Süddeutsche Jährliche Konferenz Von Klaus Ulrich Ruof  | 

»Gott weiß einen Weg für uns«

Der Gottesdienstraum diente als Übertragungszentrum der digital durchgeführten außerordentlichen Süddeutschen Jährlichen Konferenz.
Die evangelisch-methodistische Hoffnungskirche in Stuttgart. Der Gottesdienstraum diente als Übertragungszentrum der digital durchgeführten außerordentlichen Süddeutschen Jährlichen Konferenz.
Bildnachweis: Tobias Beißwenger
»Veränderung« ist das Stichwort für die Evangelisch-methodistische Kirche im Süden Deutschlands. Trotz großer Anstrengungen überwiegt die Zuversicht.
7 Minuten

Die Süddeutsche Jährliche Konferenz, das für Süddeutschland zuständige Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), traf sich zu einer weiteren außerordentlichen Tagung. Am gestrigen Samstag, dem 4. März, fand die per Internet aus der evangelisch-methodistischen Hoffnungskirche in Stuttgart übertragene Tagung statt. Einziger Tagungsordnungspunkt war die Weiterführung des im zurückliegenden Dezember beschlossenen Reformprozesses unter dem Motto »Change – Kirche anders denken«.

Atem schöpfen und sich neu ausrichten

»Wir haben viel zu tun, Neues zu ermöglichen, aber wer wirklich Neues schafft, sind nicht wir«, sagte Harald Rückert zum Auftakt des Konferenztags. Weiter sagte der für Deutschland zuständige Bischof der EmK: »Gott schafft Neues – unter uns, in unserer Kirche, mit uns. Er hat schon immer seine Kirche erneuert, und er hat es auch mit uns als Kirche, als Süddeutsche Konferenz vor.« Damit setzte der Bischof den Ton zum Auftakt der Tagung, in der es um die Weiterführung von Reformprozessen geht. Nötig sind diese, weil in den kommenden Jahren viele der ordinierten Hauptamtlichen in den Ruhestand gehen. Darüber hinaus werden viele Gemeinden kleiner und die finanzielle Situation der Gemeinden und der Kirche birgt viele Herausforderungen. Diese Realität brauche Einsatz und Neuausrichtung auf vielen Ebenen, so der Bischof. Es sei aber nötig, »Atem zu schöpfen, um sich neu auszurichten, damit der Weg, der vor uns liegt und noch ganz schön lang werden kann, auch bewältigbar wird für uns.«

Etappenweise zum Ziel

Die beiden Sprecher des Reformprozesses berichteten von der ersten gut zweimonatigen Arbeitsphase, in der sich die acht Arbeitsgruppen ihren jeweiligen Themenschwerpunkten widmeten. »Wir haben begonnen, die Kirche neu zu denken und teilweise auch schon neu zu organisieren«, sagte der für den Distrikt Heidelberg zuständige Superintendent Stefan Kettner. In den acht Themenbereichen »Inhaltliche Ausrichtung«, »Angebote«, »Ehrenamt«, »Standortentwicklung«, »Strukturen und Prozesse«, »Hauptamtliche Dienste« sowie »Finanzen« und »Kommunikation« sei einiges in Gang gekommen. Es werde dabei »Rückschläge, Fehlversuche, Stimmungstäler und Widerstände« geben. Aber auch das seien »Zeichen, dass etwas passiert«, so Kettner.

Der für den Distrikt Reutlingen zuständige Superintendent Tobias Beißwenger bediente sich bei einem Bild aus dem Sport. Als ambitionierter Rennradfahrer sei er es gewohnt, »in Etappen zu denken«. Die an manchen Stellen spürbare Aufbruchstimmung, aber auch die wahrnehmbaren Ängste vor vielen Veränderungen brauche eine sorgsame Vorgehensweise. Deshalb forderte Beißwenger dazu auf, »den Veränderungsprozess Stück für Stück anzugehen«. Nur so sei es möglich, die Motivation zu erhalten und Sorgen zu überwinden.

»Wir begannen mit dem, was uns guttut«

An zwei konkreten Beispielen wurden erste Ergebnisse vorgestellt. Christoph Klaiber, Pastor im Raum Reutlingen, berichtete davon, wie sich in Reutlingen und Umgebung mehrere Gemeinden auf den Weg machten, um einen sogenannten »Großbezirk« unter dem neuen Namen »Achalm« zu bilden. Zwei Reutlinger Gemeindebezirke sowie der Gemeindebezirk Pfullingen seien schon seit Anfang 2022 auf dem Weg zueinander. Gemeinsam hätten sie mit 500 Kirchengliedern und einer Gesamtzahl von rund 1.350 Personen eine Größe für eine motivierende und anziehende Arbeit.

