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Streit und Übereinkunft in der Bibel

Wer einmal anfängt, in der Bibel nach Streitsituationen zu suchen, wird überraschend viel finden. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, wie der jeweilige Streit gelöst wurde – oder auch nicht.

In der Bibel finden sich etliche Beispiele für Auseinandersetzungen. Hier richtet sich der Blick vor allem auf Auseinandersetzungen »innerhalb« einer Gruppe. Zwei Beispiele, je eines aus dem Alten Testament und aus dem Neuen Testament, mögen als Orientierungshilfe ausreichen, wobei sich an das neutestamentliche Beispiel noch eine Weiterführung anschließt.

Generöse Geste

Im Alten Testament ist in 1. Mose 13 von Abraham und seinem Neffen Lot die Rede. Zwischen deren Hirten gab es heftigen Streit um fruchtbare Weidegründe. »Das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten«, heißt es kommentierend in 1. Mose 13,6. Abraham bietet seinem Neffen Lot eine großzügige Lösung an. Lot sollte für seine Hirten den Weideraum wählen: »Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.« (1. Mose 13,9) Damit war der Konflikt prinzipiell beigelegt.

Kompromiss als Lösung

Dass sich nicht alle Auseinandersetzungen mit generöser Geste lösen lassen, zeigt sich im Neuen Testament in Apostelgeschichte 15. In der jungen christlichen Erweckungsbewegung war ein heftiger Streit über eine Grundsatzfrage entbrannt: Sollten Menschen »aus den Nationen«, also Nicht-Juden – auch Heiden genannt –, die zum Glauben an Jesus Christus kamen, die jüdischen Gesetze halten oder nicht? Zuvorderst ging es dabei um die Beschneidung und das Einhalten von Speisevorschriften. Eine Lösung dieser Grundsatzfrage schien unmöglich, weil es sich um eine sogenannte »Entweder-oder-Frage« handelte. Es gab nur entweder-oder, richtig oder falsch.

Die Beratungen (Apg 15,4-21), genau genommen das erste Konzil der Kirchengeschichte – deswegen auch Apostelkonzil genannt – müssen heftig gewesen sein. Die Lösung auf Vorschlag des Apostels Jakobus, der in der Auseinandersetzung wohl eine Art Mediatorenrolle einnahm, ist ein klassischer, lösungsorientierter Kompromiss (Apg 15,19-21): Grundsätzlich sollten die Heiden »nicht belastet« werden, also die jüdischen Gesetze nicht einhalten müssen. Um die Gemeinschaft dieser ungleichen Gruppen aus Heidenchristen und Judenchristen nicht zu sehr zu gefährden, wird darüber hinaus ein Vier-Punkte-Programm formuliert. Darin werden die Heidenchristen zur Rücksichtnahme gegenüber den Judenchristen aufgefordert, indem sie das jüdische Gesetz wenigstens in vier konkreten Punkten achten.

Neue Probleme erfordern neue Lösungen

Dass die im Apostelkonzil gefundene Vereinbarung die Diskussion nicht endgültig befriedete und den Konflikt nicht grundsätzlich löste, zeigen die Kapitel 14 und 15 im Römerbrief. Paulus erörtert ausführlich an Hand der als »Schwache« und »Starke« bezeichneten Gruppen, wie es sich mit Inanspruchnahme von Freiheit und nötiger Rücksichtnahme verhält. Es geht um kultische Reinheit und Unreinheit, ums Essen oder Nicht-essen bestimmter Speisen und Lebensmittelmittel, ums Einhalten bestimmter Tage, und es geht darum, wie die unterschiedlichen Sichtweisen gegenseitig so abgestimmt werden können, dass die Gemeinschaft erhalten bleiben kann. Paulus lässt klar erkennen, dass er für die Freiheit plädiert. Aber er stellt auch klar, dass er das Gewissen derer respektiert, die sich nach wie vor an Regeln und Gesetze gebunden fühlen. Deshalb fordert er dazu auf, trotz unterschiedlicher Ansichten und persönlicher Entscheidungen den Frieden untereinander zu suchen und sich gegenseitig im Glauben zu stärken.

Kirchengeschichte ist auch Streitgeschichte

Dass diese biblischen Beispiele nicht einfach ins Leben von Christen, Gemeinden und Kirchen zu übertragen sind, zeigt sich mannigfach an ganz unterschiedlichen Themen in der Kirchengeschichte. Ob sich die Erde – und damit der Mensch – oder die Sonne im Zentrum der Welt befindet, war genauso heftig umstritten wie die Frage der Berechtigung der Sklaverei oder der Verkündigungsdienst von Frauen. Offensichtlich gibt es immer wieder neu auftauchende Fragen, für die in der Christenheit viel Zeit nötig ist und über die heftig gestritten wird, um Wege zur Lösung zu finden. Dass viele Streitfragen bei Christen trotzdem im Zerwürfnis endeten und nicht eine Lösung im achtungsvollen Miteinander gefunden werden konnte, zeigt die Kirchengeschichte zuhauf. Hier ist noch viel Raum zum Lernen.


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