46 Jahre Auseinandersetzung Von Bischöfin i. R. Rosemarie Wenner  | 

Ein Weg in die Zukunft

»… stay in love with God« (... in der Liebe Gottes bleiben). Ein aussagekräftiges Gruppenfoto der Mitglieder der Kommission »Ein Weg in die Zukunft«
»… stay in love with God« (... in der Liebe Gottes bleiben). Ein aussagekräftiges Gruppenfoto der Mitglieder der Kommission »Ein Weg in die Zukunft«, aufgenommen während einer Kommissionssitzung im internationalen Verlagshaus der Evangelisch-methodistischen Kirche in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee.
Bildnachweis: Maidstone Mulenga
Wie findet die EmK aus der Sackgasse heraus, in die sie durch die Auseinandersetzung zum Thema Homosexualität kam. Ein Bericht zur Lage und zum Ausweg.
6 Minuten

Seit gut zwei Jahren ist die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) weltweit in einem intensiven Gesprächs- und Gebetsprozess, um eine Lösung in den strittigen Fragen zur menschlichen Sexualität zu finden. Die aktuelle Ausgabe des EmK-Magazins »Unterwegs« beschäftigt sich ausführlich mit diesem weltweit angelegten Prozess. Vor zwei Jahren befand sich die Generalkonferenz, das weltweit oberste Leitungsgremium der Evangelisch-methodistischen Kirche, in der Diskussion zur Beurteilung von Homosexualität in einer Sackgasse. Daraufhin setzte der Bischofsrat die Kommission »Ein Weg in die Zukunft« ein, die Lösungsansätze entwickeln sollte. Rosemarie Wenner, inzwischen Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche im Ruhestand, war Mitglied dieser Kommission. Sie berichtet über den zurückgelegten Weg und die jetzt zur Entscheidung vorliegenden Vorschläge.

Seit 1972 gibt es bei jeder Tagung der Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche Debatten über die Frage, wie Homosexualität aus christlicher Sicht zu betrachten ist. In jenem Jahr, gerade einmal vier Jahre nachdem sich die Vorgängerkirchen »Bischöfliche Methodistenkirche« und »Evangelische Gemeinschaft« zur Evangelisch-methodistischen Kirche zusammengeschlossen hatten, legte die mit der Erarbeitung der Sozialen Grundsätze beauftragte Kommission ihren Bericht vor. Darin stand: »Homosexuelle sind nicht weniger als Heterosexuelle Menschen von heiligem Wert, die den Dienst und die Anleitung der Kirche in ihren Kämpfen um erfülltes Leben ebenso brauchen wie die geistliche und emotionale Fürsorge einer Gemeinschaft, die versöhnende Beziehungen mit Gott, mit anderen und mit sich selbst ermöglicht. Weiterhin betonen wir, dass die Menschenrechte und die zivilen Rechte für alle Menschen zu gelten haben.«

Eine Ergänzung der Sozialen Grundsätze

In der Debatte über diese Formulierung stellte jemand den Antrag, folgenden Satz zu ergänzen: »Die Evangelisch-methodistische Kirche billigt praktizierte Homosexualität nicht und sieht diese Praxis als unvereinbar mit der christlichen Lehre an.« Dieser Antrag wurde angenommen. Seitdem diskutiert die Generalkonferenz alle vier Jahre darüber, ob diese Ergänzung zurecht in unseren Sozialen Grundsätzen steht. Die wenigen Bibelstellen, die sich explizit auf homosexuelle Praktiken beziehen, verurteilen diese zwar scharf. Viele Christen sehen sie allerdings nicht als zeitlos gültig an; sie argumentieren mit dem Liebesgebot und erinnern daran, dass Gottes Gnade allen gilt.

