Der Moment, in dem Vertrauen geboren wird
Vom 7. bis 11. Mai tagt die Norddeutsche Jährliche Konferenz, das Kirchenparlament für die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) im Norden Deutschlands. Gastgeber ist in diesem Jahr die evangelisch-methodistische Kreuzkirche in Berlin-Lankwitz. Dort fand am gestrigen Mittwochabend, dem 7. Mai, der Eröffnungsgottesdienst mit Abendmahl statt. Die Tagung steht unter dem Motto »Auf dich vertrau ich«.
Ein Lied als geistlicher Anker
Alles beginne mit Vertrauen. Es präge die Beziehung der Menschen zu Gott selbst und die Gemeinschaft untereinander. Die Zusage Jesu »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt« (Markus 9,23b) sei kein Versprechen grenzenloser Machbarkeit, vor allem wenn in Zeiten der Krise nach einem Ausweg gesucht werde. »Es ist ein Hinweis darauf, dass Vertrauen Räume öffnet, wo vorher alles verschlossen schien«, sagte Werner Philipp in seiner Predigt zur Eröffnung der Konferenztagung.
Der seit der Amtsübergabe Anfang April für Deutschland zuständige Bischof der EmK erklärte, dass Vertrauen die Kirche verändern könne, aber auch die Gesellschaft als Ganzes: Mit Vertrauen könne eine Kirche, der viele nicht mehr viel zutrauen, neu aufblühen, sagte Philipp und fuhr fort: »Eine Gesellschaft, die von Polarisierungen und Hass hin- und hergerissen wird, kann wieder zueinander und zum Frieden finden.«
Welche Rolle das Vertrauen auf Gott und das Vertrauen der Glaubenden ineinander spielt, will die diesjährige Tagung mit dem Motto »Auf dich vertrau ich« deutlich machen. Dieser Satz stammt aus dem bekannten Taizélied »Meine Hoffnung und meine Freude«. Für viele sei dieses Lied »zu einer Art geistlichem Anker geworden« in Momenten der Stille, in Unsicherheit und Trauer – aber auch des Neubeginns, sagte Werner Philipp in seiner Predigt über die »Heilung eines besessenen Knaben«, die im Markusevangelium erzählt wird (Kapitel 9, Verse 14–29).
Ein Geist des Nicht-aufeinander-Hörens
In dieser Heilungsgeschichte stehe am Anfang die Verzweiflung, und zunächst sei keine Lösung erkennbar. Ein Vater bringt seinen besessenen Sohn zu den Jüngern; aber niemand kann helfen. Der Sohn kann nicht reden, ein sprachloser Geist reißt ihn zu Boden mit Schaum vor dem Mund. Es herrsche eine Hilf- und Sprachlosigkeit – nicht nur beim kranken Sohn, sondern auch beim Vater und bei allen, die durcheinanderreden, aber nichts erreichen könnten.
»Der Geist des Nicht-aufeinander-Hörens und der Sprachlosigkeit wirkt nicht nur im Kind, sondern in der ganzen Szene«, beschreibt Philipp die Szenerie, um dann von der biblischen Geschichte eine Parallele in die Gegenwart zu ziehen: Auch heute gebe es in Kirche und Gesellschaft Debatten, in denen keiner mehr zuhöre: »kirchliche Konflikte, in denen das Vertrauen schwindet; eine Gesellschaft, in der Menschen sich anschreien, aber nicht mehr miteinander sprechen; ein Glaube, der sich in Aktionismus erschöpft, aber keine innere Kraft mehr hat und in all dem: Menschen, die schreien oder verstummen – weil sie sich alleingelassen fühlen«, so der Bischof.
