Die tieferen Bedürfnisse der Menschen erkennen
Am Donnerstag, 6. März, wurde Thomas Roscher als neuer Superintendent für den Distrikt Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) berufen. Die jüngst erfolgte Wahl ins Bischofsamt des bis dahin für diesen Distrikt zuständigen Superintendenten Werner Philipp hatte diese Neuberufung außerhalb des sonst üblichen Berufungsprozesses nötig gemacht. Im Falle der Wahl eines amtierenden Superintendenten, wie jetzt geschehen, hatte die Zentralkonferenz vorsorglich beschlossen, die dafür nötige Nominationswahl durch die Mitglieder der betreffenden Jährlichen Konferenz auszusetzen. Stattdessen sollten der noch amtierende und der neugewählte Bischof die Berufung eines Superintendenten oder einer Superintendentin gemeinsam vornehmen.
Mit sofortiger Wirkung übernimmt der promovierte Theologe und bisher als Pastor in Leipzig wirkende Thomas Roscher das Amt des Superintendenten für den Distrikt Zwickau. In einem Informationsschreiben an die Mitglieder der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz äußern die beiden Bischöfe ihre Dankbarkeit für Roschers Bereitschaft, »diesen verantwortungsvollen, kirchenleitenden Dienst anzutreten«, und wünschen ihm dafür »Gottes reichen Segen, Kraft und Weisheit«.
»Ich erwarte vom Kirchgang immer einen Impuls«
»Die Kirche ist mein Ding!«, sagt Thomas Roscher am Telefon bei einem ersten Gespräch im Zusammenhang mit seiner Berufung zum Superintendenten für den Distrikt Zwickau im Gebiet der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz. »Ich gehe wirklich gerne in die Kirche, und ich erwarte vom Kirchgang immer, dass ich einen Impuls erhalte – und den bekomme ich auch immer.« Der 63-Jährige beschreibt so seine von Grund auf positive Haltung zu Kirche, Gemeinde und Gottesdienst, die ihn schon seit seiner frühesten Kindheit begleitet und die ihn auch in der Jugendarbeit seiner Heimatgemeinde in Geyer im Erzgebirge prägte.
Zusammen mit einer sieben Jahre jüngeren Schwester wuchs Roscher in einem methodistischen Elternhaus auf, bei dem der sonntägliche Gottesdienstbesuch ganz selbstverständlich das Familienwochenende prägte. Bis zum heutigen Tag lebt er die Überzeugung, dass »ein Sonntag ohne Gottesdienstbesuch kein richtiger Sonntag ist«. Auch im Urlaub pflegt er diese Praxis, sodass er durch diese Gewohnheit schon viele bereichernde und auch ökumenische Erfahrungen ganz unterschiedlicher Gottesdienstfeiern und Liturgien machte.
Die Welt zu einem besseren Ort machen
In der Begegnung mit dem neuberufenen Superintendenten ist diese freimütige und positive Grundhaltung zu Kirche, Gottesdienst und der Bedeutung christlicher Gemeinschaft spürbar. In seiner neuen Aufgabe will er zusammen mit den Pastoren und Pastorinnen sowie den Gemeinden seines Distrikts diese Grundhaltung pflegen und daran arbeiten, »in dieser Welt eine Spur zu hinterlassen«. Der Auftrag der Kirche sei, so Roscher, »aus dem, was Gott uns schenkt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen«.
Das könne niemand allein bewältigen, und dazu könne ein Superintendent auch keinen Auftrag erteilen. Nur in der Dienstgemeinschaft der Kirche könne das umgesetzt werden. Ziel kirchlicher Gemeindearbeit solle angesichts großer Unsicherheiten in der heutigen Lebenswelt der Menschen sein, »dass sich Menschen in einer Gemeinde beheimaten können«. Das gelinge aber nicht, wenn Kirchen zunehmend »Events veranstalten«. Vielmehr sei es nötig, die tieferen Bedürfnisse von Menschen zu erkennen und diese im Rahmen der Gemeindearbeit aufzunehmen.
