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Die Auseinandersetzung über Homosexualität in der EmK

Methodisten könnten Streitvorbilder sein, sie sind es aber nicht. Der jahrzehntelange Streit über sexualethische Fragen eskaliert. Eine Lösung scheint unwirklich fern. Mediation lässt hoffen, »Corona« unterbricht alles, und die Gründung einer neuen methodistischen Denomination schafft Tatsachen.

Innerhalb der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche ist seit vielen Jahrzehnten eine Diskussion im Gange über sexualethische Fragen. Dabei geht es im Besonderen um Homosexualität, die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und die Ordination Homosexueller für den pastoralen Dienst. Der Ausgangspunkt für diese Auseinandersetzung liegt im Jahr 1972. Während der damaligen Generalkonferenztagung wurden die Sozialen Grundsätze verabschiedet und in die Ordnung der Kirche integriert. Während der Beratungen über die Beschlussfassung zu den Sozialen Grundsätzen wurden Aussagen über die Ablehnung praktizierter Homosexualität in den Wortlaut der Vorlage aufgenommen. Später ergänzte die Generalkonferenz ihre Ordnung mit dem Verbot der Ordination Homosexueller und kirchlicher Segenshandlungen für gleichgeschlechtliche Paare. Die Auseinandersetzung über diese Frage ist seither regelmäßig Thema bei allen Tagungen der Generalkonferenz. Immer wieder setzte sich eine Mehrheit gegen eine große Minderheit durch und verschärfte das Kirchenrecht nach und nach.

Eine Lösung, die nicht zum Frieden führt

Im Februar 2019 tagte die außerordentliche Generalkonferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche unter dem einzigen Tagesordnungspunkt, für die weltweite Kirche in der Frage der Bewertung menschlicher Sexualität eine Lösung zu finden. Entgegen der Hoffnung weiter Teile der Kirche in den Vereinigten Staaten und auch weltweit wurde dabei jedoch die traditionelle Sichtweise hinsichtlich Eheschließung und Ordination Homosexueller mit knapper Mehrheit (53 zu 47 Prozent) bestätigt und Zuwiderhandlungen zudem mit verschärfenden Disziplinarmaßnahmen belegt.

Nur zehn Tage nach Ende dieser Generalkonferenz hatte der deutsche Kirchenvorstand als geschäftsführendes Gremium der Zentralkonferenz Deutschland erklärt, »dass wir in der Bewertung von Homosexualität weder im Kirchenvorstand noch in der Gesamtkirche einig sind«. Es sei zu befürchten, »dass das auch auf absehbare Zeit so bleiben wird«. Für weitere Beratungen in diesen Fragen formulierte der Kirchenvorstand das Ziel, »als Kirche zusammen(zu)bleiben, in der Menschen unterschiedlicher Auffassungen miteinander leben können« und dass »Menschen unterschiedlicher Überzeugungen Geborgenheit und Heimat in der Kirche finden sollen«. Dazu sollte ein »Runder Tisch« gebildet werden, der für den deutschen Teil der EmK einen Vorschlag unterbreiten sollte.

Internationale Mediation

Fast zeitgleich mit dem Beginn der Arbeit des Runden Tischs der EmK in Deutschland formierte sich eine international besetzte Arbeitsgruppe unter der Leitung des in vielen hochkomplexen Rechtsverfahren bewährten US-amerikanischen Anwalts und Mediators Kenneth R. Feinberg. Diese Gruppe formulierte eine Vereinbarung unter dem Titel »Versöhnung und Gnade durch Trennung«. Mit dieser Vereinbarung sollte eine respektvolle Teilung der weltweiten Kirche bei der für Mai 2020 geplanten Generalkonferenz beraten und ermöglicht werden. Nach diesem Vorschlag sollte die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche weiterbestehen und wie bisher verschiedenen Frömmigkeitsausprägungen und Überzeugungen Heimat bieten.

