ÖKT: trotzig-digitale Kreativität Von Klaus Ulrich Ruof  | 

»Eine tiefe Erneuerung ist nötig«

Beeindruckende Kulisse – kein Publikum. Das ist die Situation des dritten Ökumenischen Kirchentags in Pandemiezeiten. Im Bild eine Szene aus dem Eröffnungsgottesdienst an Christi Himmelfahrt.
Beeindruckende Kulisse – kein Publikum. Das ist die Situation des dritten Ökumenischen Kirchentags in Pandemiezeiten. Im Bild eine Szene aus dem Eröffnungsgottesdienst an Christi Himmelfahrt.
Bildnachweis: Jan Lurweg, ÖKT
Der dritte Ökumenische Kirchentag hat begonnen. Der Prediger des Eröffnungsgottesdienstes schreibt den Kirchen eine Mahnung ins Stammbuch.
5 Minuten

Mit dem zentralen Eröffnungsgottesdienst auf dem hochgelegenen Dach eines Gebäudes der Frankfurter Innenstadt startete der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) am heutigen Himmelfahrtstag (13. Mai). Erzwungenermaßen ohne Live-Publikum setzt der Kirchentag den pandemiebedingten Einschränkungen trotzig seine digitale Kreativität entgegen.

Den Himmel miteinander teilen

Die Predigt im Auftaktgottesdienst hielt Frère Alois, Prior der im französischen Burgund beheimateten Gemeinschaft von Taizé. Von Seiten der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) wirkte Rosemarie Wenner mit, die sich im Ruhestand als Bischöfin weiterhin stark in der ökumenischen Bewegung engagiert.

»Wir wollen ein Stück vom Himmel mit Ihnen teilen«, weil das in diesen Zeiten besonders nötig sei. Damit eröffnete Liturgin Sarah Vecera von der Vereinten Evangelischen Mission Wuppertal den Gottesdienst. Da tue es gut, wenn mit dem Gottesdienst durch persönliche Erfahrungen und biblische Geschichten Hoffnung vermittelt werde.

Licht ins Dunkel, Verantwortung übernehmen, Erneuerung!

Mit dem Bericht von der Himmelfahrt Jesu aus dem ersten Kapitel der Apostelgeschichte stellte Frère Alois die Erfahrung der Jünger in den Mittelpunkt seiner Predigt. Die Aufnahme Jesu in den Himmel habe für sie zunächst Enttäuschung verursacht. Erst allmählich hätten sie begriffen, dass sich für sie damit ein neuer Horizont eröffnet habe. Mit der Auferweckung und der Aufnahme Jesu in den Himmel, habe Gott sich auf die Seite der Zweifelnden und Gedemütigten gestellt. Das habe den Jüngern zum Aufbruch verholfen. Aus den Erfahrungen der Pandemie erwachse aktuell die Erkenntnis, dass das Leben auf neue Weise miteinander geteilt und noch viel entschiedener für die Erde gesorgt werden müsse. Deshalb folgerte Frère Alois: »Die Zeit ist da für einen neuen Aufbruch.«

Diese herausfordernde Erkenntnis nahm er zum Anlass für eine ernste Mahnung, weil diese so wichtige Botschaft durch die Kirchen unglaubwürdig geworden sei, auch durch die bekannt gewordenen zahlreichen Missbrauchsfälle. Die Kirchen sollten zum Aufbruch beitragen, hätten aber Vertrauen verloren. Es sei Mut nötig, um Licht ins Dunkel zu bringen und um Verantwortung zu übernehmen. »Dazu ist in unseren Kirchen eine tiefe Erneuerung notwendig«, mahnte der Prior aus Taizé. Und weiter: »Um in der Gesellschaft und in unseren Kirchen neu aufzubrechen braucht es ebenso eine tiefe geistliche Erneuerung.«

