Perspektivwechsel Von Edgar Lüken  | 

Gesicht zeigen

Ein buntes Banner mit vielen Gesichtern von Menschen aus aller Welt schmückt die EmK-Gemeinde Hamburg-International. Das alte Gebäude wird dadurch von Menschen des Stadtteils fast als Neubau wahrgenommen.
Ein buntes Banner mit vielen Gesichtern von Menschen aus aller Welt schmückt die EmK-Gemeinde Hamburg-International. Das alte Gebäude wird dadurch von Menschen des Stadtteils fast als Neubau wahrgenommen.
Bildnachweis: privat
Anderer Ort – neue Chance: Die Gemeinde Hamburg International will wahrgenommen werden und zieht aus einer Nebenstraße in einen belebten Stadtteil um.
2 Minuten

Die Perspektive zu wechseln ist ein Wagnis, ein »leap of faith« wie es im Englischen heißt, ein »Sprung des Glaubens«. Zu einem Sprung hat die Internationale Gemeinde Hamburg angesetzt, als sie vor anderthalb Jahren einen Umzug an einen neuen Standort erwog, nachdem die gemietete Kapelle in Hamburg-Altona zu klein geworden war.

In der Fremde zuhause

Seit 28 Jahren gibt es in Hamburg die »home-away-from-home church«, also die Gemeinde, die Menschen fernab ihrer Heimat ein Zuhause bieten möchte – geistlich und als Familie in der Fremde. Nur knapp die Hälfte der Gottesdienstbesucher lebt ständig hier, die andere Hälfte besteht aus Menschen, die sich nach Beendigung ihres Studiums, eines Au-Pair-Jahres oder Arbeitsvertrages wieder verabschieden müssen. Dieser ständige Wechsel hat dazu geführt, dass die Gemeinde eines gut kann: Menschen willkommen heißen und sie vom ersten Tag an zu integrieren. Bereits beim dritten Besuch im Gottesdienst beteiligen sich Menschen am Lektorendienst oder spielen schon nach wenigen Wochen in der Band mit.

Weg aus der Unsichtbarkeit

Was in all den Jahren im Hamburger Bezirk Altona nicht gelang, ist die Verwurzelung im Stadtteil. Eingemietet in einer Adventistenkirche blieb die in einer schmalen Nebenstraße gelegene Gemeinde sogar für die dortigen Nachbarn praktisch unsichtbar. Über neunzig Prozent der Erstbesucher stoßen übers Internet zur Gemeinde, wenn sie nach einer englischsprachigen Gemeinde suchen. Diese enge Perspektive wollten wir weiten. Im Februar fiel die Entscheidung, in die nur drei Kilometer entfernte Erlöserkirche in den Hamburger Bezirk Eimsbüttel zu ziehen. Selbst für die an Veränderungen gewöhnte Gemeinde war dies kein leichter Schritt. Die Aussicht, in einer belebten Straße in einem bei jungen Familien beliebten Stadtteil als englischsprachige Gemeinde sichtbar zu sein, hat die Gemeindeversammlung beflügelt, den Umzug fast einstimmig zu beschließen.

Am Ostersonntag setzte sich die »Umzugsprozession« nach einer Andacht von Altona aus in Bewegung. Die Wehmut des Abschieds war schnell verflogen, als die deutschsprachige Gemeinde der Erlöserkirche uns mit offenen Armen in Eimsbüttel empfing. In einem zweisprachigen Willkommensgottesdienst wurde der Beginn einer neuen Partnerschaft unter einem Dach gefeiert und mit einem Festmahl besiegelt. Für beide Gemeinden heißt es nun, die »Wohngemeinschaft« in dem fünfzig Jahre alten Gebäude mit neuem Leben zu füllen.

Altes Gebäude wirkt wie ein Neubau

Zunächst galt es, die im typischen »Brachialstil« der Sechzigerjahre gebaute Außenfassade in einen einladenden Blickfang zu verwandeln. Ein bunt leuchtendes Banner mit Gesichtern aus beiden Gemeinden hat Wirkung erzielt: Fußgänger bleiben stehen und machen Selfies mit der Kirche im Hintergrund. Viele hatten das rote, bunkerähnliche Gemäuer nie als Kirche wahrgenommen; manche hielten es jetzt gar für einen Neubau.

Als vielfältige Kirche in Eimsbüttel wahrgenommen zu werden, ist im Eröffnungsjahr unser Ziel als Gemeinde, in der das Anderssein das Normale ist. Was haben besonders die nicht-deutschsprachigen Menschen in Eimsbüttel davon, dass es uns jetzt hier gibt? Die Perspektive auf die Bedürfnisse der Menschen im Stadtviertel zu richten, ist eine neue Herausforderung für die internationale Gemeinde. Die Gottesdienste auf halb zehn vorverlegen zu müssen, stellte sich dabei als segensreicher Kompromiss heraus: Familien mit Kleinkindern sind auch sonntags schon früh auf den Beinen.

Dieser Artikel ist dem EmK-Magazin »unterwegs« 15/2019 vom 21. Juli 2019 entnommen.

Der Autor
Edgar Lüken ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in der englischsprachigen Gemeinde Hamburg International. Kontakt: edgar.lueken(at)emk.de

Weiterführende Links
Internetpräsenz der Gemeinde Hamburg International