Selbstvergessen für andere da sein
Vom 6. bis 9. Juni tagte die Ostdeutsche Jährliche Konferenz, das Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) für einen großen Teil Ostdeutschlands. Die Tagung in Aue endete mit Gottesdienst und Begegnungstag für die evangelisch-methodistischen Gemeinden im Erzgebirge.
Kraft für jeden Tag – aber nicht auf Vorrat
»Sorgt euch nicht! Atmet auf – lebt im Heute!«, rief Harald Rückert der großen Konferenzgemeinde in seiner Predigt zu. Der für Deutschland zuständige EmK-Bischof erinnerte an Worte Jesu aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 6, Verse 25 bis 34), in denen Jesus einlädt, sich von den Sorgen des Alltags nicht entmutigen zu lassen. Rückert schlug eine Brücke zu den heutigen Sorgen und zu den Sorgen, die bei den Menschen und Gemeinden in der Ostdeutschen Konferenz vorhanden sind. »Die Sorge gehört zu unserem Leben dazu, notwendigerweise.« Jeder versuche, sich selbst zu erhalten und abzusichern. Menschen begnügten sich nicht mit dem, was sie haben, sondern wollten mehr. Sie versuchten, die Zukunft zu planen und sie damit in den Griff zu bekommen. Das habe, zugegebenermaßen viel Fortschritt und Entwicklung gebracht.
Gegen Entwicklung, gegen Fürsorge oder Vorsorge sei nichts einzuwenden. Dass sich also die Mitglieder der Jährlichen Konferenz Gedanken darüber machten, wie die künftige Gestalt der Kirche aussehen solle, sei genau ihre Aufgabe. »Sorgt nicht!« sei daher kein Wort gegen Fürsorge und Vorsorge, sondern vielmehr eine Aussage darüber, in welcher Art und Weise Menschen ihre Zukunft zu bewältigen suchen.
Der Auslöser für Sorgen jeder Art sei, dass der Mensch heute schon sein Morgen fest im Griff haben wolle. So beschäftigten sich die Menschen mit den Sorgen von morgen. Das nehme ihnen den Atem. Denn, so der Bischof, »die Sorgen von heute und morgen zusammen sind nicht zu tragen«. Deshalb sei es wichtig, im Heute zu leben, wie es Jesus betone. »Nehmt heute die Kraft in Anspruch, die ihr für heute braucht, und ihr werdet sie bekommen; nicht auf Vorrat für morgen und übermorgen, aber für heute.« So könne heute bewältigt werden, was heute nötig sei, und morgen könne getan werden, was morgen dran sei, so Rückert. Deshalb forderte er die Konferenzgemeinde dazu auf, sich locken zu lassen, »das Evangelium in seiner wunderschönen Fülle und seiner unwiderstehlich einladenden Kraft verschwenderisch mit eurer Umgebung zu teilen«. Dazu gehöre »Mut, selbstvergessen für andere da zu sein«. Wer so denke und handle, komme nicht zu kurz. »Ihr habt einen großzügigen himmlischen Vater, der für euch sorgt; überlasst euch ganz ihm.«
Kooperationsräume zur Bewältigung finanzieller und personeller Engpässe
Bei der Konferenztagung in Aue fassten die Mitglieder der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz weitreichende Beschlüsse. Einer wurde bei der Verlesung der Dienstzuweisungen durch den Bischof deutlich. Einige der Bezirke sind jetzt in sogenannten »Kooperationsräumen« zusammengefasst. Auf diese Weise solle die Kirche vor Ort trotz geringerer finanzieller und personeller Möglichkeiten besser erlebbar werden. Mittels durchlässigerer Bezirksgrenzen könne so die gemeinsame Arbeit gestärkt werden. So würden Bezirke und Gemeinden nicht mehr nur nebeneinander existieren, sondern besser kooperieren. Diese strukturelle Veränderung brachten die Konferenzmitglieder auf Anregung der beiden Superintendenten Werner Philipp und Mitja Fritsch auf den Weg.
Gespräche mit der Bethanien Diakonissen-Stiftung über Zukunft von »Schwarzenshof«
Sehr intensiv hatten die Konferenzmitglieder die Zukunft der Begegnungs- und Bildungsstätte Schwarzenshof diskutiert. Mit großer Mehrheit fiel der Beschluss, Verhandlungen mit der Bethanien-Diakonissen-Stiftung zu führen, um möglichst das gesamte Anwesen zum 1. Januar kommenden Jahres an die Stiftung zu übergeben. Dem schmerzlichen Beschluss war ein zwei Jahre währender Prozess über die Zukunft der Schwarzenshofer Einrichtung vorausgegangen. Die gründliche Untersuchung des Geschäftsbetriebs sowie die Schätzung des Immobilienwerts führte zu der schmerzlichen Erkenntnis, dass »Schwarzenshof« nicht dauerhaft mit Subventionen aus Mitteln der Konferenz weiterbetrieben werden kann. Bemühungen, einen Käufer auf dem freien Markt zu finden, waren ebenfalls erfolglos geblieben, sodass eine Übernahme durch die Bethanien-Diakonissen-Stiftung als naheliegendste Lösung in Betracht kam.