Die Wirkungskraft des Kleinseins entfalten
Er für sich selbst arbeite dabei nach der Maxime »ich bin ein Segen, weil Gott mich segnet«. Er wolle dazu animieren, »ein Segen für diese Welt« zu sein. Dazu gehöre angesichts des Rückgangs der Mitgliederzahlen vieler Kirchen auch die bewusst praktizierte ökumenische Gemeinschaft mit anderen Kirchen und Gemeinden. In diesem ökumenischen Miteinander »stehen wir in einer langen Tradition, die auf Jesus zurückgeht«. So seien Christen »Jesus-Leute, und das sollte in Gottesdiensten erlebbar werden«.
Im ökumenischen Miteinander beschreibt der neue Superintendent für die Evangelisch-methodistische Kirche das ihm vorschwebende Konzept als »EmK – klein, aber fein«. Als in Deutschland kleinere Kirche präge EmK-Gemeinden eine besonders »familiäre Atmosphäre«, die sich als »klein, aber fein« beschreiben lasse. Das müsse dann »in die verschiedenen kirchlichen Arbeitsfelder hinein-buchstabiert werden«, um die Wirkungskraft des Kleinseins entfalten zu können.
Den Weg in größtmöglicher Übereinstimmung gestalten
Als Superintendent sehe er seine Aufgabe auch darin, dass Kirche sich nicht nur mit den allgegenwärtigen Schrumpfungsprozessen abfindet. Es sei nötig, »eine Strategie zu entwickeln, um ›vor die Welle‹ zu kommen«. Für Menschen sei es wichtig – und Christen bildeten da keine Ausnahme –, »dass sie gestalten können und nicht nur auf Umstände reagieren können, in die sie hineingestoßen werden oder die sich entwickeln«. Ein wesentlicher »Handlungsimpuls« für ihn sei daher, »dass die Kirche handlungsfähig bleibt«.
Er wolle in seine neue Aufgabe jedoch nicht schon mit einem fertigen Konzept einsteigen, sondern sich mit den Gemeinden und seinen Kolleginnen und Kollegen dieser Aufgabenstellung gemeinsam nähern. So habe er das auch in seinem Gemeindedienst immer gehandhabt. Ein Vorhaben könne nur zum Ziel gelangen, wenn die Menschen daran beteiligt werden und der Weg dahin in größtmöglicher Übereinstimmung gestaltet werde. Dafür wolle er sich in seinem neuen Amt als Superintendent engagieren.
Bauhilfsarbeiter statt Archäologe
Thomas Roscher wurde 1961 in Ehrenfriedersdorf geboren und wuchs in der benachbarten Kleinstadt Geyer auf. Diese liegt rund 25 Kilometer südlich von Chemnitz im sächsischen Erzgebirgskreis. Die Polytechnische Oberschule und daran anschließend die Erweiterte Oberschule schloss er mit dem Abitur ab. Nach dem zweijährigen Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der DDR in Berlin begann er 1982 ein Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Sein Traumberuf Archäologe war ihm wegen der fehlenden Parteimitgliedschaft verwehrt. Aber auch das stattdessen aufgenommene Maschinenbaustudium war schon nach drei Semestern zu Ende. Weil er die Ausbildung zum Offizier der Reserve der Nationalen Volksarmee der DDR verweigert hatte, wurde er umgehend exmatrikuliert.
Sein damaliger Gemeindepastor bot ihm an, als Bauhilfsarbeiter in einem kirchlichen Baubetrieb der EmK anzufangen, um damit die schwierige Situation überbrücken zu können. Dass dies der Auftakt für seinen Weg in den pastoralen Dienst würde, konnte er nicht ahnen. Roscher beschreibt diese Erfahrung so: »Ich habe mir nie selbst die Wege gesucht: Ich wollte nicht Pastor werden, ich wollte nie einen Doktortitel erwerben, ich wollte nie Superintendent werden. Es waren immer sich öffnende Türen, durch die ich hindurchging.«
Für den Pastorenberuf begabt
Aus dem kirchlichen Baubetrieb, in den er 1984 einstieg, öffnete sich die Tür für die Ausbildung zum Pastor. Menschen in den Gemeinden hatten wahrgenommen, dass in dem jungen Mitarbeiter Begabungen schlummerten, die ihn für den Pastorenberuf befähigten. So startete er in ein Vorpraktikum im Bezirk Zschorlau, gut 35 Kilometer westlich seines Geburtsorts. Daran schloss sich das sechsjährige Studium der Theologie am Theologischen Seminar der EmK im thüringischen Bad Klosterlausnitz an.
