Das neue Leben umarmen
Der gestrige Donnerstag stand bei der Tagung der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im Zeichen der Schöpfungsverantwortung. Die Auseinandersetzung mit Umweltfragen hat beim ÖRK eine lange Tradition. Bei der jetzigen Vollversammlung verband sich dieses Thema mit dem in Deutschland von den Kirchen traditionell Anfang September begangenen »Tag der Schöpfung«.
Zuversicht oder Erschöpfung
»Gott hat den Menschen erschöpft.« Diesen zum Schmunzeln anregenden Satz aus einer schulischen Klassenarbeit zitiert Erzpriester Radu Constantin Miro, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland, in seinem Vorwort des Gottesdienstprogramms für den Tag der Schöpfung. Formuliert hatte ihn die Schülerin in Miros orthodoxem Religionsunterricht an einer Kölner Schule. Miro ergänzt: »Mir wurde mal wieder klar, wie schwer doch unsere Sprache und wie wichtig manchmal ganz kleine Unterschiede wie zwischen ›Erschöpfung‹ und ›Schöpfung‹ sind«.
Diese Begebenheit skizziert auf bildhafte Weise die thematische Spannung, die von der Beschäftigung mit den Fragen des Klimawandels ausgeht. Die kirchlich formulierte Schöpfungsverantwortung mit allen dazugehörigen Anstrengungen wird begleitet von spürbarer Erschöpfung angesichts empfundener Aussichtslosigkeit und den an vielen Stellen formulierten Zwängen, aus denen scheinbar kein Entkommen möglich ist. Die morgendliche Pressekonferenz des Tagesschwerpunkts Schöpfung am Donnerstag gab dazu einen guten Einblick in die Tragweite der Fragen rund um den Klimawandel.
Der Klimawandel verlangt eine Reaktion aus dem Glauben heraus
»Klimawandel betrifft jeden, besonders aber die jungen Leute und vor allem die, die noch gar nicht geboren sind«, sagte Joy Kennedy. Die Vorsitzende der ÖRK-Arbeitsgruppe zum Klimawandel verwies auf das jahrelange Engagement dieser Arbeitsgruppe für die Idee, wie eine »lebenswerte Zukunft« aussehen könne.
Immer schon habe die Arbeitsgruppe auf internationaler Ebene die vom Klimawandel verursachten Belastungen indigener Völker zur Sprache gebracht. Inzwischen sei daraus eine Zusammenarbeit mit indigenen Interessengruppen erwachsen, um der gefährdeten Lebensgrundlage dieser Menschen und Volksgruppen mehr Gehör zu verschaffen. Denn an den häufig unbeachteten Rändern außerhalb der boomenden Wirtschaftsnationen sei der Klimawandel schon angekommen. Der Verlust der biologischen Vielfalt und die menschengemachten negativen ökologischen Veränderungen seien »existenzielle Themen, die spirituelle und moralische Fragen und die Frage nach der Gerechtigkeit aufwerfen, die eine Reaktion aus unserem Glauben heraus verlangen«.
Die Berücksichtigung indigener Perspektiven sei entscheidend, um den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft zu finden, die sich nicht mehr durch Wachstum und die Ausbeutung fossiler Energieträger definiere. Das müsse die Vollversammlung zum Thema machen. Der Tag der Schöpfung mache deutlich, dass es unbedingt nötig sei, »auf die Stimme der Schöpfung zu hören«.
Das erfordere »ein neues Verständnis«, das Joy Kennedy als »kosmologische Sicht« beschrieb, in der »die Art und Weise, wie wir unsere Beziehung als menschliche Spezies zur natürlichen Welt, zu Gott, zur gesamten Schöpfung und zum Kosmos« sehen, eine neue Ordnung erfahre. Dafür sei die Sicht und Betroffenheit indigener Völker unbedingt einzubeziehen, sonst könnten die notwendigen und schnell durchzuführenden Veränderungen nicht erfolgreich bewältigt werden.
