Norddeutsche Jährliche Konferenz Von Michael Putzke, Klaus Ulrich Ruof  | 

Die Kirche von morgen wird eine andere sein

Hinter den sechs Personen, die sich zum Foto aufgestellt haben, steht links das Motto der Konferenztagung, »Auf dich vertrau ich«, mit weiteren Angaben zur Tagung, rechts ein großes Kreuz und in der Mitte auf zwei Tischen eine Bibel und ein Blumenstrauß.
Segnung und Entpflichtung: Bischof Werner Philipp D. Min. (3. von links) segnete die neuen Superintendenten der Norddeutschen Jährlichen Konferenz (von links) Olaf Wischhöfer und Holger Sieweck. Von ihrem bisherigen Superintendentenamt entpflichtet wurden (von rechts) Stefan Kraft, Irene Kraft und Gabriel Straka.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Die beiden neuen Superintendenten der Norddeutschen Jährlichen Konferenz predigen im Abschlussgottesdienst. Sie ermutigen zur Veränderungsbereitschaft.
7 Minuten

Vom Mittwoch, 7. Mai, bis zum gestrigen Sonntag, 11. Mai, tagte die Norddeutsche Jährliche Konferenz, das Kirchenparlament für die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) im Norden Deutschlands. Gastgeber war die evangelisch-methodistische Kreuzkirche in Berlin-Lankwitz. Dort fand am gestrigen Sonntag der Abschlussgottesdienst statt. Die Tagung stand unter dem Motto »Auf dich vertrau ich«.

Unterstützung und Zuspruch sind nötig

In Aufnahme des Themas lautete das abschließende Gottesdienstthema denn auch: »Auf dich vertrau ich – in einer sich verändernden Kirche«. Was es braucht, wenn man sich Veränderungen stellen muss, war die Frage, der sich die beiden neuen Superintendenten in ihrer Predigt wechselweise stellen. »Ich brauche für Veränderungen eine innere Stärke und Mut, viel Mut«, sagt Olaf Wischhöfer zum Auftakt und vertieft den Gedanken sofort: »Denn erst in den Schritten, die ich gehe, wird Gott uns seine Zukunft geben; nicht im Predigen und nicht im Nachdenken.«

Am Anfang des alttestamentlichen Buches Josua (die Predigt geht über Josua 1,1-11) übernimmt die Hauptperson nach Moses Tod die Leitung des Gottesvolkes. »Josua ist der Neue, ein eindeutiges Berufungsverfahren ohne Konklave, ohne außerordentliche Jährliche Konferenz, ohne Berufung durch den Bischof«, so Holger Sieweck. Auch ein Mann wie Josua habe Unterstützung und Zuspruch gebraucht, auch wenn er unmittelbar von Gott berufen worden war. Gleich dreimal sei Josua von Gott ermutigt worden, »getrost und unverzagt« zu sein. Schon damals sei also ein Amtswechsel »eine Zumutung« gewesen und heute immer noch; sowohl »für die, die sich der Herausforderung stellen, als auch für die, die sich auf eine neue Leitung einlassen müssen«, so Sieweck.

Beispiele für Veränderung und neuen Aufbruch

Die zwei Superintendenten erinnern an Momente, in denen Menschen in der deutschen Geschichte vor großen Herausforderungen standen. Vor »zweimal vierzig Jahren« hätten die Menschen nach dem Krieg im Schutt und in Trümmern ihrer Städte gestanden. Sieweck spricht daraufhin Menschen in der Gemeinde unmittelbar an, weil »einige von euch« die Zeit vor achtzig Jahren noch in persönlicher Erinnerung hätten. Es seien die Frauen der Gemeinden gewesen, »die die Kirchengrundstücke enttrümmerten, manchmal noch bevor sie ihre eigenen Wohnungen und Häuser wieder herrichteten«. Das noch kaum vorhandene Geld sei zusammengelegt worden, »um die Gemeinderäume wieder herzurichten«, und nachts sei »das erworbene Baumaterial auf den Baustellen vom Jugendkreis bewacht worden« so Sieweck.

Knapp fünfundvierzig Jahre später, im Jahr 1989, hätten sich Menschen nach den Friedensgebeten in Leipzig und überall im Osten des Landes versammelt. Es sei um Veränderungen, Meinungsfreiheit, Mitgestaltungsrechte in einem korrupten System gegangen. Dann sei es geschehen, »das Geschenk, das Wunder der friedlichen Wende, das eine lange getrennte Nation vor Freude taumeln lässt« erzählt Sieweck, der selbst in der DDR aufwuchs. Es sei »eine neue Landnahme« gewesen: »Endlich konnte das andere Ufer hinter der Mauer, dem Stacheldraht, den Selbstschussanlagen in Augenschein genommen und die Verwandten und Freunde besucht werden« und auch »die Partnergemeinden jenseits der Mauer«.

