Evangelischer Kirchentag Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Warum Vertrauen und Zweifel zusammengehören

Jim Winkler (2. v. r.), Präsident und Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates in den Vereinigten Staaten von Amerika, Bischöfin i.R. Rosemarie Wenner (links) und Pastorin Jean Hawxhurst (2. v. l.)
Jim Winkler (2. v. r.), Präsident und Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates in den Vereinigten Staaten von Amerika, hier bei einer anderen Veranstaltung des Kirchentags zusammen mit Bischöfin i.R. Rosemarie Wenner (links) und Pastorin Jean Hawxhurst (2. v. l.), Mitarbeiterin im Ökumene-Büro des internationalen Bischofsrats der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Ein methodistischer Gast aus den USA hält im Rahmen des Evangelischen Kirchentags eine Bibelarbeit über eine eigentlich unerträgliche Geschichte.
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Beim heute zu Ende gehenden 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag war auch Jim Winkler aus den USA zu Gast. Er gehört der Evangelisch-methodistischen Kirche an und ist Präsident und Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates in den Vereinigten Staaten von Amerika. Während des Kirchentags hielt er am Freitag eine Bibelarbeit.

Eigentlich unerträglich – für die Juden zentral

»Die Organisatoren des international bekannten Kirchentags haben Humor«, eröffnete der aus Washington angereiste Methodist seine Bibelarbeit. Die Deutschen hätten doch genug berühmte Theologen wie Rahner, Moltmann, Tillich, Sölle und Bultmann. Und ausgerechnet ein Amerikaner solle die Geschichte über die Opferung Isaaks im 1. Mosebuch, Kapitel 22, Verse1-19, einen der schwersten biblischen Texte des Alten Testaments auslegen.

Er schlug vor, den Text »eher als eine Prüfung zu betrachten als einen Elternteil anzunehmen, der vorhatte, sein Kind wirklich zu opfern«. Mit einem Bogen in die Moderne gewinne die Geschichte für ihn allerdings eine neue Bedeutung: »Wenn ich an die afrikanischen und mittelamerikanischen Familien denke, die in einer so verzweifelten Situation leben, dass sie ihre unbegleiteten Kinder nach Europa und in die Vereinigten Staaten schicken, tun sie das mit dem Versprechen eines besseren Leben«, erklärt Winkler. Ihre Kinder böten sie dabei als »eine Art Opfer« an. Beides, sowohl die damals geplante Opferung Isaaks als auch die Weggabe minderjähriger Kinder auf eine lebensgefährliche Reise, sei nach unserer Auffassung »unerträglich«. Für die Juden sei die Geschichte allerdings ein zentraler Teil ihrer Bibel.

Der Zweifel bleibt Wegbegleiter

Viele jüdische Gelehrte glaubten, dass der Text das herausragende Modell des Martyriums veranschauliche. Es gehe um die Bereitschaft, »sein Leben für Gott aufzugeben«. Andere würden in diesem Abschnitt die Barmherzigkeit Gottes am Werk sehen. Christen wiederum können darin »eine Vorahnung von Gottes Opfer Jesu« entdecken. Übereinstimmung zwischen Juden und Christen findet sich in der Überzeugung, dass Abrahams Gehorsam gegenüber Gott bewundernswert sei. Die Tiefe seines Glaubens an Gott mache ihn bereit, diesen Glauben über seinen eigenen Sohn zu stellen. Dieser Art von Glauben sollten Räume im eigenen Leben eröffnet werden. »Vielleicht«, so Winkler, »ist es eine wesentliche Lektion, die wir aus diesem Abschnitt lernen können, dass es Dinge gibt, für die es sich lohnt zu sterben. Allerdings müsse immer unterschieden werden, ob es sich wirklich lohne, dafür zu sterben, oder ob die Ansichten korrigiert werden müssten.

In Anlehnung an ein Buch, bot Winkler mit drei Regeln an, eine Unterscheidung der eigenen Motive zu erzielen. Danach hätten die Bedürfnisse der Armen immer Vorrang vor den Bedürfnissen der Reichen. Außerdem habe die Freiheit der Unterdrückten Vorrang vor der Freiheit der Mächtigen. Zuletzt gehe es darum, dass an den Rand gedrängte Gruppen zu beachten seien statt sie mit der Aufrechterhaltung einer Ordnung dauerhaft von der Gemeinschaft auszuschließen. Abraham habe wohl diese Unterscheidung praktizieren können, so Winkler, weshalb die wahre Lektion dieser Geschichte vielleicht die sei, dass Abraham nicht aus blindem Glauben gehandelt habe, sondern aus ultimativem Vertrauen, das völlig in Gottes Willen aufgegangen sei. Wer so auf Gott vertraue, werde erleben, »dass Gott uns nie im Stich lässt«.

Winkler zieht daraus den Schluss: »Wir dienen einem Gott, dem wir vertrauen können, aber nicht einem, dessen Reaktionen wir alle im Einzelnen vorhersagen könnten.« Allerdings blieben Zweifel immer ein wesentlicher Bestandteil des Glaubens, und auch dieser Bibelabschnitt werfe immer noch unzählige Fragen auf und es gebe gerade bei dieser Geschichte viel Anlass für Zweifel. Aber unter diesem Ansatz habe sich auch Abraham schon auf den Weg gemacht.

Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de