Festgottesdienst in Stuttgart Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Ökumenisches Erfolgsprojekt

Aktiv beim Zuhören, aktiv im Gottesdienst, aktiv in der Ökumene (v.l.): Dr. Gerhard Feige, Bischof Harald Rückert, Canon Christopher Jage-Bowler
Aktiv beim Zuhören, aktiv im Gottesdienst, aktiv in der Ökumene (v.l.): Dr. Gerhard Feige, Bischof des Bistums Magdeburg und Vorsitzender der Ökumenekommission der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Harald Rückert, der für Deutschland zuständige Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche, Canon Christopher Jage-Bowler, Pfarrer und Ko-Vorsitzender des Rates der Anglikanischen und Episkopalen Kirchen in Deutschland beim Gottesdienst zum 20-jährigen Jubiläum der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre in der evangelischen Stiftskirche in Stuttgart.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre ist zwanzig Jahre alt. In einem zentralen Festgottesdienst in Stuttgart wurde daran erinnert.
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Mit einem zentralen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche wurde am gestrigen Reformationstag (31. Oktober) der zwanzigste Jahrestag der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre gefeiert. Diese am 31. Oktober 1999 in Augsburg unterzeichnete Gemeinsame Erklärung ist eines der weltweit bedeutendsten Dokumente der Annäherung der Kirchen.

Aus Zwei mach Fünf

Im Gottesdienst wurde besonders die Entwicklung von einer bilateralen Einigung zwischen Lutherischem Weltbund und Römisch-katholischer Kirche zu einem multilateralen Projekt in der Ökumene gewürdigt. Inzwischen wird die Gemeinsame Erklärung von fünf Weltgemeinschaften der lutherischen, katholischen, methodistischen, reformierten und anglikanischen Konfession getragen. Im März dieses Jahres bekräftigten die Konfessionen bei einer Tagung im US-Bundesstaat Indiana in der Universität Notre Dame du Lac, die gemeinsame Arbeit auf Basis der Erklärung weiter vorantreiben zu wollen.

Gemeinsame Gottesdienste »um den 31. Oktober herum« feiern

Im Gottesdienst in Stuttgart wirkten Personen mit, die alle fünf der an der Gemeinsamen Erklärung beteiligten Konfessionen repräsentierten. Auch sie unterstrichen den Willen zur stärkeren Zusammenarbeit: Man wolle dem »gemeinsamen Zeugnis eine vermehrt sichtbare Gestalt geben« und »zusammen auf dem Weg zur sichtbaren Einheit« unterwegs sein, hieß es in der Liturgie. Um diese Einheit zu stärken, wurde vorgeschlagen, um den 31. Oktober herum verstärkt Gottesdienste zum Taufgedächtnis und der Feier der Rechtfertigung anzubieten. Damit werden Ergebnisse des internationalen Treffens in den USA aufgegriffen.

Der Traum vom Baum, unter dem die Kinder Gottes zur Mahlfeier zusammenkommen

Die Predigt hielten der Magdeburger Bischof und Vorsitzende der Ökumenekommission der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Gerhard Feige, sowie der Bischof der gastgebenden Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbunds, Frank Otfried July.

In seiner Predigt wies Bischof Feige ausdrücklich darauf hin, was die Gemeinsame Erklärung zunächst bewirkt habe: Die Christen verschiedener Konfessionen hätten erkannt, dass sie mehr verbinde als trenne. »Dazu gehört auch das neu erwachte Bewusstsein von der Gemeinschaft in der Rechtfertigungslehre. Heute können wir sagen, dass daraus sogar ein ökumenisches Erfolgsprojekt geworden ist.« Diese christliche Kernbotschaft müsse wachgehalten und immer wieder neu durchbuchstabiert und mit Leben gefüllt werden. »Wo wir dies tun, wird die sichtbare Einheit unter uns weiter gefestigt werden«, so Bischof Feige.

Landesbischof July bezog sich in seiner Predigt auf das Gleichnis vom Senfkorn. »Trotz Verboten, trotz Kopfschütteln oder Verdächtigungen« hätten sich Personen in pionierhafter Weise auf den Weg gemacht, die »den gemeinsamen Acker suchten und sich die Samenkörner zeigten«. Inzwischen sei das Miteinander der Kirchen viel selbstverständlicher, auch dank der Gemeinsamen Erklärung. »Sie lässt uns gemeinsam auf dem Feld das Senfkorn auswerfen, den Sauerteig beimischen, in einer sich wandelnden Gesellschaft vom Evangelium erzählen«, so July. Das Ziel der Ökumene sei aber immer noch, so der gastgebende Bischof weiter, dass »einstmals jener Baum wächst, in dessen Schatten Gottes geliebte Kinder in Vielfalt, aber versöhnter Verschiedenheit, zusammenkommen, um am Tisch in gemeinsamer Mahlfreude auf das rechtfertigende und gewiss machende Wort des Herrn zu hören«. Er selbst werde fortfahren, »für eine vertiefte ökumenische Zusammenarbeit zu werben und zu beten«. Das Jubiläum der Gemeinsamen Erklärung schicke alle Beteiligten neu auf den Weg.

Ökumene als Übersetzungsarbeit

Von der Evangelisch-methodistischen Kirche wirkte Bischof Harald Rückert an dem Gottesdienst mit. Pfarrer Hans-Georg Ulrichs vertrat den Reformierten Bund und Canon Christopher Jage-Bowler den Rat der Anglikanischen und Episkopalen Kirchen in Deutschland (Council of Anglican and Episcopal Churches in Germany). Sie trugen Ausschnitte aus den Beitrittserklärungen der drei Weltgemeinschaften zur Gemeinsamen Erklärung vor, die jeweils den besonderen Zugang zur Rechtfertigungslehre und der Erklärung verdeutlichten. Beim anschließenden Empfang im Stuttgarter Alten Schloss würdigte Erzpriester Radu Constantin Miron, Ökumenereferent der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, die Bedeutung der Gemeinsamen Erklärung als gemeinsame Übersetzungsarbeit der Kirchen. Dazu brauche es immer noch Dolmetscher. »Ökumene treiben als Übersetzen ist also das Gebot der Stunde, nach wie vor«, forderte Miron die zahlreichen Gäste des Empfangs auf.

Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information
Mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre hatten der Lutherische Weltbund und die Römisch-katholische Kirche 1999 erstmals offiziell einen differenzierten Konsens über die Frage der Rechtfertigung erklärt, eine Kernfrage der Reformation. Damit konnten beide Seiten feststellen, dass die jahrhundertelang wiederholten gegenseitigen Verurteilungen in dieser Frage nicht länger Gegenstand der Lehre der beteiligten Kirchen sind. Im Jahr 2006 schloss sich der Weltrat methodistischer Kirchen der Gemeinsamen Erklärung an, im Juli 2017 die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Die Anglikanische Gemeinschaft verkündete ihre inhaltliche Zustimmung am Reformationstag des gleichen Jahres.