Suchtkrankenhilfe in der Pandemie Von Stephan Ringeis  | 

Des stärksten Mittels beraubt

Zwei der drei Einrichtungen für Suchtkrankenhilfe in der Ostdeutschen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche: »Come back« im ostsächsischen Zittau (links) und die »Fachklinik Klosterwald« im ostthüringischen Bad Klosterlausnitz.
Zwei der drei Einrichtungen für Suchtkrankenhilfe in der Ostdeutschen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche: »Come back« im ostsächsischen Zittau (links) und die »Fachklinik Klosterwald« im ostthüringischen Bad Klosterlausnitz.
Bildnachweis: Come back e.V.; Fachklinik Klosterwald gGmbH
Während der Corona-Pandemie werden einige Bereiche des Gesundheitswesens aus dem Blick verloren – beispielsweise die Suchtkrankenhilfe.
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Die Suchtkrankenhilfe hat im Bereich der Ostdeutschen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) eine lange Tradition. Gleich drei Einrichtungen in Zittau, im äußersten Osten Sachsens, im südsächsischen Crottendorf und im ostthüringischen Bad Klosterlausnitz stehen beispielhaft für diesen Dienst am Menschen. Unter der aktuellen Corona-Pandemie haben diese Einrichtungen einen schweren Stand. Krankenhäuser seien berechtigterweise Thema und Ziel unterschiedlichster staatlicher Hilfen. Allerdings würden dabei andere Bereiche des Gesundheitswesens unter den Corona-Bedingungen noch stärker an den Rand gedrängt. Das zeigt der Einblick in die Arbeit der Einrichtungen von »Come back« in Zittau, der Suchtkrankenhilfe Crottendorf »Kommt …« und der »Fachklinik Klosterwald« in Bad Klosterlausnitz.

Bad Klosterlausnitz

»Die Zugangswege zu einer Therapie sind im Lockdown erheblich gestört«, erklärt der Theologische Geschäftsführer der Fachklinik Klosterwald, Eric Söllner. Beratungsstellen müssten schließen oder stellten auf Telefonberatung um, Selbsthilfegruppen könnten sich nicht treffen und Entgiftungsstationen seien zu Corona-Stationen umgewidmet worden. »Insgesamt gibt es eine Ungleichbehandlung von Reha-Einrichtungen wie unserer Fachklinik gegenüber den Akutkrankenhäusern«, beschreibt Söllner die Folgen für therapeutische Einrichtungen. Er blickt auf herausfordernde Monate zurück und hofft zugleich, dass die derzeitige Krise am Ende auch das Ansehen der Reha-Einrichtungen stärkt.

Trotz staatlich und behördlich geregelter Einschränkungen habe es keine spezifisch für Fachkliniken der Suchtkrankenhilfe ausgestellten Anordnungen oder Kostenübernahmeregelungen gegeben. »Inzwischen gibt es eine Regelung, die aber erst bei einer Belegung von unter 75 Prozent greift. Wirtschaftlich arbeitet die Fachklinik aber erst ab 85 Prozent Belegung. Und selbst das ist mehr als herausfordernd«, unterstreicht Verena Stockfisch, Kaufmännische Geschäftsführerin der Fachklinik. Erschwerend käme hinzu, dass sich suchtkranke Menschen in einer unsicheren Situation schwerer tun, sich auf eine Langzeittherapie einzulassen. Therapien würden aufgeschoben oder eher beendet. Die Leistungsträger hätten schon zu Beginn der Pandemie darauf hingewiesen, im Falle von Infektionen in Einrichtungen die Therapie als beendet anzusehen und empfahlen dringend, Neuaufnahmen zu stoppen. Davor blieb die Fachklinik ebenso bewahrt wie die Zittauer Einrichtung »Come back«.

