Treffen in Herrnhut Von Michael Löffler  | 

Zwischen Tradition und Wandel

Unter einem steinernen Torbogen mit der Aufschrift »Christus ist auferstanden von den Toten« stehen zehn Personen: neun Männer und eine Frau. Es handelt sich um fünf Superintendenten und einen Bischof der EmK und um vier Personen der EBU.
Die Kirchenleitungen der Europäisch-Festländischen Kirchenprovinz der Evangelischen Brüder-Unität (EBU) und des deutschen Teils der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) bei ihrem Treffen in Herrnhut. Das Foto entstand am Eingang des Friedhofs unter der Inschrift »Christus ist auferstanden von den Toten«.
Bildnachweis: Michael Löffler, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Vertreter der Evangelischen Brüder-Unität und der Evangelisch-methodistischen Kirche trafen sich zum Austausch in Herrnhut.
3 Minuten

Vom 22. bis 24. Oktober 2025 trafen sich in Herrnhut, Südostsachsen, die Kirchenleitungen der Europäisch-Festländischen Kirchenprovinz der Evangelischen Brüder-Unität (EBU; auch »Herrnhuter Brüdergemeine«) und des deutschen Teils der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) zu ihrem regelmäßigen Austausch.  Das Treffen stand unter dem Thema: »Zwischen Tradition und Wandel: Wie können wir als Kirche auf die sich rasch verändernde Gesellschaft reagieren?«

Historischer Ort mit geistlicher Strahlkraft

Herrnhut, seit Juli 2024 von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, bot dafür einen eindrücklichen Rahmen. Im 18. Jahrhundert gewährte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf verfolgten Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und Mähren im heutigen Tschechien auf seinem Gut Zuflucht. So entstand die Siedlung Herrnhut, in der sich die Herrnhuter Brüdergemeine entwickelte. Zinzendorf wurde später Bischof dieser Gemeinschaft und prägte ihre weltweite Ausstrahlung.

Herrnhut und der Methodismus

Auch für den Methodismus ist Herrnhut ein bedeutsamer Ort. John Wesley, der Begründer der methodistischen Bewegung, begegnete auf seiner Reise nach Amerika Mitgliedern der Herrnhuter Brüdergemeine. Ihr tiefes Vertrauen auf Gott beeindruckte ihn nachhaltig. Einige Monate nach seiner Rückkehr nach England erlebte Wesley am 24. Mai 1738 bei einer Versammlung der Herrnhuter in der Londoner Aldersgate Street eine neue Gewissheit der Gnade Gottes – ein Wendepunkt seines Glaubens. Im selben Jahr besuchte er Herrnhut persönlich, um die dortige Brüdergemeine und ihre gelebte Frömmigkeit kennenzulernen. Tief beeindruckt von ihrer Gemeinschaft, ihrem Eifer, ihrer Glaubensgewissheit und ihrer missionarischen Haltung, nahm er wertvolle Anregungen mit, die den Methodismus nachhaltig prägten. Beispielhaft sei die Kleingruppenarbeit in Gemeinden genannt.

Geistliche Impulse und thematische Schwerpunkte

Nach dem Eröffnungsabend zum Kennenlernen und einem Abendsegen, begann der Donnerstag mit der täglichen Losung – einer für die Herrnhuter Brüdergemeine besonderen geistlichen Tradition, die von dort her auch in anderen Kirchen weltweit verbreitet ist. Der biblische Impuls »Versöhnung geht weiter« lud dazu ein, Kirche als Raum der Erneuerung und Heilung zu verstehen.

Im Mittelpunkt der Beratungen stand die Frage, wie Kirche heute glaubwürdig wirken kann – angesichts gesellschaftlicher Umbrüche, schwindender Mittel und wachsender globaler Verantwortung. In kurzen Impulsen wurden Aspekte kirchlicher Identität und missionarischer Präsenz, der Umgang mit Finanzmitteln und notwendige Strukturveränderungen ebenso thematisiert wie die unterschiedliche Praxis bei Gemeindeneugründungen und der inspirierende Blick in andere Länder. Der offene Austausch zeigte: Die Vertreter beider Kirchen teilen die Sehnsucht, Menschen in ihrer Lebenswelt zu erreichen und Glauben lebensnah erfahrbar zu machen.

