Homosexualitätsdebatte Von Klaus Ulrich Ruof  | 

»Wir sind mit Chancen gesegnet«

Intensives Gespräch über strittige Themen – im Rahmen des Seminartages über das Buch »Zu lieben sind wir da« war auch Zeit für Gruppengespräche.
Intensives Gespräch über strittige Themen – im Rahmen des Seminartages über das Buch »Zu lieben sind wir da« war auch Zeit für Gruppengespräche.
Können schwer zu klärende strittige Fragen nur gelöst werden, indem sich Wege trennen? »Nein!« antwortet David Field. Ein Seminartag lässt hoffen.
4 Minuten

Am vergangenen Samstag, dem 17. November, trafen sich in Hannover rund 45 Interessierte zur Vorstellung des jüngst erschienenen Buches »Zu lieben sind wir da«. Der Buchautor, David N. Field, sowie Rosemarie Wenner, die im Ruhestand lebende zuvor für Deutschland zuständige Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), und der Leiter des EmK-Bildungswerks, Wilfried Röcker, gestalteten zusammen einen Studientag, der das Thema des Buches zum Anlass hatte. Darin geht es um die Herausforderung, wie eine Gemeinschaft in konfliktreichen Situationen trotzdem Einheit und Miteinander bewahren können. Anlass dafür, aber nicht das Hauptthema des Buches, ist die Auseinandersetzung in der Evangelisch-methodistische Kirche zu den Fragen um Homosexualität, den Umgang mit homosexuell lebenden Menschen sowie Fragen der Segnung homosexueller Partnerschaften oder die Ordination von Homosexuellen für den pastoralen Dienst.

Nicht ein Problem lösen, sondern die Kirche erneuern

»Wir brauchen eine neue Vision für das Leben und die Mission der Kirche«, erklärte der in Basel lebende Autor David N. Field zum Auftakt seines Vortrags die eigentliche Zielsetzung seines Buches. Der Anlass liege zwar in der seit Jahren schwelenden innerkirchlichen Auseinandersetzung um die Fragen der Homosexualität, aber die Lösung dieser Frage liege auf einer anderen Ebene. Deshalb habe die mit dieser Frage befasste internationale EmK-Kommission »Ein Weg in die Zukunft« den Auftrag bekommen »nicht, ein Problem zu lösen, sondern die Kirche zu erneuern«. Für diese große Aufgabe, so ist der Autor überzeugt, könne nur Liebe die Lösung sein. Keiner würde je auf die Idee kommen, zu seiner Frau zu sagen »Ich liebe dich, aber ich will nicht mit ihr zusammen sein«. Deshalb könne in strittigen Fragen innerhalb der Kirche auch nicht ernstgenommen werden, wenn Menschen sagten »Ich liebe meinen Bruder und meine Schwester, aber ich will nicht mit ihnen zusammen sein«. Die Einheit der Kirche auch in strittigen Fragen zu wahren, sei ein unaufgebbarer Anspruch an die Kirche. In ihr werde zwar viel über Liebe geredet, aber oft mangele es gerade daran. Der in Südafrika aufgewachsene Theologe lud seine Zuhörerschaft dazu ein, »Vielfalt, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte innerhalb unserer Gemeinschaft aus dem Blickwinkel der verwandelnden Liebe Gottes anzugehen«. Wer diesen Blickwinkel einnehme, werde beim »Streben nach Einheit Meinungsverschiedenheiten nicht ignorieren, sondern als Chance behandeln«.