Klaiber wies darauf hin, dass der Anfang der Überlegungen nicht mit der Frage kombiniert war: »Was müssen wir abbauen?« Es sei auch nicht um Strukturen oder ums Sparen gegangen. »Wir begannen mit Schönem, mit dem, was uns guttut und mit Formaten, wo wir gemeinsam Gottes Güte und Gegenwart erleben können«, erzählte Klaiber. Die Menschen hätten gespürt, dass es nicht um einen Abbauprozess gehe, sondern wie es gemeinsam besser möglich sei, den Glauben zu leben und den Auftrag in Reutlingen und Umgebung auszuüben. Zwischenzeitlich seien sogar die Strukturen so geordnet, dass im Juni die formale Bildung des neu geordneten Gemeindebezirks erfolgen könne.

Schwieriger sei es noch, die Rhythmen, die Anzahl und die Orte von gottesdienstlichen Veranstaltungen festzulegen. Dass die Veränderung vor allem auch ein Aufbruch sein soll, um Menschen neu in den Blick zu bekommen und neue missionarische und diakonische sowie zukunftsweisende Möglichkeiten umzusetzen, sei momentan noch die größte Herausforderung. »Das ist weniger gut machbar und nicht durch schöne Organigramme zu lösen«, so Klaiber. »Da hat der Heilige Geist eine Menge zu tun«, dem aber häufig das Beharrungsvermögen und der Kleinglaube im Wege stünden. Klaiber ist zuversichtlich, »dass wir als Region Achalm von Gottes Geist auf gute Wege geführt werden und Neues entdecken und aufbrechen können«.

Freiräume für die eigentliche Aufgabe als Pastor

Andreas Jahreiß, Pastor für den Bezirk Nürnberg-Pauluskirche, berichtete über die Bildung eines multiprofessionellen Teams für die Arbeit im Gemeindebezirk. Statt mehrerer Hauptamtlicher mit pastoraler Ausbildung setzt sich dabei das Team aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen. Die Nürnberger Paulusgemeinde hatte bis vor kurzem drei Pastoren. Durch Ruhestand und Versetzung sah sich Jahreiß plötzlich mit der Situation konfrontiert, dass keine erneute pastorale Dienstzuweisung erfolgen konnte. Die Lösung, so Jahreiß, fand sich darin, dass ein Geschäftsführer für die Verwaltungsarbeit der Gemeinde und von 22 Mietwohnungen angestellt wurde sowie eine Referentin für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Die Entlastung im Verwaltungsbereich sei wahrnehmbar gewesen. Sie schaffe ihm inzwischen Freiräume für seine eigentlichen pastoralen Aufgaben. Dafür seien »viele Lernprozesse« nötig gewesen, sowohl für ihn als Pastor als auch für die Gemeinde und für den Geschäftsführer, der erst lernen musste, »dass Kirche häufig anders funktioniert« als Verwaltung und Geschäftsabläufe andernorts. Inzwischen gehen die Überlegungen noch weiter, indem über den Gemeindebezirk Nürnberg-Pauluskirche hinaus an eine Zusammenarbeit im Raum Nürnberg und Fürth nachgedacht werde.

Beschluss: Bildung von Großbezirken

Diese Erfahrungen dienten als gelungene Beispiele für die darauffolgende Beschlussfassung. Mit überwältigender Mehrheit sprachen sich die Konferenzmitglieder dafür aus, »einen Prozess zur Bildung größerer Bezirkseinheiten« in Gang zu setzen. Bis Ende Mai sollen alle Bezirke über ihre Beratungen und Kontakte mit anderen Gemeinden und Bezirken berichten, wie eine mögliche Zusammenarbeit in regionalen Verbünden aussehen könnte.

Malin Schornik aus Karlsruhe und Gottfried Liese, Pastor im Bezirk Rutesheim, die an der Entwicklung dieses Beschlusses mitwirkten, freuen sich, »dass wir uns als Süddeutsche Konferenz auf den Weg machen, größere Bezirkseinheiten zu entwickeln«. Es sei noch nicht absehbar, wie das in den einzelnen Bezirken und Regionen konkret aussehen werde. Darum wünschen sie sich »Offenheit und Vertrauen, über den eigenen Tellerrand zu schauen«.

