Ökumenischer Kirchentag Von Michael Putzke, Klaus Ulrich Ruof  | 

»Jage nach einem guten Leben für alle«

Mareike Bloedt, Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirche, im Abschlussgottesdienst des dritten Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am Main.
»Gott legt seinen Arm der Gerechtigkeit um euch und mich.« – Mareike Bloedt, Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirche, im Abschlussgottesdienst des dritten Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am Main.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Mit Nieselregen und einem großen Thema endete der Ökumenische Kirchentag. Es ging um Gerechtigkeit – »ein großes Wort«, wie eine der Predigerinnen sagte.
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Das Pflaster am Mainufer in Frankfurt war vom Nieselregen nass, als der Gottesdienst zum Abschluss des dritten Ökumenischen Kirchentags unter dem Motto »Schaut her – blickt durch – geht los« begann. Die Lektorin Simone Dorenburg rief Worte des Propheten Jesaja aus dem Führerhaus eines alten Verladekrans am Main-Ufer der Gemeinde zu: »Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt und die ihr den Herrn sucht« (Jesaja 51,1).

Bei Gott Gerechtigkeit finden

»Gerechtigkeit – ein großes Wort«, so eröffnet Mareike Bloedt die Dialogpredigt zur Aufforderung des Propheten, die Gerechtigkeit bei Gott zu suchen. In Gesprächen mit Freunden und in der Familie sei ihr aufgefallen, dass sie selbst Gerechtigkeit vor allem mit Bildern des Unrechts beschreibe. Sie finde es ungerecht, dass persönliche Kontakte beschränkt werden, während große Wirtschaftsunternehmen weitgehend geschont würden, erklärt die Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) aus dem in der Nähe von Stuttgart gelegenen Leinfelden-Echterdingen. Deshalb, so Bloedt weiter, stelle sich die Frage: »Ist Gerechtigkeit einfach die Abwesenheit von Unrecht?« Mit dem Verweis auf den Propheten Jesaja gibt sie eine Antwort. Der sagte seinem Volk: »Bei Gott findest du Gerechtigkeit«. Mitten in der Krise hält er zu seinem Volk und geht mit. So beginne im Schauen auf Gott der Impuls, es anders zu machen. »Mich ermutigt das, selbst aktiv zu werden«, sagt Bloedt. »Gott zu suchen und auf ihn zu schauen. Denn jage ich der Gerechtigkeit nach, jage ich nach einem guten Leben für alle.«

Neues in die Welt bringen

Diesen Gedanken nimmt Katharina Ganz in ihrem Predigtteil auf. Mit dem von Jesaja erwähnten Beispiel von Abraham und Sara, denen in hohem Alter noch ein Kind geschenkt wurde, betont die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen: »Gott macht Unmögliches möglich«. Das gelte auch heute noch: »Das Geborenwerden ist nicht abgeschlossen. Es geht weiter.« Es geht um die Aufgabe, »Neues in die Welt« zu bringen. »Wir alle können Neues hervorbringen«, motiviert Ganz die Gottesdienstgemeinde. Dabei regt die Oberin an, sich für andere einzusetzen. Auch gegenwärtige Diskussionen spricht Ganz an, indem sie fordert, die Überlebenden sexueller Gewalt in die Mitte zu stellen und Frauen den Zugang zu allen Diensten und Ämtern zu ermöglichen. »Als Christinnen und Christen glauben wir an Gottes Gerechtigkeit. Wir glauben, dass Gott neues Leben schenkt. Zum guten Leben aller beizutragen, ist der Auftrag unserer Kirchen«, bekräftigt Ganz – auch wenn das nicht einfach sein werde: »Ohne Wehen und Schmerzen wird es nicht gehen. Aber das Leben besiegt den Tod. Daran glaube ich.«

Gerechtigkeit blüht

Im dritten Teil der Predigt steht das Zukunftsbild des Gartens im Mittelpunkt. Der Prophet sieht in den Trümmern der Heimat einen prachtvollen Gottesgarten wachsen. Noch ist das Land verödet, aber das Versprechen Gottes steht. »Dieses Bild spricht mir aus dem Herzen«, verrät die EmK-Pastorin. Sie sei jedes Jahr aufs Neue davon fasziniert, »wie aus meinem brachliegenden Garten Neues erwächst und aufblüht«. Dann spielt sie auf das erhoffte Ende der Pandemie an: »Ich bin gespannt, welche neuen Dinge dann aus den Trümmern der Krise entstehen werden.« Sie nennt als einen Punkt das Verhalten der verschiedenen Generationen in der Krise: Die Jugend sei solidarisch mit den alten Menschen gewesen. Nun hätten diese die Chance, sich angesichts der Klimakrise mit der Jugend solidarisch zu zeigen, betont Bloedt: »Lasst uns diese Chancen nutzen«. Woher die Kraft dazu komme? »Gott legt seinen Arm der Gerechtigkeit um euch und mich«, sagt Bloedt und schließt: »Schau hin – geh los – jage nach einem guten Leben für alle!«