Zittau

Torsten-Michael Ufer, Vorstand von »Come back«, ist dankbar, dass die Einrichtung bisher vor dem Virus bewahrt blieb und das Hygienekonzept greife. Die Bewohner, rund hundert Männer, die außerhalb eines geschützten Lebensraums keine Abstinenzfähigkeit mehr aufbauen könnten und deren Erwerbsfähigkeit durch die Suchterkrankung eingeschränkt ist, seien gesundheitlich mehrfach geschädigt. Besonders für die Gruppe der Älteren wäre, so Ufer, ein Infektionsgeschehen lebensgefährlich. Zugleich verstehe er die Pandemie aber auch als Impuls: »Ich hoffe, dass die Krise für uns als Mitarbeiterschaft und Bewohnerschaft als Chance gesehen wird, wieder mehr an einem Strang zu ziehen und Wesentliches in der Therapie wieder mehr in den Blick zu bekommen.«

Das Fehlen der sozialen Kontakte und damit des Aufbaus einer therapeutischen Beziehung, Absagen oder zu lange Wartezeiten für stationäre Behandlungen sowie quarantänebedingte Verzögerungen bei den Abläufen der Hilfen zählt Frances Zimmermann, Leiterin der Suchtberatungsstelle von »Come back« als Herausforderungen auf. Hausbesuche und therapeutische Gruppenangebote seien nur sehr eingeschränkt oder oft gar nicht möglich. Die Beratung von Familien sei erschwert, wenn Kitas und Schulen geschlossen seien. »Isolation und Einsamkeit führen zu erhöhter Rückfallgefahr und verstärktem Suchtverhalten«, so Zimmermann. Für das neue Jahr äußert sie den Wunsch, dass bald wieder normale Behandlungsmöglichkeiten in der ambulanten und stationären Arbeit Einzug halten.

Für das Personal sei die Situation eine ganz besondere Herausforderung. So wünscht sich der Heimleiter Torsten Rolle auch weiterhin die »Berücksichtigung der enormen psychischen Belastungen für das Personal unter den Bedingungen der Pandemie« zum Beispiel durch eine staatliche Corona-Prämie auch für die Einrichtungen behinderter Menschen. Wie überall in der Gesellschaft sei von Mitarbeitenden in dieser Zeit viel Phantasie gefordert, obwohl sie auch schon im eigenen familiären Bereich viel neu und anders organisieren müssten.

Crottendorf

In den sieben Selbsthilfegruppen der Suchtkrankenhilfe Crottendorf in der Erzgebirgsregion entfallen während des Lockdowns alle Begegnungen in den sonst üblichen Gruppenstunden. Damit sei die Begleitung dieser Menschen ihres stärksten Mittels beraubt. »Es ist eine gewisse Angst vor einem Rückfall zu spüren, welche durch Corona jetzt noch größer ist als zuvor«, schildert Roland Fritzsch, der Ansprechpartner der Crottendorfer Initiative, die schwierige Situation. Hausbesuche sowie persönliche Kontakte und Gespräche seien nicht möglich. »Gerade für Menschen, welche den Weg neu zu uns gefunden haben, ist das sehr wichtig«, so Fritzsch. »Hier ist das Telefon ein wichtiges Instrument für uns. In unserer Zielgruppe können leider viele nicht mit den neuen Medien umgehen oder es fehlen einfach die Möglichkeiten.«

Fritzsch und die anderen Mitarbeitenden sehnen sich danach, die Arbeit wieder ordentlich aufnehmen zu können. In Bezug auf das neue Jahr äußert Fritzsch den Wunsch, »dass der Gedanke der Suchtkrankenhilfe stärker und intensiver in unsere Kirche und unseren Gemeinden hineingetragen wird«. Sucht mache auch vor Christen und der Kirche nicht halt. »Ich wünsche mir, dass wir junge Menschen erreichen, dass wir präventiv tätig werden«. Dazu sei auch das Miteinander mit dem Kinder-und Jugendwerk der Kirche wichtig.

Ein gemeinsamer Wunsch

Die Einrichtungen in Zittau, Bad Klosterlausnitz und Crottendorf verbindet der Wunsch, dass dieser Dienst am Menschen in Zukunft stärkere Akzeptanz und ein höheres Ansehen in Gesellschaft und Politik erfährt. Dies müsse sich auch in den gezahlten Tagessätzen für die Therapie, den Ausgleichszahlungen für den Mehraufwand während der Pandemie, der Entwicklung einer Teststrategie für Reha-Einrichtungen und der angemessenen Berücksichtigung bei den Schutzimpfungen niederschlagen.

Der Autor
Stephan Ringeis ist Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunkarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche für die Ostdeutsche Konferenz. Kontakt: stephan.ringeis(at)emk.de.

Weiterführende Links
come back e.V.
Kommt… Suchtkrankenhilfe Crottendorf
Fachklinik Klosterwald gGmbH