Hinsichtlich der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und der Ordination Homosexueller sollte sich die Kirche öffnen können, ohne dass diese Öffnung für alle Teile der bestehenden Kirche in gleicher Weise hätte umgesetzt werden müssen. Zugleich sah der Vorschlag die Bildung einer neuen, traditionell orientierten methodistischen Kirche (»new traditionalist Methodist denomination«) vor. Diese sollte sich von der Evangelisch-methodistischen Kirche in einem klar beschriebenen, ordentlichen Verfahren ablösen können und sich eigenständig strukturieren.

Coronabedingt alles in der Schwebe

Wegen der im Frühjahr 2020 aufgekommenen, weltweiten Corona-Pandemie musste die für diese Fragen allein zuständige Generalkonferenz, das weltweit höchste Leitungsgremium der Evangelisch-methodistischen Kirche, verschoben werden. Infolgedessen wurden alle Entscheidungen in dieser Sache bis zur nächsten Tagung der ins Jahr 2024 verschobenen Generalkonferenz ausgesetzt. Das führte zu schwierigen Situationen innerhalb der weltweit strukturierten EmK. So sind für den US-Teil der Kirche die bestätigten und verschärften Beschlüsse der außerordentlichen Generalkonferenz von 2019 zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Für die außerhalb der Vereinigten Staaten als Zentralkonferenzen organisierten Gebiete der EmK gelten diese Beschlüsse noch nicht, weil diese erst von den jeweiligen Zentralkonferenzen zu beraten und zu bestätigen gewesen wären. Weltweit befinden sich alle diese Gesprächsprozesse und Auseinandersetzungen aufgrund der coronabedingten Verschiebungen der Generalkonferenz sowie der ebenfalls verschobenen Zentralkonferenzen in der Schwebe. Dazu gehört auch die Unklarheit hinsichtlich der in der Mediation vorgeschlagenen Aussetzung aller mit dieser Thematik in Verbindung stehenden Disziplinarmaßnahmen gegen ordinierte Geistliche der EmK bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Generalkonferenz.

Gründung einer neuen methodistischen Denomination

Coronabedingt wurden die für das Jahr 2020 geplante Generalkonferenz und auch die nachfolgend stattfindenden Jurisdiktionalkonferenzen und Zentralkonferenzen verschoben. Das wirkte sich auch auf einen wesentlichen Punkt der unter internationaler Mediation formulierten Vereinbarung »Versöhnung und Gnade durch Trennung« aus. Einige führende Persönlichkeiten und organisierte Gruppen hatten nach der Veröffentlichung dieser Vereinbarung in der Vorbereitung für die Generalkonferenz 2020 schon mit der Planung einer neuen methodistischen Denomination begonnen. Ohne die geplante Entscheidung bei einer ordentlichen Tagung der Generalkonferenz abzuwarten, wurde die neue Denomination zum 1. Mai 2022 unter dem Namen Global Methodist Church (Globale methodistische Kirche) gegründet. Seither ist die Evangelisch-methodistische Kirche weltweit mit der Situation konfrontiert, dass sich Gemeinden oder ganze Jährliche Konferenzen abspalten und in die Unabhängigkeit gehen oder sich der neuen Denomination anschließen. In den Vereinigten Staaten war das für Gemeinden bis zum Ende des Jahres 2023 möglich auf Basis der Beschlüsse der außerordentlichen Generalkonferenz des Jahres 2019. Davon wurde in unterschiedlichem Maße Gebrauch gemacht, sodass sich für den US-Teil der EmK die Abspaltungen je nach Region zwischen zehn bis zu dreißig Prozent an Gemeinden ergaben. Für Jährliche Konferenzen außerhalb der Vereinigten Staaten sind die formalen Möglichkeiten anders geregelt, sodass sich dafür zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Artikels (Februar 2024) noch keine endgültigen Zahlen nennen lassen. Einige Distrikte oder Teile von Jährlichen Konferenzen haben sich bereits außerhalb formal gültiger Regelungen von der EmK gelöst (z.B. Bulgarien und Slowakei). Andere Regionen haben die Trennung von der EmK signalisiert, wollen aber die formalen Wege einhalten (z.B. Eurasien, Tschechien). Wieder andere Regionen warten die ins Jahr 2024 verschobene Generalkonferenz ab, um daraufhin ihre Entscheidung zum Bleiben oder zur Trennung zu treffen.


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