Neue Denkhorizonte eröffnen

Der Leiter des EmK-Bildungswerks, Wilfried Röcker, griff die Frage auf, wie es trotz der Unterschiedlichkeit gelingen könne, miteinander Kirche zu sein. In einem vier Dimensionen beschreibenden Vortrag stellte er dar, wie Gemeinden und Kirche lernen könnte, miteinander zu wachsen und darin die Einheit zu bewahren. Dabei sei wichtig, miteinander zu lernen, statt sich gegenseitig zu belehren. Außerdem gehe es darum, sogenannte »Wir-Erfahrungen« zu ermöglichen, die über einzelne Gemeinsamkeiten bestimmter Gruppen hinausgingen. Wenn Gemeinde gelingen wolle, dürften nicht verschiedene Personen oder Gruppen aus den verbindenden »Wir-Erfahrungen« ausgegrenzt werden. Mit der dritten Dimension kam Röcker auf menschliche Verhaltensweisen zu sprechen, die nüchtern und kritisch zu bedenken seien. Dazu gehörten beispielsweise Vorurteile und Voreingenommenheit, die prägend seien und einer aufrichtigen Gemeinschaft im Wege stünden. Die vierte und letzte Dimension beschrieb Röcker als Einladung »neue Denkhorizonte zu eröffnen«. Dabei gehe es, so Röcker, um die Frage, »was unser Leben wachsen und gedeihen lässt«. Hierfür müssten auch bisherige Bilder und Festlegungen in Frage gestellt werden dürfen. Das sei zwar schwierig, aber »unser Gehirn liebt es, Probleme zu lösen, und zwar am liebsten nicht allein, sondern zusammen mit anderen«.

Ein Herz des Friedens

In der abschließenden Talk-Runde stellten sich Bischöfin Rosemarie Wenner und der Autor David Field den Fragen von Wilfried Röcker. Es ging dabei um die Erfahrungen, die die beiden als Mitglieder der Kommission »Ein Weg in die Zukunft« gemacht hatten. Wie die 32 Personen umfassende Kommission mit den sehr unterschiedlichen Überzeugungen untereinander umgegangen sei, war eine der Fragen. »Wir haben zum Auftakt einen Bund miteinander geschlossen«, erklärte Bischöfin Wenner. »Wie gehen wir miteinander um?« sei dabei die Leitfrage gewesen. »Im Laufe der Zeit sind sogar Freundschaften zwischen Personen entstanden, die gegensätzlicher Meinung waren«, beschrieb Field die Auswirkungen der gegenseitigen Verpflichtung und des gemeinsamen Ringens. Ein Teil der Verpflichtung war den Teilnehmern zum Auftakt des Seminartags in Kartenform als »Leitfaden für Gespräche« ausgehändigt worden. Die dort formulierten Vereinbarungen könnten bei Auseinandersetzungen zu strittigen Fragen Anleitung geben, wie trotz unterschiedlicher Meinungen ein Umgang in gegenseitigem Respekt und mit dem aufrichtigen Wunsch, die Einheit zu bewahren, möglich sei. Den beiden Kommissionsmitgliedern war abzuspüren, wie ermutigend die Erfahrungen in der Kommissionsarbeit für sie waren. Mit vorsichtigem Optimismus blickten sie deshalb auch auf die im Februar kommenden Jahres stattfindende außerordentliche Generalkonferenz. Wenn sich die Delegierten dort dafür gewinnen ließen, »den anderen nicht die Welt erklären zu wollen und nicht über Recht und Unrecht entscheiden zu müssen«, könne das die missionarische Präsenz der Evangelisch-methodistischen Kirche in der Welt stärken, ist Bischöfin Wenner vorsichtig zuversichtlich. Voraussetzung dafür sei ein »Herz des Friedens« und eine Überzeugung, wie sie der Field’sche Buchtitel formuliert: »Zu lieben sind wir da«. Dass der Tag vorsichtige Früchte erkennen ließ, brachte die Äußerung eines Berliner Teilnehmers zum Ausdruck. In Richtung des Buchautors sprach er von den starken Spannungen in seiner Gemeinde in neuer Formulierung: »Wir sind in unserer Gemeinde, wie Sie es ja sagen, mit Chancen reich gesegnet«.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Weiterführende Links

Gesprächsleitfaden
Kurztext zum Vortrag von Wilfried Röcker
Vortrag von Wilfried Röcker (PDF)

Zur Information

Bibliographie: David N. Field »Zu lieben sind wir da. Der methodistische Weg, Kirche zu sein« (Paperback, 248 Seiten, ISBN 9783374058570, 15,00 Euro)
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Der nächste Einführungstag findet in Stuttgart statt:
Samstag, 12. Januar 2019, 10 Uhr bis 16 Uhr
EmK-Hoffnungskirche, Silberburgstr. 134, 70176 Stuttgart