Mit der in Frankfurt am Main ansässigen Stiftung gibt es bereits an verschiedenen Orten im Gebiet der Ostdeutschen Konferenz durchgeführte Projekte. So übernahm die Stiftung die vormalige Begegnungsstätte im erzgebirgischen Scheibenberg und entwickelte dort den Bethanien-Campus mit Senioren-Residenz und Wohngemeinschaften für insgesamt bis zu acht Mütter, der Ende dieses Jahres seiner Bestimmung übergeben wird. In Rudolstadt, ganz in der Nähe von Schwarzenshof, gibt es schon seit vier Jahren mit der Seniorenwohnanlage Bethanien-Residenz im Rudolspark eine methodistische Altenheimarbeit mit dreißig barrierefreien Wohnungen. So verbinden die Mitglieder der Konferenz mit einer Übergabe von Schwarzenshof an die Stiftung die Hoffnung, dass Schwarzenshof in methodistischer Hand bleibt und das Projekt »Kirche in anderer Gestalt« in diakonischer Trägerschaft weitergeführt werden kann.
Kirchlicher Haushalt und der »biblische Zehnte«
Wie in Zeiten knapper werdender Kassen der kirchliche Haushalt für die kommenden Jahre ausgeglichen gestaltet werden könne, war ebenfalls Thema der Plenumssitzungen während der Konferenztagung. Ausführlich ging es dabei um das biblische Prinzip des »Zehnten«. Die Konferenzmitglieder beschlossen, »sich das biblische Prinzip des ›Zehnten‹« zu eigen zu machen und »nach diesem biblischen Prinzip zu leben und mit Gott zu ›rechnen‹«. Um dieses Thema in der Konferenz und für die Gemeinden voranzubringen, werden Gremien Inhalte und Vorlagen erarbeiten.
Die Beratungen über die finanzielle Situation der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz zeigten deutlich, dass die Finanzen in den kommenden Jahren weiterhin ein zentrales Thema sein werden. Dazu beschlossen die Konferenzmitglieder nahezu einstimmig, dass »eine klare Perspektive, wie wir als Kirche mit knappen Ressourcen arbeiten wollen« zu entwickeln ist. Dazu müssten Finanzen, Immobilien, Struktur und Personal umfassend in den Blick genommen werden. Das Thema dürfe dabei allerdings nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden. Es sei auch eine theologische Auseinandersetzung nötig. Die beiden Superintendenten der Konferenz wurden beauftragt, diesen Prozess zu starten. Bei der Konferenztagung im nächsten Jahr sollen Ergebnisse vorgelegt werden, wie der Prozess gestaltet werden kann.
Abschottung hat auf Dauer keinen Bestand
Mit großer Mehrheit wurde ein Wort an die Gemeinden anlässlich der anstehenden Wahlen im September für die Landtage von Brandenburg, Sachsen und Thüringen verabschiedet. »Angesichts der großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen ist es unverzichtbar miteinander im Gespräch zu sein«, heißt es darin mit Verweis auf das Jesuswort, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein (Matthäusevangelium Kapitel 5, Verse 13-16). Im Blick auf Skepsis und Kritik am demokratischen System betont das Wort an die Gemeinden: »Hass gegenüber Menschen, Erniedrigung und persönliche Demontage von Verantwortungsträgern sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.« Angesichts vieler Herausforderungen sei Abgrenzung keine Lösung. »Aus der DDR-Geschichte wissen wir, dass Abschottung, ob nach innen oder außen, auf Dauer keinen Bestand hat. Dass Mauern fallen, ist eine heilsgeschichtliche Erfahrung.«
Mit großer Sorge ist vom »Wiedererstarken längst überwunden geglaubter rassistischer Gedanken und Handlungsmuster in neuen Ausführungen« die Rede. Dabei sehr erschreckend, »dass frühere politische Denkmuster des Nationalsozialismus oder des DDR-Regimes immer mehr Verbreitung finden«. Im Mittelpunkt von Wahlentscheidungen müsse »die unantastbare Würde des Menschen« stehen. »Sie ist nicht nur nach unserem Grundgesetz oberste Richtschnur staatlichen Handelns, sondern auch Ausdruck des christlichen Glaubens, der den Menschen als Ebenbild Gottes versteht.« Deshalb, so heißt es weiter, »sind für uns Christen die AfD und weitere rechtsnationale Parteien nicht wählbar«, weil sie mit ihren Haltungen die Menschenwürde angriffen und »deshalb mit dem christlichen Glauben unvereinbar« seien.
Gleichzeitig lädt »das Wort« zum »ehrliche(n) Gespräch miteinander« ein. Kritik an der Regierung oder der Opposition würden dazugehören. Es brauche aber auch »Demut und Geduld angesichts der komplizierten Herausforderungen unserer Zeit«. Nicht zuletzt gehöre dazu das Gebet, »auf dass wir in Frieden leben können – und unsere Mitmenschen auch«.
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Die Autoren
Stephan Ringeis lebt in Leipzig und ist Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunkarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche für die Ostdeutsche Konferenz. Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.
Zur Information
Die Ostdeutsche Jährliche Konferenz ist ein Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche. Ihr Gebiet umfasst die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt und gliedert sich in die Distrikte Zwickau und Dresden. Das Parlament hat rund 160 Mitglieder. Es ist zuständig für rund 110 Gemeinden in 45 Bezirken mit rund 10.700 Kirchengliedern und Kirchenangehörigen (Stand: 31.12.2023).
Die nächste Tagung der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz findet vom 23. bis 25. Mai 2025 im Raum Annaberg statt.