Für das Gebiet der heutigen Norddeutschen Jährlichen Konferenz habe das auch Auswirkungen gehabt, weil die nordwestdeutschen und nordostdeutschen Konferenzgebiete und damit völlig unterschiedliche Lebenswirklichkeiten und Kirchenerfahrungen zusammengeführt worden seien. »Wie gut das tat, neu zu denken mit so ganz verschiedenen Erfahrungen«, beschreibt der neue Superintendent die Veränderungen aus heutiger Sicht.

Gemeinsam den »Auf-dich-vertrau-ich«-Glauben leben

Erneut wechselt der Prediger. Jetzt spricht Wischhöfer davon, dass die Mitglieder der Jährlichen Konferenz in den zurückliegenden dreißig Jahren auch an Schwellen der Veränderung gestanden hätten. »Wir wollten Veränderung, Gemeinde der Zukunft, Kirche der Zukunft – und dann bekamen wir Angst«, gibt er zu. Es habe zwar Entscheidungen gegeben, »über den Jordan zu gehen«, der Schritt sei dann aber einfach nicht gewagt geworden, »weil‘s auf dieser Seite irgendwie auch nicht schlecht war oder bequemer, denn auf dieser Seite kannten wir uns aus«, führt Wischhöfer die zuvor von seinem Kollegen geäußerten Gedanken zur Veränderung weiter aus. Mit der Aussage »›da drüben‹ ist das Leben anders. Können wir das? Wollen wir das?« stellt er rückblickend die aufrichtige Bereitschaft und den Willen zur Veränderung betont infrage.

Veränderungen würden kommen, auch gesellschaftlich und politisch. Auch »die Kirche von morgen wird eine andere Kirche sein als wir sie gewohnt sind«, so Wischhöfer. Kirche, auch die EmK, tue sich damit schwer. Es sei schwer, alte Muster zu verlassen und daran anzuknüpfen, »was uns hervorgebracht hat: eine Bewegung«. Gerade eine Kirche, die immer noch im Begriff sei, kleiner zu werden, müsse sich darüber klarwerden. »Wir werden da durchmüssen. Wir werden darin stark und mutig sein müssen. Unverzagt; nicht jammernd; nicht dauernd nach Schuldigen suchend«, fordert Wischhöfer die Gottesdienstgemeinde zur Ehrlichkeit und zur Zuversicht auf.

Zusammen mit seinem Kollegen Sieweck stellt er sich in die Gemeinschaft der Konferenzmitglieder und der konferenzweiten Gottesdienstgemeinde: »Wir möchten mit euch den ›Auf-dich-vertrau-ich‹-Glauben leben. Wir möchten mit euch auf der Grundlage der Heiligen Schrift nach Gottes Willen fragen und nach der Bedeutung von Nachfolge und Kirche-sein in dieser Zeit – in den Veränderungen, die vor uns liegen, die wir noch nicht einmal erahnen.«

Formaler Amtswechsel im Superintendentenamt erst im Sommer

Im Rahmen des Gottesdienstes segnete Werner Philipp, der für Deutschland zuständige Bischof der EmK, die beiden neuen Superintendenten Olaf Wischhöfer und Holger Sieweck für den vor ihnen liegenden Dienst. Irene Kraft, Stefan Kraft und Gabriel Straka verabschiedete der Bischof aus ihrem seitherigen Superintendentenamt und segnete sie für ihren weiteren Weg. Die formale Amtsübergabe findet im Sommer statt.

Beratungsergebnisse der Konferenztagung

Während der Sitzungen von Donnerstag bis Samstag bestätigten die Konferenzmitglieder die weitere Umsetzung der im vergangenen Jahr beschlossenen Änderungen der Distrikte innerhalb der Norddeutschen Jährlichen Konferenz. Die bisherige Unterteilung des Konferenzgebiets in drei Distrikte unter der Leitung von je einer Person im Superintendentenamt wird aufgegeben.

Von Juli dieses Jahres an gibt es nur noch einen Distrikt, der das ganze Konferenzgebiet abdeckt. Geleitet wird der Distrikt vom in Berlin wohnenden Superintendenten Holger Sieweck und dem von Osnabrück aus agierenden Superintendenten Olaf Wischhöfer. Dafür werden zehn Regionen gebildet, in denen eine engere Zusammenarbeit zwischen den Bezirken gefördert wird. Wie diese engere Zusammenarbeit ausgestaltet wird, berieten die Konferenzmitglieder in Arbeitsgruppen während der Tagung in Berlin.