Mit dem Skandal alter und neuer Spaltungen nicht abfinden

Dazu sei eine Weggemeinschaft der Kirchen nötig, denn »eine geistliche Erneuerung unserer Kirchen kommt nur gemeinsam voran«. Die Vielfalt unter den Christen sei ein Geschenk, auch wenn die Vielfalt oft einfach geduldig ertragen werden müsse. »Auf keinen Fall dürfen wir uns mit dem Skandal unserer Spaltungen abfinden – den alten, wie den neuen Spaltungen. Christus ist nicht geteilt. Er ist unsere Einheit.« Deshalb müssten die Christen öfter zum gemeinsamen Gebet in seiner Gegenwart zusammenkommen. Dann, so Frère Alois, »können wir auch unsere Einheit in Vielfalt glaubhaft leben«. Die Gemeinschaft von Taizé sei dafür ein lebendiges Beispiel: »Wir haben erlebt, dass der Heilige Geist uns zu einer lebendigen Gemeinschaft macht.«

Da hinschauen, wo Christus hingeschaut hätte

Einen emotionalen Höhepunkt des Gottesdienstes bildeten drei persönliche Hoffnungsgeschichten, die Zeugnis gaben von den besonderen Lebensumständen in Pandemie-Zeiten, vom Mangel an Miteinander und vom Aufbruch zu neuer Gemeinschaft. Die Frankfurter Internet-Seelsorgerin Julia Piretzis berichtete, wie sie Jugendliche durch kleine Alltagsprobleme und große Existenzkrisen begleitet. Sandra Hofmann, Pflegerin auf der Corona-Station eines Krankenhauses, erinnerte sich an das Lachen, das trotz der aufgezwungenen Distanz im Klinikalltag Kraft verleihe. Ambote Luzolo aus der Evangelischen Französisch-Reformierten Gemeinde in Frankfurt setzte ein starkes Signal, als sie auf ihre Erfahrungen bei der Überbrückung von Fremdheit und Distanz zurückblickte, die sie selbst als in Deutschland ankommende Fremde erlebt habe.

Am Schluss fasste Bettina Limperg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofs und im Ehrenamt evangelische ÖKT-Präsidentin, die Botschaft des Kirchentags zusammen: »Wir wollen da hinschauen, wo Christus hingeschaut hätte. Gott ist da, wo Menschen hinschauen und Not lindern und füreinander da sind und Trost schenken.«

Das Programm der kommenden Tage

Am morgigen Freitag, dem 14. Mai, findet um 19 Uhr die offizielle Eröffnungsveranstaltung des Kirchentags statt. Redner sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Bischof des Bistums Limburg, Georg Bätzing, sowie der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung. Im Anschluss folgt die Uraufführung des Oratoriums »Eins«. In dem Stück reist die Journalistin Julia in die Zeit der Urchristen und trifft dort auf die Apostelin Junia.

Der Samstag bietet viele Gelegenheiten, sich mit verschiedensten Themen bei Podien, Vorträgen, Workshops und Bibelarbeiten auseinanderzusetzen. Am Vormittag wird bei der »Stunde zur Ökumene« unter dem Thema »Einheit in Vielfalt« Walter Klaiber, Bischof der EmK im Ruhestand, mit einem kurzen Beitrag zu sehen sein. Unter den für Kirchentage immer grundlegenden Bibelarbeiten findet sich eine Dialogbibelarbeit mit EmK-Beteiligung: Harald Rückert, der für Deutschland zuständige Bischof der EmK, und Katarina Karkala-Zorba, Studienleiterin der Orthodoxen Akademie von Kreta, sprechen zusammen über das Thema »Mit Dir will ich meinen Bund aufrichten«. Eine besondere Einladung bezieht sich auf den Samstagabend: Aus Frankfurt werden vier konfessionelle Gottesdienste und Mahlfeiern ausgestrahlt.

Außerdem ist am Samstag den ganzen Tag über ein 24-Stunden-Stream der beiden digitalen Netzwerke der evangelischen und katholischen Kirchen im Gange. Für die Freikirchen mit von der Partie ist der evangelisch-methodistische Pastor Damian Carruthers aus Baiersbronn.