Eindrücke aus Herrnhut und weltweite Perspektiven

Ein weiterer Höhepunkt war die Führung durch Herrnhut. Dabei wurde vermittelt, wie hier aus gelebter Spiritualität weltweite Verantwortung erwuchs – sichtbar in der Missionsgeschichte und in den täglichen Losungen, die Millionen Menschen auf allen Kontinenten begleiten. Die Führung fand ihren Abschluss auf dem sogenannten »Gottesacker«, dem Friedhof von Herrnhut, der mit seiner schlichten Gestaltung und der Inschrift über dem Eingangsbogen »Christus ist auferstanden von den Toten« die christliche Hoffnung auf Auferstehung und neues Leben zum Ausdruck bringt. Diese weltweite und zugleich hoffnungsvolle Perspektive prägte auch die Gespräche über die Rolle der Kirchen in einer zunehmend vernetzten Welt.

Abschluss in geistlicher Gemeinschaft

Am Freitag endete das Treffen mit der Feier des »Bundeskelchs« – einer Herrnhuter Tradition, in der die Gemeinschaft ihren Bund mit Christus erneuert und ihre Verbundenheit untereinander bekräftigt. Dieses Zeichen geistlicher Gemeinschaft und gegenseitiger Ermutigung bildete den Abschluss des Treffens. Die Vertreter beider Kirchen teilen die Hoffnung, dass das Evangelium auch in einer sich wandelnden Welt neu Gestalt gewinnt – getragen von Vertrauen, Hoffnung und der Offenheit, Gottes Wirken im Alltag zu entdecken und weiterzugeben.

 

Weitere LInks

www.ebu.de/
www.losungen.de
www.herrnhuter-sterne.de/de/
www.unesco.de/staette/siedlungen-der-herrnhuter-bruedergemeine/

Der Autor

Michael Löffler ist Theologischer Leiter der EmK-Kirchenkanzlei mit Sitz in Frankfurt am Main und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Die Evangelische Brüder-Unität (EBU) – Herrnhuter Brüdergemeine – ist eine evangelische Kirche. Der Name Brüder-Unität leitet sich von »Unitas Fratrum« ab, dem lateinischen Namen der Böhmischen Brüder im 15. bis 18. Jahrhundert. Die Europäisch-Festländische Kirchenprovinz der EBU vereint Gemeinden und Werke in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark, Schweden, Estland, Lettland und Albanien. Weltweit hat die EBU 29 Provinzen. Bekannte Produkte »der Herrnhuter« sind die »Losungen« sowie der »Herrnhuter Stern«. Die EBU ist der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angegliedert und zugleich Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Sie gehört auch zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland.

Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) hat volle Kirchengemeinschaft mit der Nördlichen und mit der Südlichen Provinz der EBU in den USA.

Die Methodisten verbindet vieles mit der Geschichte der Herrnhuter. John und Charles Wesley kamen erstmalig auf ihrer Missionsreise nach Amerika während der Überfahrt mit dem Schiff mit einer Gruppe Herrnhuter in Berührung, deren tiefer und fester Glaube sie sehr beeindruckte. Später wurden die beiden Wesley-Brüder in Bibelstunden der Herrnhuter in London geistlich stark berührt, was mit den Anstoß für die methodistische Erweckungsbewegung gab. Außerdem traf John Wesley bei einer Deutschlandreise auch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760), der prägendsten Gestalt der Herrnhuter und ihr damaliger Bischof.

Im Jahr 2012 vereinbarten die Europäisch-Festländische Kirchenprovinz der Evangelischen Brüder-Unität (EBU) und die Zentralkonferenz Deutschland der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) regelmäßige Begegnungen zur gegenseitigen Beratung und Intensivierung der Zusammenarbeit. Die bisherigen Begegnungen fanden in Herrnhut (2012), Reutlingen (2015), Amsterdam (2018) und Schwarzenshof (2023) statt. Coronabedingt fand das Treffen 2021 nur in digitaler Form statt. Das nächste Treffen ist für das Jahr 2027 geplant. Der Ort steht noch nicht fest.