Inzwischen kommen etwa 40 Prozent der Delegierten zur Generalkonferenz aus Ländern in Afrika, Asien oder Südosteuropa, in denen Homosexualität verboten oder tabuisiert ist. Sie haben schon allein mit der Tatsache Mühe, dass das Thema überhaupt bei einer christlichen Konferenz verhandelt wird. In den USA und in den westeuropäischen Ländern sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften hingegen erlaubt und die Toleranz gegenüber Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Neigungen wächst in den Gesellschaften und in vielen Gemeinden. Die Debatten wurden in den letzten Jahren schärfer und unversöhnlicher; hierin spiegeln wir als Kirche auch gesellschaftliche Brüche wider, wie sie vor allem in den USA massiv zutage treten, obwohl wir gerne Gegenkultur sein möchten.

Während der Generalkonferenz 2016 befürchteten viele, dass sich die Kirche an der Frage, wie Homosexualität zu beurteilen ist, spalten würde. Da stellte jemand den Antrag, den Bischofsrat zu bitten, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Evangelisch-methodistische Kirche aus dieser Sackgasse herauskommen kann. Dieser Antrag wurde angenommen. Als Bischofsrat erarbeiteten wir buchstäblich über Nacht eine Erklärung, in der wir vorschlugen, während der Tagung keine Entscheidung in dieser Thematik zu treffen und dem Bischofsrat das Mandat zu erteilen, eine Kommission einzusetzen, die einen Weg in die Zukunft erarbeitet.

Neue Perspektiven mit Gebet und Bibelstudium

Die Möglichkeit, eine außerordentliche Generalkonferenz abzuhalten, wurde erwähnt. Nach intensivem Ringen folgte die Generalkonferenz mit knapper Mehrheit diesem Vorschlag. Im Herbst 2016 berief der Bischofsrat daraufhin die Kommission »Ein Weg in die Zukunft «. Sie wurde von Bischof Kenneth Carter, Florida, USA, Bischöfin Sandra Steiner-Ball, Virginia, USA, Kongo, geleitet. Ihr gehörten 32 Personen an, Laien, Pastoren und Bischöfinnen aus allen Kontinenten, die unterschiedliche theologische Richtungen vertraten. David Field aus Basel und ich brachten die europäische Perspektive in die Kommission ein. Neun Kommissionssitzungen fanden statt, eine davon im September 2017 in Berlin. Die Arbeit war von Gebet und Bibelstudium getragen.

Wir einigten uns in der ersten Sitzung auf einen Verhaltenskodex, der unter anderem besagte, dass wir mehr Wert darauf legen, andere zu verstehen, als selbst verstanden zu werden, dass wir einander gute Absichten unterstellen, dass wir einander in unseren unterschiedlichen Meinungen respektieren und dass wir Vertraulichkeit wahren. Trotz gegensätzlicher Positionen suchten wir gemeinsam nach Wegen für unsere Kirche, die die Einheit fördern und gleichzeitig so viel Freiheit wie möglich zulassen, um in den unterschiedlichen Kontexten in vier Kontinenten die missionarische Kraft der Kirche zu stärken. Wir erarbeiteten eine theologische Grundlegung, in der wir die ökumenische Gesinnung und die missionarische Ausrichtung der Kirche betonten und dazu aufriefen, die Überzeugungen in Demut einzubringen.

Unterschiedliche Vorschläge

Für die zukünftige Struktur der Kirche machten wir drei Vorschläge: Der Traditionalist Plan (traditioneller Ansatz) würde im Wesentlichen die jetzt gültigen Regelungen belassen, dass praktizierende Homosexuelle nicht ordiniert werden können und dass es in EmK-Gemeinden und durch Geistliche der EmK keine Trauungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften geben soll. Wer dies nicht mittragen kann, sollte einer neu zu bildenden methodistischen Kirche angehören, die mit der bestehenden affiliiert sein kann.
Nach dem Connectional Conference Plan (getrennt aber verbunden) würde die Kirche in mehrere Zweige geteilt, die sich geographisch überlappen können. Ein Zweig würde die traditionelle Haltung bewahren, ein anderer würde die volle Inklusion von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierungen ermöglichen, ein dritter würde unterschiedliche Regelungen in dieser Thematik zulassen. Die Konferenzen außerhalb der USA könnten entweder einem dieser Zweige zugehören oder einen eigenständigen Zweig bilden. Alle »Connexional Conferences« würden bei der Generalkonferenz über für alle verbindliche Lehrfragen und gemeinsame Vorhaben entscheiden.
Nach dem One Church Plan (eine Kirche) würden die ablehnenden Aussagen zu Homosexualität und die daraus folgenden ausgrenzenden Regelungen aus der weltweit geltenden Verfassung, Lehre und Ordnung gestrichen. Gleichzeitig würde eingefügt, dass niemand gezwungen werden kann, gegen sein Gewissen zu handeln. Die Entscheidung, ob Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, ordiniert werden können, wäre dann von den Kommissionen für ordinierte Dienste in den Konferenzen zu treffen, und die Frage nach gleichgeschlechtlichen Trauungen wäre von den Pastorinnen und Pastoren und den Gemeinden zu bedenken.