Ökumenischer Fortschritt: das »ökumenisch sensible« Abendmahl

Eine der Besonderheiten des dritten Ökumenischen Kirchentags sind am Samstag um 19 Uhr vier sogenannte »Konfessionellen Gottesdienste«, in denen »ökumenisch sensibel« Abendmahl und Eucharistie gefeiert wird. Über den Kirchentags-Livestream ist die Teilnahme auch per Internet möglich. Nach Informationen der Veranstalter finden bundesweit weitere fünfzig solcher Gottesdienste statt, die den Vorschlag des ÖKT aufgenommen haben. Der Kirchenpräsident der einladenden Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, ist froh, »dass mit der Akzeptanz wechselseitiger Teilnahme an Abendmahl und Eucharistie ein ökumenischer Fortschritt sichtbar wird«. Auch der Bischof des ebenfalls einladenden Bistums Limburg, Georg Bätzing, äußert sich erfreut über diese Angebote. In den zurückliegenden Jahren habe es viele Fortschritte gegeben, und die Kirchen seien schon eng zusammengerückt. Er wünsche sich, »dass wir auf diesem Weg weiter vorankommen«, und ist überzeugt: »Der Ökumenische Kirchentag wird nachwirken.«

Abschluss mit methodistischer Beteiligung

Im Schlussgottesdienst am Sonntag, dem 16. Mai, zum Thema zum Thema »schaut hin – blickt durch – geht los« ist Mareike Bloedt eine der beiden Verkündigerinnen. Sie ist Pastorin der EmK in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Den anderen Predigtteil übernimmt Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der bei Würzburg beheimateten Oberzeller Franziskanerinnen. Der Gottesdienst wird live im ZDF übertragen. Bereits ab 9 Uhr findet ein Vorprogramm statt, bei dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mitwirkt.

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Weiterführende Links

Programm des 3. Ökumenischen Kirchentags
Alles auf einen Blick – Programmübersicht für den ÖKT (PDF)

Zur Information

Weitere Veranstaltungen mit EmK-Beteiligung:

  • Freitag, 14. Mai, 17 Uhr, Gottesdienst in der Matthäuskirche an der Frankfurter Messe; veranstaltet von der ACK in Deutschland gemeinsam mit der ACK Hessen-Rheinhessen und der ACK in Frankfurt (Livestream auch mit Gebärdensprache)
  • Samstag, 15. Mai, ab 8 Uhr abrufbare Aufzeichnung der Dialogbibelarbeit von Katarina Karkala-Zorba und Bischof Harald Rückert über Genesis/1. Mose 6,12-22 zum Thema »Mit Dir will ich meinen Bund aufrichten«
  • Samstag, 15. Mai, 9 Uhr, »Stunde zur Ökumene« zum Thema »Einheit in Vielfalt« mit einem Beitrag von Bischof i. R. Dr. Walter Klaiber
  • Samstag, 15. Mai, ab 9 Uhr, 24-Stunden-Stream der digitalen Netzwerke Yeet und Ruach.jetzt, erreichbar unter www.fuereinander.stream
  • Samstag, 15. Mai, 14 bis 18 Uhr: Veranstaltungsformat »Im Gespräch mit …«. Bischöfin i. R.  Rosemarie Wenner ist zusammen mit Richard Lange als Anwältin des Publikums aktiv, um Fragen zu sichten und einzubringen, die Zuschauer den Gesprächspartnern stellen wollen. Die Moderation machen Uta Andrée von der Nordkirche und Nicolas Richter von der Süddeutschen Zeitung. Die Gesprächspartner in dieser Zeit sind:
    • 14 Uhr: Agnes Oboum, die Moderatorin des ÖRK, die in Kenia lebt
    • 15 Uhr: Azza Karam, die Generalsekretärin von Religions for Peace aus New York
    • 16 Uhr: ÖKT Präsidentin Bettina Limperg, Karlsruhe
    • 17 Uhr: EKD Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm, München, und Mattea Weihe, Pressesprecherin und kulturelle Mediatorin an Bord der Sea-Watch, Hannover
  • Sonntag 16. Mai, 10 Uhr, Schlussgottesdienst auf der Weseler Werft in Frankfurt am Main, live im ZDF.

Der 3. Ökumenische Kirchentag wird gemeinsam veranstaltet vom Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Die beiden vorherigen Ökumenischen Kirchentage fanden 2003 in Berlin und 2010 in München statt.
www.oekt.de