Von 1991 an war er als Pastor im Gemeindedienst. Zunächst für neun Jahre in Marienberg und danach für fünf Jahre in Zwönitz. Beide Orte liegen ebenfalls im südsächsischen Erzgebirgskreis unweit seines Heimatortes. Ab 2005 war er Pastor des Bezirks Plauen-Erlöserkirche im sächsischen Vogtland und von 2016 an für sieben Jahre im Bezirk Zwickau-Planitz, gut vierzig Kilometer südwestlich von Chemnitz gelegen. Die jüngste Dienstzuweisung führte ihn zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls EmK-Pastorin ist, nach Leipzig in die beiden Gemeinden Kreuzkirche und Bethesdakirche. Nach knapp anderthalb Jahren wechselt er nun ins Amt des für den Distrikt Zwickau zuständigen Superintendenten.
Vielfältig begabt, vielfältig interessiert
Neben seinen Dienstzuweisungen als Gemeindepastor übernahm Roscher verschiedene Aufgaben. So war er am Anfang seiner pastoralen Laufbahn zehn Jahre lang im Nebenamt Jugendsekretär der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz. Seit 2004 wirkt er im Agendeausschuss mit und ist seit 2016 Beauftragter für Gottesdienst und Agende der Zentralkonferenz. In diesem Arbeitsbereich werden deutschlandweit für die EmK die liturgischen Vorlagen für verschiedenste Gottesdienste und weitere geistliche, lebensbegleitende gottesdienstliche Anlässe aktualisiert und weiterentwickelt. Außerdem wirkt er über die EmK hinaus in der Societas Liturgica mit, einer internationalen Gesellschaft für Liturgiewissenschaft und liturgische Erneuerung. Außerdem schlägt sein Herz für die Kirchliche Erwachsenenbildung, die er seit 2008 als Sekretär im Nebenamt mitgestaltet.
Seinem theologischen und wissenschaftlichen Interesse folgend, belegte er ab 2004 einen Aufbaustudiengang »Liturgiewissenschaft« am Liturgischen Institut der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) mit dem Abschluss als »Magister Artium«. Von 2014 an arbeitete er an einer liturgiewissenschaftlichen Dissertation zum Friedensgebet in Plauen, für die er 2018 zum Doktor der Theologie promoviert wurde.
Thomas Roscher ist in zweiter Ehe mit Pastorin Katrin Roscher verheiratet.
Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.
Zur Information
Gottesdienst anlässlich des Superintendenten-Wechsels
Einführung des neuen und Verabschiedung des bisherigen Superintendenten
18. Mai um 15 Uhr
Zwickau-Friedenskirche, Lessingstraße 6, 08058 Zwickau
Der Gottesdienst ist öffentlich. Einladung gilt allen Interessierten.
Dissertation von Dr. Thomas Roscher
»Plausibilität und Lebenswirklichkeit der Liturgie – Die Plauener Friedensliturgien 1989 und 1990 als Paradigma für gegenwärtige Feierformen«
Erschienen bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig unter dem Titel »Liturgie – ein offenes Haus? – Die Plauener Friedensgebete von 1989 und 1990«
Der Distrikt
Der Distrikt Zwickau in der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz der Evangelisch-methodistischen Kirche umfasst Gemeinden in West-Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mit insgesamt rund fünfzig Gemeinden, deren Ausbreitung von Dessau bis ins vogtländische Schöneck und von Erfurt bis Zwickau reicht. Zu ihnen gehören rund 2300 Kirchenglieder. Dr. Thomas Roscher ist der neue Superintendent für diesen Distrikt. Er ist Nachfolger von Werner Philipp D.Min., der ins Bischofsamt der EmK gewählt wurde.