Dialogbibelarbeit am Samstag: Im Zentrum steht die Rettung, nicht das Gericht

Ein ähnlich weitreichendes Thema wie beim Abschlussgottesdienst hatte am Vortag die Dialogbibelarbeit zwischen der orthodoxen Theologin und Linguistin Katerina Karkala-Zorba und Harald Rückert. Sie legten die Sintflut-Geschichte (1. Mose 6,12-22) aus. In dieser Erzählung gehe es in nur zwei Versen ums Gericht, erklärt der für Deutschland zuständige Bischofder Evangelisch-methodistischen Kirche. Wie sich Noah vor der Katastrophe retten könne, werde in sieben Versen ausgebreitet. Hier werde der »unbeirrbare Wille« Gottes zur Rettung deutlich, erklärt Rückert. Mit »unendlicher Fürsorge« erkläre Gott, was dafür nötig sei. Deshalb erhalte Noah einen detaillierten Plan zum Bau der Arche. So stehe nicht das Grauen, sondern Gottes Plan zur Rettung im Zentrum der Flutgeschichte.

Nicht fertig, nicht fehlerlos – aber unterwegs mit Gott

Rückerts Dialogpartnerin Katerina Karkala-Zorba erläuterte daraufhin, dass Noah diesen Anweisungen zum Bau der Arche trauen sollte. So musste Noah den Raum, in dem das Leben geschützt bleibt, selbst schaffen. Ganz in diesem Sinne gehe es der Orthodoxie darum, den Anweisungen Gottes zu folgen. Auf diesen Zusammenhang der rechten Lehre, der »Ortho-Doxie«, mit der konkreten Praxis, der »Ortho-Praxie«, weist Karkala-Zorba als an der Orthodoxen Akademie auf Kreta lehrende Theologin ausdrücklich hin.

Allerdings stelle sich die Frage, warum nur Noah und seine Familie gerettet worden seien. Gottes Fürsorge rufe immer »einzelne Menschen, um seine neue Welt zu erschaffen«, so Rückert. Dabei sei Noah nicht einmal fehlerlos gewesen. Der entscheidende Hinweis sei, dass Noah »mit Gott wandelte« (1. Mose 6,9). In diesem Sinne bedeute Frömmigkeit, mit Gott unterwegs zu sein: »nicht fertig, nicht fehlerlos, aber unterwegs mit Gott«, erklärt Rückert.

Themenrunde am Samstag: Sexismus in der Kirche

Sexismus gegenüber Frauen sei ein gravierendes Problem in beiden großen Kirchen in Deutschland. Er werde nicht deutlich genug angesprochen und bekämpft. Diese Ansicht äußerten neun Theologinnen, unter ihnen die im Ruhestand in Nußloch bei Heidelberg lebende EmK-Bischöfin Rosemarie Wenner. In digitalen Impulsreferaten bei einer Themenrunde zu »Glaube und Spiritualität« entfalteten sie das Thema am Samstag im Rahmen des Ökumenischen Kirchentags. Sie schilderten verschiedene Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag.

So beschrieb Christina-Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz, dass sie stets dachte, sie müsse Kommentare wie etwa »Ihre Predigt war aufregend wie ein Kochrezept« einfach hinnehmen. Rosemarie Wenner berichtete, wie sie bei ihrer Amtseinführung 2005 eine Abwertung erlebte. Damals sei ihr gesagt worden, nur weil sich kein Mann bereiterklärt habe, sei sie gewählt worden. Der Pastorin und Influencerin Josephine Teske zufolge würden Frauen häufig als inkompetenter und schlechter dargestellt. Jesus aber habe Frauen respektiert, wertgeschätzt, geehrt und gefeiert. »Der christliche Glaube ist bunt, vielfältig und gleichberechtigt.« Das müsse auch seinen Ausdruck in der Achtung von Frauen finden. Die Theologinnen forderten eine Änderung von Strukturen und Gremien, um dem regelmäßigen Sexismus in den Kirchen entgegenzuwirken.

Die Autoren

Michael Putzke ist leitender Redakteur des zweiwöchentlich erscheinenden EmK-Magazins »Unterwegs«. Kontakt: redaktion@emk.de
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Der 3. Ökumenische Kirchentag unter dem Thema »schaut hin« fand aufgrund der Corona-Pandemie im wesentlichen »digital und dezentral« mit nur wenigen Präsenzveranstaltungen vom 13. bis 16. Mai in Frankfurt am Main statt. Er wurde gemeinsam veranstaltet vom Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Die beiden vorherigen Ökumenischen Kirchentage fanden 2003 in Berlin und 2010 in München statt.
www.oekt.de