auch in die aktuelle Diskussion um die Einheit der Kirche ein.
»Geschenkte Gerechtigkeit« als Mitte der biblischen Botschaft
Schieck, der fast vier Jahrzehnte als Dozent für biblische Theologie wirkte, verbindet in seinen Predigten und Aufsätzen eine tiefe Freude über den zweiten Teil der Bibel mit einer respektvollen Liebe zum ersten. Dabei wird er nicht müde, die Mitte der biblischen Botschaft als »geschenkte Gerechtigkeit« durch Jesus Christus zu bezeugen. Die Themen seiner Predigten und Aufsätze sind hochaktuell. Die Aussagen sind klar und die kirchliche Situation analysiert er ungeschützt.
Beispielsweise redet er aufrüttelnd von eigener Denkmalpflege, außerordentlich viel Egoismus und Introvertiertheit, lächerlichen Streitereien, frommer Arroganz und Selbstgefälligkeit der Gläubigen und wenig Interesse an den Menschen, um es dann schmerzvoll auf den Punkt zu bringen: »Einen solchen Laden braucht die Welt nicht, davon hat sie genug.« Nach außen könne die Kirche nur dann einladend sein, »wenn ihre Hände nach innen nicht gebunden sind«. Bei aller Sorge um die konkrete Gestalt der Kirche setzt Schieck jedoch konsequent und alternativlos auf die Mut machende Kraft des Evangeliums.
Spiegel methodistischer Geschichte in der DDR
Von 1961 an prägte Lothar Schieck die theologische Ausbildung am Theologischen Seminar Bad Klosterlausnitz der EmK in der DDR bis zur Wiedervereinigung entscheidend mit. Die Treue zum Wort der Bibel war immer sein Thema. Dabei rang er stets darum, dieses Wort vor den Menschen intellektuell redlich und damit auch unter Berücksichtigung aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verantworten. Seine Predigten sind lebensnah. Die Sprache ist dicht und auch ein Spiegel dafür, wie Theologie und Verkündigung während der DDR-Zeit gelehrt und gelebt wurde.
Der Autor
Stephan Ringeis ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunkarbeit für die Ostdeutsche Konferenz der EmK. Außerdem begleitet er Gemeinden, die sich in einer Übergangssituation befinden. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit.ojk(at)emk.de.
Zur Information
Lothar Schieck, Geschenkte Gerechtigkeit. Theologische Texte für die Gemeinde, hrsg. von Stephan Ringeis im Auftrag der Evangelisch-methodistischen Kirche in Ostdeutschland. Oncken Verlag (Blessings4you GmbH), Kassel 2021. Paperback, 136 Seiten. ISBN 9783879397136, Bestellung bei Blessings 4 You GmbH