Ein weiterer Impuls gegen Spaltung Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Auch an Gottes Tisch sind gesittete Manieren nötig

Der zehnseitige Bericht trägt den Titel »Aus dem Chaos... Schöpfung: Impulse für einen besseren Weg, als evangelisch-methodistische Christen miteinander unterwegs zu sein«.
Eine internationale Gruppe von Generalkonferenz-Delegierten spricht sich für einen besseren Umgang miteinander innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche aus. Der zehnseitige Bericht trägt den Titel »Aus dem Chaos... Schöpfung: Impulse für einen besseren Weg, als evangelisch-methodistische Christen miteinander unterwegs zu sein«. Die Hamburger Pastorin Anne Detjen hat den Bericht mitverfasst.
Bildnachweis: Out of Chaos (Grafik), Klaus Ulrich Ruof (Detjen)
Die verschobene Generalkonferenz lässt Diskussionen brachliegen. Statt zu jammern, senden vierzehn Delegierte einen bildstarken Impuls in die Kirche.
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Vierzehn Personen aus der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) melden sich mit einem Aufruf zu Wort. Pointiert fassen sie ihren Wunsch in einem Satz zusammen: »Lasst uns an unseren ›Tischmanieren‹ arbeiten«. Anne Detjen, Pastorin in Hamburg-Wilhelmsburg, ist eine der Mitverfasserinnen und gibt Auskunft über das Anliegen der Gruppe.

Impulse setzen für einen besseren Weg

Die vierzehn Unterzeichner stammen aus den Vereinigten Staaten, der Demokratischen Republik Kongo, den Philippinen, der Schweiz und aus Deutschland. Sie sind Delegierte oder stellvertretende Delegierte an die Generalkonferenz, das weltweit höchste Leitungsgremiums der EmK. Angesichts langjähriger und spannungsvoller Diskussionen stehe die Kirche »am Scheideweg«. Aber sie eint der Wunsch, dass es »eine erneuerte Evangelisch-methodistische Kirche« gibt und dass Gott »aus dem Chaos« heraus etwas Neues schaffe. Deshalb firmiert die Gruppe auch unter dem Motto »Aus dem Chaos (heraus)« (Out of Chaos).

Die im März letzten Jahres um über ein Jahr verschobene Generalkonferenz war der Anlass, dass sich diese aus persönlichen Kontakten zustande gekommene Gruppe zu einem wöchentlichen Videotelefonat vereinbarte. »Wir wollten nicht Däumchen drehen und warten, was in unserer Kirche passiert oder eben nicht passiert«, erzählt Detjen am Telefon. »Wir wollten unserer Kirche etwas zur Verfügung stellen, unsere Gedanken mitteilen, und wir wollten einen konstruktiven Beitrag einbringen für den schwierigen Weg, auf dem sich unsere Kirche befindet«, sagt die Hamburgerin.

Eine erste Erklärung der Gruppe erschien bereits zu Pfingsten im vergangenen Jahr, fand aber kaum Beachtung. Mit der jetzigen Veröffentlichung erhoffen sie sich eine größere Öffentlichkeit. Ihr Ziel ist, Impulse zu setzen »für einen besseren Weg, als evangelisch-methodistische Christen miteinander unterwegs zu sein« – so der Untertitel der am zurückliegenden Wochenende veröffentlichten Verlautbarung.

Eine Stimme aus der Kirche, die gehört werden soll

Mit zwei per Internet veranstalteten Seminaren und einer Umfrage versuchte die Gruppe ein Stimmungsbild der EmK zu erfassen. Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ. Aber die gut hundert Rückmeldungen geben Hinweise darauf, was evangelisch-methodistische Christen in den verschiedenen Regionen der weltweiten Kirche »glauben, beklagen und was sie an Hoffnungen und Erwartungen für neue Aufbrüche haben«, beschreibt Detjen das Ergebnis der Umfrage. Die Gruppe erhoffe sich, dass ihr in einem zehnseitigen Bericht veröffentlichter Beitrag als »eine Stimme in der Kirche« gehört werde und zu einem besseren Miteinander beiträgt.