Abschlussbericht der Superintendenten

Irene Kraft, Superintendentin für den Distrikt Hamburg, sowie die beiden Kollegen Gabriel Straka für den Distrikt Berlin und Stefan Kraft für den Distrikt Essen, legten letztmalig den Bericht über ihre Arbeit vor. Stefan Kraft füllte das Amt sieben Jahre aus und wechselt als Pastor in eine Gemeinde im Bereich der Süddeutschen Jährlichen Konferenz. Nach zehn Jahren im Amt wechselt Straka wieder in den Gemeindedienst in Berlin. Irene Kraft übernimmt nach ebenfalls zehnjähriger Amtszeit einen geteilten Dienst in einer Gemeinde und in der Bethanien-Diakonissen-Stiftung in Hamburg.

Die drei ziehen eine ehrliche Bilanz für die Arbeit der EmK im Norden Deutschlands. Fünfzehn Gemeinden seien in dieser Zeit aufgegeben worden, was etwa fünfzehn Prozent aller Gemeinden im Konferenzgebiet entspreche. Die Zahl der zur Kirche gehörenden Personen habe sich zwischen 2014 und 2023 um rund 25 Prozent verringert. Schon jetzt sei absehbar, dass weitere Gemeinden geschlossen werden müssten.

Dieser ernüchternden Bilanz stellten sie nach vorn gerichtete Gedanken an die Seite: Was Gemeinden voranbringe und was einer guten Gemeindeentwicklung im Wege stehe, fragten sie. Dabei verwiesen sie auf die fünf Kennzeichen, die Robert C. Schnase in seinem Buch »Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet« formulierte: »Radikale Gastfreundschaft, leidenschaftliche Gottesdienste, zielgerichtete Glaubensentwicklung, risikobereite Mission sowie außerordentliche Großzügigkeit«. Zwei weitere Kennzeichen fügten sie in ihrem Bericht an: »Die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen sowie der konstruktive Umgang mit Konflikten.«

Gemeinden entwickelten sich in der Regel vitaler, wenn Ehrenamtliche und Hauptamtliche in der Leitung von Gemeinden geistlich gemeinsam unterwegs seien und das Reich Gottes im Blick hätten, hob Stefan Kraft hervor. Wenn Leitung so praktiziert werde, wirke sie viel stärker in die Gemeinde hinein, »als wenn nur verwaltet wird, was vorhanden ist, damit morgen noch ein Gottesdienst stattfinden kann«. Das sei zu wenig, um Gemeinden zu begeistern, erklärte der scheidende Superintendent des Essener Distrikts.

Dank für die Ehrlichkeit

In der Aussprache dankten viele Konferenzmitglieder für die ehrliche Bilanzierung der Superintendenten. Angesichts der ernüchternden Bilanz verwies Wischhöfer darauf, dass der Dienst der drei immer so ausgerichtet gewesen sei, dass sie »Neues ermöglichen wollten«. Der Bremerhavener Pastor Christhard Elle ergänzte: »Ihr (die drei Superintendenten; Red.) habt uns herausgelockt, mutig zu sein, aber wir müssen noch viel mutiger werden.«

Neugründungen von Gemeinden

Ermutigende Akzente brachte die Fachgruppe Gemeindeleben ein, für die Elle über die Gemeindegründungsprojekte im Konferenzgebiet informierte. Dazu gehört auch die seit zwei Jahren bestehende »Wohnzimmer-Kirche« im niedersächsischen Vechelde. In dem westlich von Braunschweig gelegenen Vorort treffen sich vor allem junge Familien. Im zurückliegenden Jahr startete das »Auflade-Pause« genannte Projekt, bei dem in Berlin geistliche Angebote für Suchende angeboten werden.

Darüber hinaus berichtete Elle von weiteren Gemeinden: In der Gründungsphase sei die Internationale Gemeinde in Düsseldorf unter der Leitung der US-amerikanischen Pastorin Nicol Sims. In Bispingen, im Süden der Lüneburger Heide, will der Bezirk Hamburg-Harburg eine Gemeindearbeit unter Geflüchteten aus der Ukraine beginnen. Vor einigen Jahren startete bereits die englischsprachige »Kiel-Church«. Diese Gemeinden seien inspirierende Modelle, so Elle. Davon könnten sich auch schon lange bestehende Gemeinden ermutigen lassen, um ihre Arbeit mutig und zukunftsoffen zu gestalten. – Hoffnungszeichen für die Norddeutsche Jährliche Konferenz, die sich mutig einer ernüchternden Bilanz im Bericht der scheidenden Superintendenten stellte.

 

Weiterführende Links

Buchtipp: Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet

Die Autoren

Michael Putzke lebt in Bremen. Er ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und leitet die Redaktion des zweiwöchentlich erscheinenden Kirchenmagazins »Unterwegs«. Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Die Norddeutsche Jährliche Konferenz ist ein Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche. Ihr Gebiet umfasst die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Teile von Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Es gliedert sich bisher in die Distrikte Berlin, Essen und Hamburg. Das Kirchenparlament hat rund 120 Mitglieder. Es ist zuständig für rund 90 Gemeinden mit rund 7.750 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen. (Stand 31.12.2024)