Neuer Professor stellt sich vor Von Christoph Schluep, Klaus Ulrich Ruof  | 

»Kultur der Solidarität« statt »Kultur der Herrschaft«

Professor Dr. Lothar Elsner bei seiner Antrittsvorlesung an der Theologischen Hochschule Reutlingen.
Der moderne Wohlfahrtsstaat braucht neben einer vernunftgemäßen Begründung auch Vertrauen und Bilder der Hoffnung, um die soziale Ordnung der Gesellschaft zu beschreiben und zu realisieren. – Professor Dr. Lothar Elsner bei seiner offiziellen Antrittsvorlesung an der Theologischen Hochschule Reutlingen.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Wie verhalten sich christliche Diakonie und säkulare Soziale Arbeit zueinander? Das analysierte Lothar Elsner bei seiner Antrittsvorlesung an der THR.
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Seit Herbst vergangenen Jahres ist Lothar Elsner Professor für Diakoniewissenschaft im Studiengang Soziale Arbeit und Diakonie an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Der mit einer Arbeit zur Wirtschaftsethik promovierte Theologe und Pastor der EmK hielt am Montag dieser Woche, dem 25. April, vor rund vierzig Anwesenden und einer zahlreichen Internet-Zuhörerschaft seine offizielle Antrittsvorlesung.

Diakonie hatte schon immer die Gesellschaft im Blick

»Reicht Soziale Arbeit allein, oder brauchen wir auch noch Diakonie?« war die selbstkritische Frage, mit der Elsner seinen Vortrag eröffnete. Damit setzte er die Eckdaten für das »Zusammenspiel von ›Sozialer Arbeit‹ und ›Diakonie‹ für die Förderung solidarischer Gemeinschaft«. Der Diakoniewissenschaftler beleuchtete die biblisch-religiös begründete Diakonie und die religionsfreie, säkulare Soziale Arbeit nach deren Herkunft, Ansatzpunkten und ihrer jeweiligen Zielsetzung.

Die Wurzeln dessen, was heute mit dem eher neutralen Begriff »Soziale Arbeit« beschrieben werde, liegen, so der Referent, in der »umfangreichen und erfolgreichen Sozialen Arbeit der christlichen Kirchen in den ersten drei Jahrhunderten nach Christus«. Das sei »ein wesentlicher Grund des kometenhaften Aufstiegs der christlichen Kirche von einer jüdischen Sekte zur Staatsreligion des Römischen Reiches« gewesen.

Aber auch damals sei es nicht nur um individuelle christliche Nächstenliebe gegangen, sondern schon um das, was heute mit dem Begriff »solidarische Gesellschaft« bezeichnet werde. Insofern seien biblisch begründete Diakonie und sich eher wertneutral verstehende Soziale Arbeit gut beraten, in der jeweils anderen institutionellen Arbeit ergänzende oder korrigierende Aspekte zu entdecken und gemeinsam an einer solidarischen Gesellschaft mitzuwirken.

Vernunft und Bilder der Hoffnung

Auch wenn die Diakonie verständlicherweise ihre Daseinsberechtigung verteidige, müsse sie sich rationaler Kritik stellen, um nicht religiöser Ideologisierung zu erliegen. Gleichzeitig brauche der moderne Wohlfahrtsstaat neben einer vernunftgemäßen Begründung auch Vertrauen und »Bilder der Hoffnung«, um die soziale Ordnung der Gesellschaft inhaltlich zu beschreiben und sie zu realisieren.

Weil die Soziale Arbeit konsequent die »Selbständigkeit des Menschen« zum zentralen Ziel erhoben habe, tauche die entscheidende Frage nach dem Menschenbild auf. Hier könne, so Elsner, »der Erfahrungsschatz von Seelsorge und Theologie« zu einem »realistischen Bild« beitragen. Die Autonomie des Menschen sei unter biblischer Betrachtung nämlich eine »abhängige Autonomie«, in der sich anvertrauende Menschen Zuwendung und Hilfe unter »Geschwistern« erfahren. Dabei stelle sich die Frage, ob heute ein ähnlich familiärer Begriff wie »Geschwister« gefunden werden könne. Dieser verdeutliche nämlich, dass Menschen durch mehr verbunden sind als nur durch zu erfüllende Bedürfnisse, und dass Hilfe nicht mit zu verrechnenden Leistungen beschrieben werden könne.

Der Beitrag der Diakonie: dienende Leitung

Den besonderen Beitrag der Diakonie für ein solidarisches Gemeinwesen entfaltet Elsner im Schlussteil seines Vortrags. Weil Diakonie in der Nachfolge Jesu gründe, ziele sie auf eine neue Gemeinschaft. Diese wurzle in der Versöhnung Gottes und der daraus resultierenden Hoffnung. So könne sich die übliche »Kultur der Herrschaft« zu einer »Kultur der Solidarität« wandeln. Das Stichwort der »dienenden Leitung« sei darum aktueller denn je, so Elsners Schlusswort.

Die Autoren

Dr. Christoph Schluep ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Hochschule Reutlingen der Evangelisch-methodistischen Kirche. Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Theologische Hochschule Reutlingen
Die Theologische Hochschule Reutlingen (THR) ist als Einrichtung der Evangelisch-methodistischen Kirche die international ausgerichtete Studienstätte des deutschsprachigen Methodismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist eine staatlich anerkannte Hochschule und verleiht die international anerkannten Studienabschlüsse Bachelor of Arts (B.A.) und Master of Arts (M.A.) für Theologie sowie den staatlich anerkannten Master-Abschluss im Studiengang »Christliche Spiritualität« und einen staatlich anerkannten Bachelor-Abschluss im Studiengang »Soziale Arbeit und Diakonie«.
www.th-reutlingen.de