Kairos zum Innehalten

Nach vielen schmerzvollen Auseinandersetzungen innerhalb der weltweiten Kirche in den vergangenen Jahren, gehe es darum, »bessere Tischmanieren« zu pflegen. Konkret benennt die Gruppe dabei die Themen Sexualethik, Rassismus und Kolonialismus. Die Lösung für diese konfliktträchtigen Diskussionen liege nicht in Trennung, Abspaltung oder Gesprächsverweigerung, sondern in einer Art der Begegnung, für die die Gruppe das Bild zivilisierter »Tischmanieren« aufgreift.

So wie Menschen gesittet zu Tisch sitzen und einander begegnen, so sollten sich Menschen in der Kirche bei schwierigen Fragen an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Aufstehen und weggehen, sei keine Lösung, erklärt Detjen das Anliegen. Die Verfasser sind sich einig, dass durch die Übertragung des Tischmanieren-Beispiels auf die in der EmK strittigen Fragen neue Hoffnung für verfahrene Diskussionen und schwierige Entscheidungsfindungen aufkeimen könnte.

Das griffige Bild der »Tischmanieren« könnte dazu führen, dass die Resonanz für den Beitrag der Gruppe dieses Mal tatsächlich größer ausfällt. Vielleicht sei die pandemiebedingte Verschiebung der Generalkonferenz ja ein Art »Kairos«, wie es im Bericht heißt: Eine einmalige Gelegenheit für die Kirche, um innezuhalten und zu erkennen, »was Gottes Volk, Gottes Schöpfung geschadet hat« und um gemeinsam einen anderen Weg zu finden.

Begegnungen und Gespräche mit neuer Qualität

In fünf Abschnitten führen die Unterzeichner gemeinsam aus, wie sich die »Tischmanieren« in der Kirche verbessern könnten. Dazu zähle beispielsweise die Änderung des Diskussionsverfahrens im Plenum der Generalkonferenz. Die dort angewandte US-amerikanische Form der Entscheidungsfindung, in der es nur jeweils drei Redebeiträge für oder gegen einen vorgelegten Antrag gebe, müsse verändert werden. Stattdessen sei ein christlicher Gesprächs- und Beratungsprozess nötig, bei dem es nicht immer nur Gewinner und Verlierer gebe, sondern in dem auch Kompromisse möglich seien.

Wichtig ist der Gruppe auch, sich den Fragen der US-Zentriertheit der Kirche zu stellen und sich mit Rassismus, Kolonialismus und der Ausgrenzung von Menschen unterschiedlichster geschlechtlicher Orientierung zu stellen. Besonders in diesen Fragen seien Änderungen nötig, damit in der Kirche alle mit am Tisch sitzen könnten. Letztlich, so die Unterzeichner, sei ja Gott der Gastgeber am Tisch der Kirche. Insofern könnten nicht einzelne Personen oder Gruppen bestimmen, wer am Tisch der Kirche sitzen oder eben dort nicht sitzen dürfe. Wenn das gemeinsame Überzeugung sei, bekämen Begegnungen und Gespräche eine neue Qualität.

Die Familie als Beispiel für die Kirche

Auch für Detjen war das in der Gruppe aufgenommene Bild überraschend: »Als zum ersten Mal von Tischmanieren an Gottes Tisch die Rede war, war mir das ein völlig neuer Gesichtspunkt.« Aber es sei naheliegend, dass »man sich auch an Gottes Tisch benehmen muss«, fügt sie an. Wenn dieses Bild auf die Begegnungen, Gespräche und Diskussionen innerhalb der EmK übertragen würde, könnte etwas in Bewegung kommen, gibt sich Detjen hoffnungsvoll.

Es müsse doch wie an einem normalen Tisch möglich sein, »dass wir gemeinsam am Tisch unserer Kirche sitzen, auch wenn wir Unterschiede haben, verschieden denken und die Bibel unterschiedlich lesen und verstehen«. Wenn Gott als Gastgeber am Tisch sitze, könne an diesem Tisch doch auch diskutiert, gelernt und das Leben geteilt werden. »In der Familie machen wir das ja auch so, warum tun wir uns in der Kirche damit so schwer?« Das, so Detjen, sei die Frage und die Aufforderung, mit der die Gruppe in die Kirche hinein zum Nachdenken beitragen wolle.

Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Weiterführende Links
Homepage der »Out of Chaos«-Gruppe (Englisch)
Dokument: Out of Chaos, Creation: Imagining a Better Way … (PDF, Englisch)
Dokument: Aus dem Chaos... Schöpfung: Impulse für … (PDF, Deutsch, vorläufige Fassung)