Jesus nimmt angefochtenen Glauben ernst
In der Geschichte im Markusevangelium werde am Ende nicht nur der Junge geheilt, sondern auch der Vater. Denn auch dieser sei – wie der Sohn – hin- und hergerissen: »Er will glauben. Er sucht Hilfe. Aber er weiß nicht mehr, ob er hoffen darf.« Er spricht Jesus in seiner Verzweiflung an: »Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns.« Das sei »keine große Glaubensformel«, erklärte Philipp, »sondern ein zerbrechlicher Hilferuf – eher aus der Verzweiflung geboren.«
In dieser Situation heile Jesus nicht sofort. Stattdessen antworte er dem hilflosen Vater: »Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.« Dies sei der Wendepunkt gewesen, erklärte Philipp: »Jesus lenkt den Blick weg von der Ohnmacht hin zur Beziehung zwischen Mensch und Gott.« Damit stehe nicht im Mittelpunkt, was Jesus tun könne, sondern die Frage an den Vater, ob er vertraue.
Die Antwort des Vaters – »Ich glaube; hilf meinem Unglauben!« – bezeichnete der Bischof als »einen der bewegendsten Sätze der Bibel«. Da komme keine »heldenhafte Glaubenshaltung« zum Vorschein, sondern die Realität wie gleichzeitig Glaube und Zweifel in einem Herzen wohnten. Diesen angefochtenen Glauben nehme Jesus ernst. Es brauche nicht viel – nur die Offenheit, sich auf Gott einzulassen. Dieser Ausruf des Vaters sei »kein Scheitern, sondern der Moment, in dem Vertrauen geboren wird«, betonte der Bischof.
Vertrauen als Voraussetzung für einen gemeinsamen Weg
Das Vertrauen zeige sich in zwei Dimensionen. Zuerst gehe es um das Vertrauen zu Gott. »Gerade in all den Krisen und Turbulenzen, die unsere Welt erschüttern – ist dieses Vertrauen zu Gott wie ein Lebenselixier, wie frisches Wasser in einer dürren Landschaft«, hielt Philipp fest.
Ebenso wichtig sei das Vertrauen untereinander: Die »Kirche ist der Raum, in dem wir lernen, einander zu vertrauen«. Jetzt wo die Menschen in der EmK mit großen Fragen und Veränderungen umgehen müssten, brauche es gegenseitiges Vertrauen: »Vertrauen zueinander ist nicht Luxus, sondern Voraussetzung für einen gemeinsamen Weg«, hob der Bischof hervor.
Wechsel im Superintendentenamt
In den vom heutigen Donnerstag bis Samstag anstehenden Geschäftssitzungen der Tagung soll eine neue Arbeitsweise im Gebiet der Norddeutschen Konferenz beschlossen werden. Die bisherige Struktur dreier Distrikte unter der Leitung einer Person im Superintendentenamt, soll aufgegeben werden. Künftig soll es nur noch einen Distrikt geben, dem zwei Personen im Superintendentenamt vorstehen. Dazu sollen zehn Regionen gebildet werden, in denen die Bezirke künftig enger zusammenarbeiten werden.
Am Konferenzsonntag steht ein mehrfacher Amtswechsel im Superintendentenamt an. Die Superintendentin für den Distrikt Hamburg, Irene Kraft, sowie die beiden Superintendenten für die Distrikte Essen und Berlin, Stefan Kraft und Gabriel Straka, beenden regulär ihren Dienst. Als Nachfolger werden die Pastoren Holger Sieweck und Olaf Wischhöfer durch Bischof Werner Philipp in ihr Amt eingeführt.
Der Autor
Michael Putzke lebt in Bremen. Er ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und leitet die Redaktion des zweiwöchentlich erscheinenden Kirchenmagazins »Unterwegs«. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.
Zur Information
Der Schlussgottesdienst der Norddeutschen Jährlichen Konferenz kann per Internetübertragung mitverfolgt werden:
11. Mai 2025, 10 Uhr, Übertragung per You-Tube
Die Norddeutsche Jährliche Konferenz ist ein Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche. Ihr Gebiet umfasst die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Teile von Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Es gliedert sich bisher in die Distrikte Berlin, Essen und Hamburg. Das Kirchenparlament hat rund 120 Mitglieder. Es ist zuständig für 92 Gemeinden in 59 Bezirken mit rund 7.900 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen. (Stand 31.12.2023)