»Ihr müsst uns unbedingt hören«
Julia Rensberg, Angehörige der nordskandinavischen Bevölkerungsgruppe der Samen und Vollversammlungs-Delegierte der Kirche von Schweden, unterstrich in ihrem Beitrag eindrücklich die durch den Klimawandel verursachte Zerstörung der Lebensgrundlage der Samen. Es gebe immer weniger Regen, Schnee und Eis im Norden Skandinaviens. Das habe für den Lebensraum der Samen zur Folge, dass die großen Rentierherden nicht mehr genügend Nahrung fänden. Die wirtschaftliche und kulturelle Lebensgrundlage dieser Menschen sei bereits jetzt schon gefährdet. »Ihr müsst uns unbedingt hören«, war ihr eindringlicher Appell im Rahmen der Pressekonferenz, der auch im Rahmen der Vollversammlung zu Gehör gebracht werden soll.
Abhängigkeiten behindern Veränderungen
Der Delegierte der Presbyterianischen Kirche von Trinidad und Tobago, Bjorn Warde, verwies auf die geradezu als »Paradies« anzusehende Natur seiner karibischen Heimat. Allerdings betonte auch er: »Wir sehen aber, wie sich das alles verändert.« Wie groß die Spannung zwischen notwendigen Veränderungen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten ist, förderte die Nachfrage eines Journalisten zutage. Darin ging es um den in der Karibik vor allem mit großen Kreuzfahrtschiffen stattfindenden Tourismus und dessen Auswirkungen. Warde gab zu, dass der Tourismus für die Karibik wirtschaftlich geradezu lebenswichtig sei und dass starke Einschränkungen oder sogar ein sofortiger Stopp des Kreuzfahrttourismus verhängnisvolle Folgen hätte. Wie Änderungen zum Schutz der paradiesischen Umwelt möglich seien, ließ er offen.
Angesichts dieser Spannung führte Joy Kennedy aus, dass die heute übliche wirtschaftliche Arbeitsweise unbedingt verändert werden müsse. Aus der Natur könnten nicht unbegrenzt Güter aller Art entnommen werden, ohne sich über die Folgen dieser Handlungsweise Rechenschaft abzulegen. »Wir handeln außerhalb unserer Befugnisse«, formulierte Kennedy diese Art wirtschaftlichen Handelns. Deshalb gehe kein Weg daran vorbei, einen neuen Lebensstil einzuüben. Dieser müsse gemeinsam erlernt werden. Dazu sei es auch nötig, »unseren jungen Leuten« eine neue Lebensweise beizubringen. »Freuen wir uns darüber, und lasst uns dieses neue Leben umarmen«, brachte sie das bildhaft zum Ausdruck.
Weiterführende Links
Informationen zu Angeboten der EmK im Rahmen der ÖRK-Vollversammlung
Der Autor
Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de.
Zur Information
Ökumenischer Tag der Schöpfung
In der 2001 verabschiedeten »Charta Oecumenica« empfahlen die beteiligten und unterzeichnenden europäischen Kirchen, »einen ökumenischen Tag des Gebets für die Bewahrung der Schöpfung«. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland setzte diese Empfehlung im Jahr 2010 um und führte den ökumenischen Tag der Schöpfung ein. Die zentrale Feier findet jährlich in der Regel am ersten Freitag im September an wechselnden Orten statt. Der ökumenische Tag der Schöpfung soll darauf aufmerksam machen, im Einklang mit Schöpfung und Schöpfer zu handeln und Verantwortung für die Schöpfung wahrzunehmen. Angesichts der Zerstörung der Schöpfung sollen konkrete Schritte zu ihrem Schutz aufgezeigt werden. In den Gemeinden kann der Ökumenische Tag der Schöpfung auch an einem anderen Tag in der Zeit vom 1. September bis 4. Oktober gefeiert werden.