Arbeitsgruppen mit vielen Impulsen

Berichte aus weiteren Arbeitsbereichen dokumentierten den jeweiligen Stand der Entwicklung. Bereits von vielen Gemeinden wird die für den Veränderungsprozess entwickelte 40-Tage-Aktion »Kurswechsel« umgesetzt. Bei diesem Angebot solle in vierzig Tagen gemeinsam überlegt werden, »wie Veränderung gelingen kann«. Aufbrüche aus unterschiedlichen Bereichen und von unterschiedlichen Menschen zeigen, dass es sich lohnt aufzubrechen. »Mit der 40-Tage-Aktion wollen wir die Möglichkeit bieten, mitzudenken, Ideen zu teilen und gemeinsam Kirche zu gestalten«, schreiben die Initiatoren dieses Angebots, das zunächst für die vierzigtägige Passionszeit entwickelt wurde. Die Materialien werden aber über diesen Zeitraum hinaus zur Verfügung stehen.

Die Arbeitsgruppe, die sich mit konkreten Ideen und Angeboten für Gemeindeaktionen beschäftigt, wird im Mai ein Internetangebot freischalten, in dem unter dem Motto »1.000 verrückte Ideen« Anregungen zu finden sein werden, aus denen sich Gemeinden für ihre jeweilige eigene Arbeit inspirieren lassen können. Bereits zugänglich ist die Sammlung »Alternative Gottesdienstformate«, die umfangreiches Material bietet, um verschiedenste Weisen auszuprobieren, Gottesdienst zu feiern.

Mit dem Ehrenamt beschäftigt sich eine weitere Arbeitsgruppe. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, einen »Werkzeugkoffer« zu erstellen, in dem »die besten Ideen, die besten Erfolgsrezepte« präsentiert werden, wie ehrenamtliche Arbeit gut gelingen kann. Dabei geht es auch um Ideen zur Gewinnung von Ehrenamtlichen für die Mitarbeit in den Gemeinden. Um möglichst viele Anregungen aus der Praxis mit gelungenen Ideen und Beispielen aufzunehmen, bittet die Arbeitsgruppe um Mitwirkung bei der »Ehrenamts-Umfrage 2023«.

»Wir üben uns im Gottvertrauen«

In mehreren vom Bischof durchgeführten »Blitzlichtrunden« war erkennbar, dass der Veränderungsprozess eine große Anforderung für alle Mitwirkenden und die Gemeinden darstellt. Trotzdem überwog die Zuversicht. »Wenn die Kirche diesen Schätzen Raum gibt, wird sie wachsen«, sagte eine Teilnehmerin mit Blick auf die Vielfalt der inzwischen erkennbaren Gaben und der vielfältigen Beiträge. Jemand anderes sagte: »Ich bin begeistert von Gott und motiviert von diesem Konferenztag.« Die Frage kam auf, wie für diesen Veränderungsprozess eine Gebetsbewegung begonnen werden kann, um zu unterstützen, »dass unsere Kirche wieder in Bewegung kommen kann und wieder zur Bewegung wird«.

Kritik machte sich vor allem an den Stichwörtern »Druck und Stress« oder »Aktionismus« fest. Die zuversichtliche Freude jedoch überwog, auch wenn sich die Angst dazugeselle. »Hoffnung haben und Angst haben – beides gehört zusammen«, sagte eine Person in ihrem Resümee, und weiter: »Wir sind unterwegs, ohne zu wissen, wo es hingeht. Dabei üben wir uns im Gottvertrauen.«

»Lasst uns aufbrechen!«, rief Christine Flick am Schluss der digitalen Tagung den Konferenzmitgliedern zu. Es gebe zwar viele Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, aber es gebe jetzt noch viele Möglichkeiten, zu agieren und Weichen zu stellen. Es gehe darum, »neue Wege zu finden und auf die Menschen unserer Zeit und in unserem Umfeld zuzugehen, und neu aufzubrechen«. Die Konferenzlaienführerin aus Nürtingen betonte dabei: »Es ist nicht unsere Kirche, an der wir bauen, es ist Gottes Kirche, und er weiß immer einen Weg für uns. Also lasst uns darauf vertrauen, lasst uns aufbrechen!«

 

Weiterführende Links

Internetauftritt »Change – Kirche gemeinsam gestalten«
40-Tage-Aktion »Kurswechsel«
Materialien für alternative Gottesdienstangebote
Umfrage Ehrenamt
Internetauftritt der Süddeutschen Jährlichen Konferenz

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Die Süddeutsche Jährliche Konferenz ist ein Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie Teile Nordrhein-Westfalens. Sie gliedert sich in die vier Distrikte Heidelberg (Superintendent Stefan Kettner), Nürnberg (Superintendent Markus Jung), Reutlingen (Superintendent Tobias Beißwenger) und Stuttgart (Superintendentin Dorothea Lorenz). Das Kirchenparlament hat rund 450 Mitglieder. Es ist verantwortlich für die Arbeit von 221 Gemeinden mit 25.915 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen (Stand 31.12.2021). www.emk-sjk.de