Der Bericht steht in den vier offiziellen Sprachen der Generalkonferenz im Internet. In der Kommission fanden sowohl der »Connectional Conference Plan« als auch der »One Church Plan« viel Unterstützung. Der Bischofsrat sprach sich mit deutlicher Mehrheit dafür aus, der Generalkonferenz die Annahme des »One Church Plan« zu empfehlen. Er sah in ihm eine Möglichkeit, Menschen mit gegensätzlichen Meinungen in der Frage, wie Homosexualität nach biblischer und kirchlicher Lehre zu beurteilen ist, in einer Kirche Raum zu geben und auch den Unterschieden in den einzelnen Ländern unserer weltweiten Kirche Rechnung zu tragen. Alle drei Vorschläge liegen nun der Generalkonferenz vor. Daneben gibt es zahlreiche weitere Anträge, zum Teil in Abänderung dieser Vorlagen, zum Teil mit ganz anderen Ansätzen.

Beten und aufeinander hören

Die Delegierten werden zuerst entscheiden müssen, welche der weiteren Anträge mit der vom Bischofsrat ausgesprochenen Einladung zur Generalkonferenz in Einklang stehen und folglich behandelt werden können. Danach werden die Delegierten darum ringen, welchen Weg die Kirche einschlagen soll. Sowohl der Kommission »Ein Weg in die Zukunft« als auch dem Bischofsrat war es wichtig, dass die Beratungen in einem geistlichen Prozess des respektvollen Hörens geschehen und nicht in einem Kampf, in dem es am Ende Gewinner und Verlierer gibt. Die Generalkonferenz wird deshalb mit einem Tag des Betens und Aufeinander Hörens beginnen.

Wie wird die Generalkonferenz entscheiden? Ich weiß es nicht. Die Zentralkonferenzen werden in jedem Fall für ihr Gebiet Anpassungen vorzunehmen haben. Ich werbe für einen Weg, der Unterschiedlichkeit erlaubt und größere Akzeptanz für Menschen, die nicht heterosexuell sind, signalisiert. Vor allem soll unser Nachdenken über den Weg in die Zukunft ins Gebet eingebettet sein, dass Gott uns für seinen Weg öffnet.

Dieser Artikel ist dem EmK-Magazin »Unterwegs« 21/2018 vom 14. Oktober 2018 entnommen.

Die Autorin

Rosemarie Wenner war von 2005 bis 2017 Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Im Ruhestand ist sie weiterhin ökumenisch und international aktiv. Kontakt über oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Weiterführende Links

Die aktuelle Nummer 21/2018 des EmK-Magazins »Unterwegs« ist kostenlos über die Zeitschriften-App »m-kiosk« erhältlich. Bitte nutzen Sie dafür folgende Zugänge:

Zur Information

Zum in diesem Beitrag angesprochenen Thema veröffentlicht emk.de mehrere Beiträge aus der aktuellen Nummer des EmK-Magazins »unterwegs«. Außerdem veröffentlicht emk.de zum in der kommenden Woche einen Video-Beitrag von Bischof Harald Rückert mit dem Thema »Beten und Fasten für die Zukunft der Kirche« mit weiteren Links zu Arbeitsmaterialien und Veröffentlichungen zum Thema.